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Landschaft in Bulgarien

Warum denn da?

Erfahrungsbericht von Susi, Austauschjahr in Bulgarien

„Ein Austauschjahr? Cool! Wo denn?“ … „In Bulgarien? Interessant, aber warum gerade dort?“ Diese Frage begleitet mich seit fast 2 Jahren, also seitdem ich mich beworben habe, ein Jahr in dem kleinen Land in Südosteuropa zu verbringen. Auch hier ist es nicht wirklich anders und die Leute wollen wissen, warum ich nicht nach Australien, in die USA oder ein anderes „Mainstream-Land“ gegangen bin.

Diese Frage habe ich mir selber nie wirklich gestellt. Ich bereue es kein bisschen, etwas gemacht zu haben, was Andere sich vielleicht nicht trauen würden. Nein besser – Ich bin mit meiner Entscheidung, hier sein zu wollen unendlich glücklich und seit Monaten lebe ich mit dem Gefühl unsterblich verliebt zu sein. Verliebt in dieses Land, die Leute mit ihrer Mentalität, das Essen und die Gewohnheiten, aber wie hat das ganze eigentlich angefangen?

Also, wie gesagt vor etwa 2 Jahren war ich mir ganz sicher. Ich möchte weg. Weg für ein Jahr, um etwas Neues zu erleben, neue Erfahrungen zu machen, Freunde zu finden, das Leben in einer anderen Familie kennenzulernen. Also habe ich mich gleich ganz am Anfang der Bewerbungsphase beworben und Bulgarien auf den ersten Platz meiner Wunschländer gesetzt. Warum denn nun eigentlich? Neugier auf ein Land, das sonst nur durch eher negative Sachen in den Medien bekannt ist, nicht aber für das, was es wirklich ist. Interesse an Sprachen, vor allem an slawischen, denn ihr Klang verzaubert mich jedes Mal aufs Neue. Essen – Gerichte, die noch nicht überall bekannt sind, die einzigartig schmecken und von denen man nicht genug bekommen kann. Diese Punkte könnte ich noch lange weiterführen.

 

Endlich geht es los

Nach einem Jahr Wartezeit, einem Jahr Ungeduld, einem Jahr Vorfreude und auch unglaublicher Neugier, ging es endlich los nach Bulgarien. Bei mir waren nur meine wichtigsten Sachen, Gastgeschenke und unglaublich viele nichtvorhandene Bulgarischkenntnisse. Immerhin konnte ich bis 20 zählen, das Alphabet lesen, „Hallo, mein Name ist Suzi, ich bin 16 Jahre alt und komme aus Deutschland.“ sagen und mich verabschieden. Seit dem Jahreswechsel kann ich aber eigentlich ohne Probleme sprechen, in der Schule so gut wie alles mitschreiben und Bücher lesen, ohne auf jeder Seite viele unbekannte Worte zu finden. 

 

Meine Gastfamilie

Eigentlich sollte sich mein Jahr in Blagoevgrad, einer mittelgroßen Stadt um Südwesten des Landes abspielen. Aber Austausch bedeutet auch immer, dass unerwartete Dinge geschehen, Dinge mit denen man nicht rechnen kann und die einen auch ziemlich aus der Bahn werfen können. So geschah es auch mir. Nach einem Monat in Blagoevgrad ging es für mich recht plötzlich nach Sofia. Ich ließ meine neugewonnen Freunde, Hobbies, meine Schule und alles andere zurück. Ich hatte einfach ein wenig Unglück mit meiner Gastfamilie und es gab Differenzen von ihren Ansichten, die es mir schlicht und einfach ziemlich plötzlich unmöglich gemacht haben, dort zu leben. Das Leben ging weiter und ich bin keinem böse, dass es so kam. Es war einfach eine Erfahrung. Ich war plötzlich in Sofia. Und nach 1 oder 2 Tagen war dieses traurige und enttäuschende Gefühl auch schon wieder fast weg.

Nach etwa 2 Wochen konnte ich in eine neue Gastfamilie in Sofia wechseln und es war einfach das Beste, was mir hätte geschehen können. Die neue Familie sollte aus 2 Eltern und 2 Schwestern bestehen, die mich alle gleich richtig nett begrüßt haben und die ich jetzt wirklich „meine Familie“ nennen kann. Wir machen viel zusammen, essen gemeinsam Abendessen, reden viel und ich komme super mit ihnen klar. Wir waren sogar in Österreich im Urlaub, um dort Snowboard zu fahren, beziehungsweise Ski zu laufen und es war super schön.

In der Zeit, in der ich mich hier befinde, habe ich so viel gelernt. Aber es ist eben nicht dieses Lernen, wie man es in der Schule hat. Man lernt über das Leben, wie man sich an ganz unterschiedliche Situationen anpasst, wie man Freunde findet und eine Sprache aufsaugt, indem man sie jeden Tag hört und einfach spricht. Diese Dinge stehen nicht in Büchern, sie müssen erlebt werden!

 

Die größten Unterschiede

Was sind eigentlich die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Bulgarien? Die Mentalität. Sie ist eine der ersten Dinge, die ich hier ganz anders empfunden habe. Die Bulgaren sind unglaublich offen und gastfreundlich. Wenn man einen Bulgaren trifft, dann wird gleich geredet. Man redet über alles Mögliche, was einem gerade so einfällt. Bulgaren sprechen übrigens unglaublich gerne über das Wetter. Das macht es einem viel einfacher, andere Leute wirklich kennenzulernen und vielleicht sogar Freundschaften zu schließen.

In Bulgarien hört man oft den Satz „Има време!“. Das bedeutet: „Es gibt Zeit.“ und es ist wahrscheinlich eines der wichtigsten Prinzipien hier. Es ist kein Problem, nein es ist sogar Standard, zu einer Verabredung einige Minuten zu spät zu kommen und niemand wird deswegen böse sein. Auch wenn du geholfen hast und es nicht perfekt geworden ist, sind die Leute von deiner Hilfe begeistert und das gibt ein wirklich gutes Gefühl. Einmal, als ich hier abgewaschen habe und mir ein Glas zu Bruch gegangen ist, hatte ich Angst, dass jemand sauer ist. Mein Gastpapa meinte aber „Wer etwas tut, dem passieren solche Dinge eben.“ und es hat mich merklich beruhigt, dass das so locker aufgenommen wurde.

 

Schule mal anders

 

Schule nimmt natürlich einen großen Teil meines Lebens hier ein und deswegen möchte ich auch gerne etwas über sie erzählen. Das ganze System ist ziemlich verschieden von dem in Deutschland. Es gibt Dinge, die ich mag und auch Dinge, die ich weniger mag und natürlich hat jedes Schulsystem seine Vor- und Nachteile. Hier gibt es keine Diskussionen mit dem Lehrer. Er oder sie hat eigentlich immer Recht. Und auch kreatives Denken wird eher weniger gefördert, wobei die jüngeren Lehrer/innen es versuchen und auch manchmal Präsentationen hören möchten. In den nächsten Jahren wird es aber einige Reformen im System geben, um das ganze etwas moderner und an westeuropäische Standards anzupassen. Auf der anderen Seite gefällt mir hier aber, dass die Schule viel kürzer ist, als in Deutschland. Ich habe meistens von 7:30 Uhr bis 13:15 Uhr oder sogar nur bis 12:30 Uhr Unterricht und nachdem ich Hausaufgaben gemacht habe, bleibt immer noch Zeit, um das zu machen, was man gerade möchte. Freunde treffen, in eine Mall gehen oder einfach nur Musik hören.

Susi mit ihren Gastschwestern und ihrem Gastvater

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Susi mit ihrer besten Freundin

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Ausflug in die Tropfsteinhöhle

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Beim YFU Re-Entry Seminar kurz vor der Rückreise

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