„Merhaba! Nasılsın?“
Das ist der erste Satz, den ich hörte, lernte und auch der, den ich am häufigsten gebrauche. „Nasılsın“ bedeutet „Wie geht's dir?“ und darüber, wie es mir hier in der Türkei geht möchte ich berichten.
Am Tag meiner Ankunft bei meiner Gastfamilie in Ankara wurde ich sehr herzlich empfangen. Wir kamen am Morgen mit dem Fernreisebus aus Izmir in Ankara an. Vom Bus wurden ich und ein anderer Austauschschüler von einem Mitarbeiter von YFU abgeholt und zu unseren Gastfamilien gefahren. Während der Autofahrt zu meiner Gastfamilie erzählte er uns etwas über sein eigenes Austauschjahr in Norwegen und über Ankara und wir erzählten von der Orientation in Izmir. Ich wohne im Stadtteil Çayyolu. Wir fuhren durch eine Straße mit weißen umzäunten Villen. Wir waren beeindruckt. Dann bogen wir in eine kleine Seitenstraße ab. Am Ende der Straße stand ein großes, rotes Haus. Meine Gastmutter kam aus dem Haus und begrüßte uns alle. Sie umarmte mich und ich verabschiedete mich von den anderen. Trotz meiner durch die Busfahrt bedingten Müdigkeit war ich sehr aufgeregt und beeindruckt von meinem neuen Zuhause. Mein Zimmer konnte ich sofort erkennen. Denn meine Gastschwester hatte ein Zimmerschild mit den Worten: „Welcome to your Home Laura“ gebastelt und an meine Tür gehängt. Am Abend gab es zu meiner Willkommensfeier einen Kuchen, den wir im Wohnzimmer alle gemeinsam aßen. Danach zeigte ich Fotos von meiner Familie und erzählte von Deutschland.
Meine Gastfamilie ist total super. Mit meiner vierzehnjährigen Schwester Irmak verstehe ich mich sehr gut. Wir hören dieselbe Musik und ich helfe ihr bei den Hausaufgaben, insbesondere bei Deutsch. Wir sind uns sehr ähnlich und mögen sogar denselben Klamottenstil. Wir haben eine Musikliste angelegt mit Liedern, die wir gerne hören. Auf unserer Filmliste befinden sich alle Filme, welche wir zusammen schauen wollen. Ein paar haben wir schon gesehen. Mein siebenjähriger Gastbruder Çınar ist ein kleiner Wirbelwind, der gerne mit mir Scheinkämpfe gegen unsichtbare Luftfeinde ausficht oder andere Spiele spielt. Wir haben sehr viel Spaß zusammen. Auch mit meinen Gasteltern verstehe ich mich super. Sie haben mich schon als ihre Tochter akzeptiert.
Schule und Freunde
Wahrscheinlich könnte ich einen ganzen Bericht nur über das Thema „Unterschiede der türkischen und deutschen Schule“ verfassen, aber ich werde nur ein paar herausgreifen. Meine allererste Konfrontation mit den Unterschieden hatte ich schon bevor die Schule überhaupt angefangen hatte. An meinem letzten freien Tag vor dem Schulbeginn ging ich mit meiner Gastmutter und meiner Gastschwester Irmak in den Schreibwarenladen. In Deutschland kaufe ich dann karierte und linierte Blöcke, Hefter und Tintenpatronen. Mit den gleichen Erwartungen ging ich auch hier in den Schreibwarenladen. Doch ich wurde überrascht, denn es gab weder Blöcke noch Hefter, dafür aber ein großes Angebot an bunten A4-Ringnotizbüchern.
In der Schule erklärte sich mir dann auch das Angebot des Schreibewarenladens, denn in der Schule schreiben alle Schüler mit Druckbleistiften in große A4-Ringnotizbücher. Die Notizbücher gefallen mir, denn es gibt keine losen Papiere und alles ist in einem Heft verwahrt.
Einen weiteren sehr bedeutenden Unterschied zwischen meiner deutschen und meiner türkischen Schule gibt es noch: ich könnte ihn als das „Klassengefühl“ beschreiben. Meine türkische Klasse ist eine zusammengeschweißte Einheit. Im Gegensatz zu meiner deutschen Klasse wird hier niemand ausgegrenzt oder ausgeschlossen. Im Gegenteil: Als ich mich bei meinen Freunden nach „Mobbing“ erkundigte, wurde ich schief angeschaut und dann gefragt: „Was ist denn Mobbing?“. Es herrscht mehr Nähe zwischen den Schülern, auch im körperlichen Sinne. In den Pausen werde ich von meinen Klassenkameraden einfach umarmt und geknuddelt. Aus keinem speziellen Grund, einfach weil wir Freunde sind. Ich liebe das und habe mich schon sehr daran gewöhnt.
Am ersten Schultag kam ich zur dritten Stunde in die zehnte Klasse. Als wir in den Raum kamen, herrschte überraschte Stille. Die Lehrerin stellte mich kurz vor und schickte mich dann zu einem leeren Platz in der Mitte der Klasse. Nun sprachen alle durcheinander. Die Schulstunde ging weiter, doch immer wieder entdeckte ich Schüler, die neugierig zu mir schauten oder mir zulächelten. Ich lächelte zurück. Nach dem Pausenklingeln gab es für die Klasse kein Halten mehr. Alle sprangen von ihren Sitzen auf und ich wurde von den kompletten Mädchen umzingelt und befragt. Es war ein gutes Gefühl so viel Interesse und Willkommenheit zu spüren. Ich fühlte mich sofort wohl und das ist bis heute so geblieben. Jeden Tag freue ich mich wieder in die Schule zu meiner Klasse zu gehen. Ich habe auch schon sehr viele Freunde gefunden.
Türkisches Essen und Trinken
Mein Lieblingsgetränk ist Çay. Übersetzt heißt Çay einfach nur Tee, aber er wird hier in der Türkei etwas anders zubereitet. Zuerst einmal sind schon die Teekocher anders. Es ist nicht einfach nur ein Wasserkocher, sondern als Deckel ist auf dem großen Wasserbehälter eine kleine Kanne. In dieser befindet sich die Teeessenz. Beim Kochen wird durch den Dampf des im großen Behälter enthaltenen Wassers die kleine Kanne erwärmt. Der Geschmack lässt sich am besten mit dem von schwarzem Tee vergleichen. Man kann nach Belieben Zucker hinzufügen.
Auch das türkische Essen ist çok güzel! Ich habe schon viele verschiedene Gerichte gegessen wie zum Beispiel Iskender, Baklava und mein Lieblingsgericht Mantı. Dies ist eine Art türkischer Tortellini, welche mit Joghurt, Tomatensoße, flüssiger Butter und Minze serviert werden.
Da jetzt die Vorweihnachtszeit angefangen hat, habe ich mit meiner Gastmutter und Irmak letztes Wochenende deutsche Weihnachtsplätzchen gebacken. Wir stachen Plätzchen aus und verzierten sie gemeinsam mit Namen, Nüssen und Rosinen. Dabei hatten wir sehr viel Spaß. Nach dem Backen wurden die noch ofenwarmen Kekse sofort gekostet und für gut befunden.
Wie heißt also meine Antwort auf die Frage, wie es mir nach zwei Monaten und zwanzig Tagen in meinem Austauschjahr in der Türkei geht?
Çok mutluyum!