Alessandro war nach Agustin aus Chile und John aus den USA unser dritter Gastschüler und durch unser gemeinsames Jahr ist nicht nur zu ihm eine besondere Beziehung, sondern auch zu seiner Familie eine wirkliche Freundschaft entstanden: Gerade letzte Woche war er mit seiner Familie für ein paar Tage zu Besuch. Wir hatten zusammen eine schöne Zeit, mit einer lustigen Sprachmischung aus Italienisch, Englisch und Deutsch.
Wir waren auch schon bei ihm in Italien und werden versuchen, auch weiterhin den Kontakt zu halten. Alessandro plant, zweimal im Jahr zu uns zu kommen, was uns sehr freut.
Immer etwas Besonderes: die Ankunft
Die erste Begegnung, das ist immer total spannend! Wir hatten schon im Vorfeld etwas Kontakt, über E-Mail und per WhatsApp, da baut sich eine gewisse Spannung auf. Ich weiß noch genau, wie Alessandro aus dem Zug gestiegen ist – der allererste Augenblick, das ist immer etwas Besonderes, den vergisst man nicht!
Der Weg vom Bahnhof nach Hause ist dann meist ein bisschen steif, aber das lockert sich relativ schnell. Zu Hause bekam er sein Zimmer, dann haben wir gegrillt. Das ist am leichtesten – jeder nimmt sich, was er mag. Und dann fängt man einfach an, miteinander zu reden.
Am Anfang haben wir auf Englisch kommuniziert, aber das sollte man nicht zu lange tun. Alessandro hat am Schluss sogar einen B1-Abschluss in Deutsch gemacht, obwohl er vorher gar kein Deutsch konnte. Da waren wir alle so stolz. Eins ist dabei ganz, ganz wichtig für das Erlernen der Sprache: die Integration.
Mit Fußball und Eigenmotivation zum Sprach-Zertifikat
Alessandro hat in Italien Fußball gespielt und wollte das gern hier fortführen. Und da ich selbst Fußball-Trainer bin, konnten wir ihn sehr schnell in unserem Fußball-Verein integrieren. Dabei ist bei ihm auch eine noch größere Eigenmotivation entstanden, Deutsch zu lernen. Er besitzt aber auch ein gewisses Sprachtalent.
Im Februar kam Alessandro dann schließlich auf die Idee, seinen Aufenthalt mit einem Sprach-Zertifikat abzuschließen. Wir haben ihn dann im Juni dafür angemeldet. Für die Prüfung ist er extra von Leipzig nach Dresden gefahren – und er hat es geschafft!
Auch die Schule profitiert vom Austausch
Als er jetzt im Januar wieder zu Besuch war, wollte Alessandro unbedingt auch in seine Schule gehen und ehemalige Klassenkameraden treffen, auch zum gemeinsamen Döner essen. Seine alte Klasse, aber auch die Schule, hat auf alle Fälle davon profitiert, dass ein Austauschschüler bei ihnen war, das war schon etwas Besonderes. Alessandro hat auch Vorträge über seine Heimat Italien gehalten. Da er keine Noten bekommen musste, war das ein relativ entspanntes Schuljahr in Deutschland.
Erst kurz vor Schluss kam etwas Stress auf, weil die Schule in Italien plötzlich doch noch Leistungsnachweise haben wollte. Das haben wir aber alles regeln können. Seine Lehrerin in Italien sagte übrigens kürzlich zu ihm, so wie Alessandro sich entwickelt hat, müsste jeder ein Austauschjahr in Deutschland machen! Seine Motivation für die Schule ist sehr gestiegen und seine Einstellung zum Lernen hat sich positiv entwickelt.
„Mein zweites Zuhause“
Besonders schöne Erinnerungen – da gibt es so viele, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich empfand es eigentlich immer als sehr schön, wenn man merkt, dass die Schüler so richtig bei uns angekommen sind, also wenn sie sich zum Beispiel aufs Sofa lümmeln oder einfach zum Kühlschrank gehen und sich was nehmen, und nicht mehr fragen, ob sie das dürfen. Wie ein Teil der Familie. Wir haben das ja nicht für Geld gemacht, sondern weil wir genau das wollten – dass unsere Gastschüler ein Teil der Familie werden.
Besonders gefreut haben wir uns über einen Zwischenbericht von Alessandro an YFU. Er wurde gefragt, welchen Filmtitel er seinem Austausch geben würde, und er schrieb: „Mein zweites Zuhause“ – das war sehr schön zu lesen.
Bei „dunkleren Wolken“ hilft ein Gespräch
Weder mit Alessandro noch mit unseren Austauschschülern davor gab es große Probleme, es gab eigentlich nie so richtig Stress. Wenn mal dunklere Wolken aufgezogen sind, dann haben wir darüber gesprochen. Natürlich gibt es auch mal schlechte Tage oder man ist mal genervt, aber nichts Dramatisches – nichts, was man nicht durch ein Gespräch ausräumen konnte.
Ein Austauschjahr ist so bereichernd, wir möchten es nicht missen, dass wir das gemacht haben! Man lernt so viel kennen und es ist eine ganz andere Erfahrung, als würde man zum Beispiel nur als Tourist nach Italien zu fahren. Man lernt die Lebens- und Denkweise kennen, “taucht” mehr ein und reflektiert umgekehrt, wie es in Deutschland ist. Man bekommt einen ganz neuen Blickwinkel und profitiert als Familie ungemein! Beide Seiten bekommen einen Einblick, dass wohl nirgendwo alles immer perfekt ist.
Der schwerste Moment: der Abschied
Der schwerste Moment – das ist definitiv der Tag des Abschieds. Es ist schwer zu beschreiben. Das ist wirklich, als würde man einen Teil der Familie verlieren. Ein Jahr, das schweißt so zusammen! Plötzlich, von hundert auf null, ist jemand nicht mehr da, der vorher immer da war. Obwohl man ja weiß, dass die Zeit begrenzt ist, fällt die Akzeptanz der Situation nicht leicht. Besonders dann, wenn das Jahr ziemlich perfekt war, was man sich ja wünscht. Von YFU wird man auf alles gut vorbereitet, aber der Abschied ist dann doch irgendwie speziell.
Ein Besuch danach, ein-, zweimal im Jahr – das ist zwar nicht dasselbe, aber wir genießen es trotzdem sehr, auch weiterhin Kontakt zu haben. Hoffentlich möglichst lange. Und deshalb haben wir jetzt für Februar einen Flug gebucht: Es geht nach Chile, um unseren ersten Gastschüler erstmalig nach 3,5 Jahren wiederzusehen!