Beide unsere Söhne waren mit YFU im Austauschjahr und für uns war immer klar, dass wir gern etwas zurückgeben möchten, vor allem weil wir auch mitbekommen haben, wie schwierig und nervenaufreibend es sein kann, Gastfamilien zu finden. Bereits vor vier Jahren hatten wir schon einmal eine Austauschschülerin aus den USA bei uns. Dieses Mal kam nun Jaan aus Estland für ein Jahr in unsere Familie.
Die erste Zeit und sprachliche Barrieren
Vor Jaans Ankunft standen wir alle mit Herzklopfen am Bahnhof. Nachdem er angekommen war, sind wir gemeinsam Essen gegangen und nach einem spannungsvollen Abend dann auch schon bald schlafen gegangen. Besonders Jaan war fix und fertig vom Tag und den vielen neuen Eindrücken. Am nächsten Tag, einem Sonntag, haben wir ihm unsere Stadt gezeigt, bevor es dann am Montag direkt schon in die Schule ging. Somit war er auch von Anfang direkt in den Familienalltag integriert.
Die ersten vier bis sechs Wochen sind immer die anstrengendsten, insbesondere was die Verständigung betrifft. Unsere Söhne konnten sich gut auf Englisch mit Jaan unterhalten, das kam für mich leider nicht infrage. Die Kommunikation mit uns Eltern erfolgte dann viel über Hände und Füße, außerdem klebten wir überall Post-ist hin. Das war schon eine Erfahrung! Außerdem haben wir Kinderbücher aus der Bibliothek geholt. Glücklicherweise war Jaan sehr motiviert Deutsch zu lernen, es hat aber schon ca. drei Monate gedauert, bis er selbst mehr gesprochen hat.
Der Familienalltag und gemeinsame Erlebnisse
Jaan war ein ganz lieber und vernünftiger Junge, der sich gut in unsere Familie integriert hat. Von Anfang an hat er sich an die aufgestellten Regeln gehalten. Er war eher ein introvertierter Typ, der z.B. eher gegrinst als laut gelacht hat, aber das fanden wir als Familie dann wiederum lustig und charmant. Wir haben gern Gesellschaftsspiele gemeinsam gespielt und es war immer schön zu sehen, wie er dabei manchmal richtig aus sich rausgekommen ist. Als ich ihn einmal abgezockt habe, ist ihm sehr zur Belustigung aller ein lautes „Mensch, Mutti!“ entglitten.
Besonders gern hat sich Jaan auch in der Gartenarbeit eingebracht. Er ist einfach ein richtiger Naturbursche und es hat ihm viel Spaß gemacht, im Garten zu sein und dort z.B. die Hecke zu schneiden. Und das nicht nur bei uns, auch bei der (Gast-)Oma hat er gern geholfen.
Zu Weihnachten hat Jaan uns seine Kultur etwas nähergebracht und estnische Weihnachtslieder gesungen. Daran und an gemeinsame Weihnachtsmarktbesuche erinnere ich mich besonders gern zurück.
Sportlicher Erfolg
Jaan ist ein sehr sportlicher Junge und hatte hier in Deutschland zwei tolle Erfolgserlebnisse: Zusammen mit meinem Sohn teilte er die Leidenschaft für Judo und beide haben gemeinsam den braunen Gürtel gemacht. Außerdem ist Jaan in der Schule Sportler des Jahres geworden und hat dafür eine Urkunde erhalten.
Ein ruhiger Abschied
Der Abschied schließlich war sehr Jaan-like, also eher ruhig. ;) Er war einfach nicht so der emotionale Typ. Am Abend zuvor gab es noch ein Essen mit der ganzen großen Familie und Abschiedsgeschenke. Besonders schön war aber ein Satz von ihm bei der Verabschiedung: Ihr wart das Beste, was mir je passiert ist!
Wir haben das Jahr mit Jaan sehr genossen und können allen nur raten, den Schritt einfach zu wagen!