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Austauschjahr in Paraguay

„Rohayhu Paraguay“

Erfahrungsbericht von Leonie, Austauschjahr in Paraguay

Bevor ich mich bei YFU bewarb, wusste ich so gut wie nichts über Paraguay. Ich hatte es einfach mal so zu meiner Länderwahl dazu genommen. Als dann Anfang Oktober der lang ersehnte Brief kam, der mir verriet, ob und wohin es geht, habe ich mich riesig gefreut. Es wurde tatsächlich Paraguay. Also habe ich zusammen mit meiner Mutter erstmal das Internet durchforstet. Bis zu meinem Abflug im Juli hatte ich dann doch einiges über Paraguay erfahren und meine Vorfreude stieg mit jedem Tag. Dann war es endlich so weit, der Koffer wurde gepackt, Tränen bei den Verabschiedungen vergossen und dann ab zum Flughafen.

Mein erster Eindruck als ich in Paraguay ankam: Hitze trotz angekündigtem Winter, total liebenswürdige Familie, die mich mit einem Riesen-Plakat erwartete und dieses „blöde“ Spanisch, das ich einfach nicht verstand. Dann kam die Fahrt durch halb Asuncion, der Hauptstadt von Paraguay und meine neue Heimatstadt. Im Auto gab es erst mal Terere, eiskalter Mate-Tee, das typische Getränk von Paraguay. Meine Gastbrüder und meine Gasteltern hatten unendlich viele Fragen, und trotz meines gebrochenen Spanisch schaffte ich es ganz gut, mich mit Händen und Füßen mit ihnen zu verständigen. „Zuhause“ angekommen gab es erst mal Mittagessen. Gleich am ersten Wochenende war  ich das erste Mal ein Asado essen, das ist Grillen in Paraguay, und Tradition.

 

Von Zu-spät-Kommern und langen Sommerferien

Nach einem zweiwöchigen Sprachkurs mit den anderen YFUlern kam dann mein erster Schultag. Aufregung pur! Zum Glück kannte ich schon eine meiner Mitschülerinnen, doch typisch paraguayo, ausgerechnet sie kam natürlich zu spät. Wie ich mit der Zeit feststellte, sind sowohl der Unterricht als auch die Arbeiten sehr viel leichter in Paraguay. In den meisten Fächern wurden Aufgaben bearbeitet, die Teil der Note waren, doch trotzdem haben wir die meiste Zeit nur geredet, gesungen oder geschlafen. Selbst schuld, wenn man schlechte Noten bekommt, die Lehrer überlassen das dir.

Überhaupt ist das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern hier sehr viel entspannter, für einen Spaß sind sie immer zu haben und sie werden geduzt.

Nach 3 Monaten Schule begannen dann schon die Ferien und mit ihnen die Langeweile. Doch schon bald fing ich an, jeden Tag mit dem Bus in die  Stadt zu fahren, was jedes Mal ein Erlebnis war, denn Busfahren in Paraguay und generell der Verkehr ist sehr anders als in Deutschland. Beim Busfahren muss man nur den Arm raus strecken, egal wo man steht, und der Bus hält an und wenn man aussteigen will, zieht man an einem Seil mit einer Glocke und schon hält der Bus.

In der Stadt bin ich mit Freunden auf den Markt, zum Shoppen oder ins Zentrum gegangen. Vor allem mit den anderen Austauschschülern verbrachte ich viel Zeit und ab Dezember begann ich zweimal die Woche mit einer anderen YFUlerin in ein Kinderheim zu gehen. Mit den Jungs dort haben wir meistens Fußball gespielt oder gebastelt und mit der Zeit sind sie mir wirklich ans Herz gewachsen. Mit meiner Familie verbrachte ich im Januar 10 Tage in Brasilien, wo wir jeden Tag am Strand waren und ich viele neue Leute kennengelernt habe. Ich bin meiner Familie sehr dankbar, dass ich das erleben durfte. Und schneller als ich schauen konnte waren die fast vier Monate Ferien auch schon vorbei und es hieß wieder ab in die Schule.

 

Feiern, was das Zeug hält!

Die Paraguayer feiern gerne, egal was. Dauernd gibt es Feste und große Familientreffen mit Asado.
Am wichtigsten ist – wie in vielen lateinamerikanischen Ländern – der 15. Geburtstag mit einer riesigen Party. Dank meinem jüngeren Gastbruder konnte ich auf einige mit und es war der Wahnsinn. Die ganze Nacht wird getanzt, natürlich zu Reaggeton. Für mich ein Highlight war die Gala meiner Schule im Oktober, wo ebenfalls viel getanzt wurde. Auch Silvester war ein Spektakel. Bis 1 Uhr nachts waren wir bei den Großeltern essen und danach sind wir auf eine enorme Feier und haben bis 6 Uhr getanzt. An Silvester gibt es ein paar Bräuche, zum Beispiel muss man etwas Weißes anziehen und isst um 12 Uhr 12 Weintrauben. Auch an Weihnachten hat meine Gastfamilie nach dem Gottesdienst mit allen Tanten, Cousinen und den Großeltern gefeiert. Geschenke wurden erst um 12 ausgepackt. Die Semana Santa (Osterwoche ) ist in Paraguay auch sehr wichtig, jeden Abend geht man in die Kirche, am Osterfreitag wird Fisch gegessen, was es sonst eher selten gibt und man muss mindestens einmal Chipa, ein typisches Gebäck mit Käse, mit der Familie backen.

 

Sommer von November bis April

Zwar dauerte es seine Zeit, bis ich mich an die Bräuche, Traditionen und das Temperament der Paraguayer gewöhnt hatte, doch mit der Zeit nahm ich die Kultur immer mehr auf und verwandelte mich immer mehr in eine „Paraguaya“. Ich kam ständig zu spät, benutzte nach und nach immer mehr typische Ausdrücke und lernte auf Guaraní zu fluchen. Guarani ist die zweite Landessprache und echt schwer zu lernen. Ich lernte zu tanzen, bei den Liedern mitzusingen, die an allen Ecken zu hören sind, nahm meinen Terere bei jeder Gelegenheit mit und gewöhnte mir an, Siesta zu schlafen. 

Jetzt bin ich seit zwei Monaten wieder zurück in Deutschland. Klar bin ich froh, wieder bei meiner Familie zu sein, doch  mein zweites Zuhause fehlt mir sehr. Ich vermisse meine Gastfamilie und vor allem meine Gastmama! Ich vermisse es, jeden Mittag mit meiner Freundin von der Schule nach Hause zu laufen, die Camps mit unserer YFU-Gruppe und mit dem Bus ins Kinderheim zu fahren. Mir fehlt die Hitze im Sommer, der dort von November bis April dauert und in dem 38 Grad normal sind. Ich vermisse es auch, auf 15. Geburtstage zu gehen und zu tanzen oder einfach nur bei meiner Freundin zu sitzen und zu reden. Selbst das Essen, die Costanera, meine verrückte Klasse und der chaotische Verkehr fehlen mir. Und die Frage, ob ich zurückkehren will, kann ich nur bejahen, denn wie man auf Guaraní so schön sagt: „Rohayhu Paraguay“ was so viel bedeutet wie „Ich liebe Paraguay“.

Leonie mit ihren Klassenkameradinnen

Leonie mit ihren Klassenkameradinnen

Asado auf dem Grill - typisch paraguayisch

Asado auf dem Grill - typisch paraguayisch

Terere, eiskalter Matetee - ohne geht's nicht!

Terere, eiskalter Matetee - ohne geht's nicht!

Einer der neueren Busse, eines der Hauptverkehrsmittel in Paraguay

Einer der neueren Busse, eines der Hauptverkehrsmittel in Paraguay