Wir haben uns bei der Auswahl unseres Gastschülers auf einen Schüler aus einem europäischen Land festgelegt, weil wir davon ausgingen, dass der oder die Schülerin dann vielleicht ein bisschen Deutsch spricht. Dann war es so weit und YFU schickte uns die Unterlagen von drei Bewerbern: von einem Schüler aus Finnland, von einer Schülerin aus Norwegen (die nur für sechs Monate bleiben würde) und von einer Schülerin aus Rumänien. Wir dachten sofort, dass wir die norwegische Schülerin für sechs Monate nehmen sollten, denn falls es nicht so gut funktionierte, würde uns die Zeit nicht so lange werden. Unsere Tochter, die mit YFU ein Austauschjahr gemacht hatte, riet uns davon ab. Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass man sich erst nach fünf bis sechs Monaten richtig in der Familie eingelebt hat.
Stadtplan und Telefonnummern für die Orientierung
So entschieden wir uns dann für Stephania aus Rumänien. Wir hatten sehr großes Glück was die Deutschkenntnisse betraf, denn sie lernte bereits seit sechs Jahren Deutsch an der Schule. Die ersten Monate waren nicht einfach für uns alle, denn Stefi musste ja erst einmal lernen, wie hier bei uns denn alles so funktionierte. Da es von unserem Haus aus keine direkte Busverbindung in die Schule gibt und wir sowieso fast alles mit dem Fahrrad erledigen, machten wir gleich am ersten Wochenende eine kleine Fahrradexkursion zur Schule. Damit Stefi sich nicht verfuhr bekam sie einen Stadtplan und die Telefonnummern sämtlicher Familienmitglieder an die Hand.
Wir entwickelten sehr rasch ein gutes Vertrauensverhältnis und verbrachten auch sehr viel Zeit miteinander. Auch die Integration in der Schule verlief sehr positiv und Stefi hatte schnell einen großen Freundeskreis, der auch bei uns willkommen war. Auch mit der leiblichen Mutter haben wir bis heute einen guten Kontakt.
Wie ein eigenes Kind behandelt
Unsere beiden Kinder haben wir sehr selbständig erzogen, aber Stefi kannte das bis dahin nicht so, was für uns mit viel Arbeit und manchmal mit Unverständnis von beiden Seiten verbunden war. Aber wir behandelten Stefi immer wie unser eigenes Kind auch mit der gleichen Strenge, auch was die Einhaltung von Ausgehzeiten betraf, denn sie war noch minderjährig.
In diesem Jahr erfuhren wir einiges über ihr Heimatland Rumänien und lernten auch ein paar Worte Rumänisch. Über Ostern verbrachten wir zusammen einen viertägigen Wanderurlaub im Schwarzwald, denn sie wollte gerne mal mit uns in die Berge fahren. Die Zeit verging dann zum Ende hin immer schneller und vieles was wir gerne noch zusammen erleben wollten, konnte nicht mehr realisiert werden.
Ein sehr großes Weihnachtsgeschenk
Doch in diesem Jahr wurde uns allen klar, dass unsere Stefi wiederkommt. Wir haben uns jetzt eine Aussage aus der Fernsehreihe „Der rosarote Panther" zueigen gemacht, die dann am Tag der Abreise auch sehr wichtig wurde: „Heute ist nicht alle Tage, ich komme wieder, keine Frage!" Und so passierte es dann auch noch im gleichen Jahr zu Weihnachten. Nur unsere Tochter war eingeweiht und holte Stefi dann am 2. Weihnachtsfeiertag am Flughafen ab. Das war wie ein lebendes Weihnachtsgeschenk, als unsere Stefi (1,82m groß) plötzlich in der Tür erscheint.
Ich sehe diesen Besuch so an, dass in diesem Austauschjahr wahrscheinlich alles richtig gelaufen ist, sonst wäre unsere Stefi nicht sobald wieder gekommen und hätte ihre leibliche Familie schon am 2. Weihnachtsfeiertag verlassen. Auch Stefi hat in dieser Zeit bei uns eine reale 2. Familie gewonnen, wo sie immer wieder gerne aufgenommen wird. Eines unserer Abschiedsgeschenke nach dem ersten Abschied war ein Haustürschlüssel unseres Hauses. Ich glaube, auch das spricht für sich.