Hallo, mein Name ist Patrycia und ich habe mein Austauschjahr in der wunderschönen Stadt Poznań, in Polen verbracht.
Meine Reise fing am 14. August 2016 an, als ich in dem Zug nach Polen saß und mir klar wurde, dass erst jetzt das Abenteuer richtig losgeht. Als ich, nach einer mir unendlich lang erscheinenden Zugfahrt, endlich in Polen ankam, wurde ich sofort in die Arme von meinen Gasteltern geschlossen und dann ging es auch schon los in mein neues Heim, welches für ein ganzes Jahr mein neues Zuhause werden sollte.
Wir hatten insgesamt zwei Wochen Zeit, bis die Schule in Polen anfing und in der ersten Woche nahmen ich und weitere Austauschschüler an einem Seminar von YFU Polen teil, in welchem wir so einiges über das Land, die Kultur, das alltägliche Leben, die Schule, das Essen und vieles mehr erfuhren. Das Seminar wurde auf englisch geführt. In der zweiten Woche nahmen wir alle noch an einen Sprachkurs teil, um schon einmal mit der polnischen Sprache in Kontakt zu kommen und um uns daran zu gewöhnen. Dieser Kurs war auf polnisch.
Die polnische Schule und Sprache
Am ersten Schultag musste ich mich wie folgt kleiden: Ein weißes Hemd und eine schwarze Hose oder einen schwarzen Rock, denn es ist Tradition, dass sich alle Schüler/Innen und Lehrer/Innen am ersten Schultag in der Aula treffen und die Nationalhymne singen. Danach geht man in die Klassen.
Von meiner Schule wurde ich sehr herzlich aufgenommen, von den Lehrern, wie auch von den Schülern. Von allen Seiten wurde ich so gut es geht unterstützt und bekam sogar zwei mal in der Woche individuellen Unterricht. Das Notensystem unterscheidet sich sehr von dem Deutschen, denn es ist so, dass eine sechs, die beste Note und eine eins, die schlechteste ist. Ebenso anders als in Deutschland ist, dass man hier in Polen nach jeder Schulstunde eine Pause von entweder 10,15 oder 20 Minuten hat. Dies war für mich in dem ersten Monat etwas anstrengend, da der Tag sich ziemlich in die Länge gezogen hat, aber auch daran gewöhnt man sich nach einer Weile.
Polnisch kann für Anfänger eine echte Herausforderung sein, jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass wenn man sein Herz für das Land öffnet, alles wie von alleine auf einen zukommt und das vieles leichter sein kann als es scheint.
Es ist nie langweilig!
Meine Gastfamilie besteht aus sieben Personen, mich miteingeschlossen. Wir machten Radtouren, gingen an unserem schönen See spazieren, fuhren Schwimmen, gingen ins Kino, besuchten verschiedene Städte in Polen und vieles mehr. Es gab selten Momente, in denen mir langweilig war, denn bei einer solch großen Familie ist immer etwas los! Ich wurde auch immer von meinen Gasteltern gefragt, ob ich irgendwohin mitkommen möchte und sie ließen mir die Freiheit, um Entscheidungen selber zu treffen. Ich bin, dadurch dass sich meine Gastfamilie in der Kirche engagiert, in eine Jugendgruppe beigetreten und verbrachte auch viel Zeit mit den Jugendlichen dort. Mit der Jugendgruppe waren wir beispielsweise in Warschau, der Hauptstadt von Polen und haben dort andere Jugendgruppen aus ganz Polen kennengelernt und mit ihnen an einem Workshop teilgenommen, der sich mit dem Gesang beschäftigt hat. Ebenso waren wir mit der Jugendgruppe in der kleinen Stadt Lipinka, nicht weit von Poznań entfernt und haben unsere Ferien am See verbracht, sind Kajak gefahren und vieles mehr.
Ostern in Polen
Vor Ostern habe ich jedoch noch eine kleine Weltreise gemacht, denn ich war in Litauen, Lettland, Russland und in Weißrussland. Ich habe bei einem sogenannten Erinnerungsmarsch teilgenommen. Als Würdigung an die tausend ermordeten polnischen Offiziere und polnische Intelligenz, die durch Anweisung von Stalin, im Jahr 1940 durch einen Kopfschuss ermordet wurden (Massaker von Katyn) fuhren wir, Schüler/Innen aus ganz Großpolen nach Russland, um ihnen gemeinsam mit russischen Schülern Hochachtung zu erweisen, dafür, dass sie stets an der Seite ihres Vaterlandes gekämpft haben und trotz Gefangenschaft, niemals vergessen haben, woher sie stammen. Es war ein historischer Ausflug, der mir vor allem einen Einblick in die polnische Geschichte geben konnte. In Weißrussland sind wir noch nach „Nowogrȯdek“ gefahren um sie Lebensgeschichte von Adam Mickiewicz, einem bekannten polnischen Dichter, kennenzulernen.
Die Mehrzahl der Bevölkerung in Polen ist christlich. Es wird hier sehr auf das Beibehalten alter Traditionen geachtet, weshalb ich zu Ostern auch bei etwas ganz Besonderem teilnehmen durfte. Es nennt sich „Triduum Paschalny“, also Ostern-Triduum („pascha“ bedeutet „Ostern“ auf lateinisch ). Ostern ist für Christen eines der wichtigsten Feste im Jahr, denn es ist die Auferstehung von Christus. Triduum Paschanly ist ein dreitägiger Brauch, bei dem man drei Tage lang zu einer Kirchenmesse geht. Es ist jedoch keine „normale“ Sonntagsmesse, denn die Messen sind jeden Tag unterschiedlich, jedoch entsprechend thematisiert. Es ist im Grunde genommen ein Prozess, bei dem man sich auf die Auferstehung von Christus vorbereitet. Ich durfte hierbei in einem Kirchenchor mitsingen und dadurch habe ich das ganze Fest noch persönlicher und intensiver miterleben können.
Każdy początek jest trudny (Aller Anfang ist schwer)
Alles braucht nun mal seine Zeit und es ist klar, dass man nicht alles gleich von Anfang an kann und das verlangt auch keiner. Das ist das schönste an einem Austauschjahr. Man hat die Zeit, um sich selber zu finden, die Sprache langsam zu lernen, die Zeit, um neue Menschen kennenzulernen und viel neues in einem fremden Land zu erleben und zu erfahren. Ich kann heute sagen, dass ich der wohl glücklichste Mensch der Welt bin, denn ich durfte dieses wunderbare Abenteuer miterleben. Ein Traum wurde wahr und ich bereue keine Sekunde meines Lebens, Polen als Land gewählt zu haben und in die Achterbahn der Gefühle hineingestiegen zu sein, denn viele Menschen wissen oftmals nicht, was für ein wunderbares Land Polen ist!
Ich bin mehr als nur dankbar dafür, dass ich durch die Hilfe und großzügige Unterstützung der Kreuzberger Kinderstiftung, das alles miterleben durfte. Die Kreuzberger Kinderstiftung unterstützt vor allem die Schülerinnen und Schüler, die nicht unbedingt ein Gymnasium besuchen und setzt sich somit für die Bildungsgerechtigkeit ein. Das Stipendium habe ich bekommen, weil ich mich außerdem noch außerschulisch engagiert habe und weil die Eigenfinanzierung des Austauschjahres sonst auch nicht möglich gewesen wäre. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich auf diese Stiftung aufmerksam gemacht wurde, da sie sich wirklich individuell mit jedem Einzelnem auseinandersetzt und versucht zu helfen, wo es nur möglich ist.
Es kommt mir vor als hätte ich mich gestern erst gefragt: „Wie soll ich zehn Monate in einem fremden Land durchstehen? Kriege ich das mit der Schule dort überhaupt hin? Werde ich meine Familie nicht höllisch vermissen und werde ich mich nicht nach meinem Alltag in Deutschland sehnen?” Doch die Zeit vergeht so unheimlich schnell und ehe man sich versieht, heißt es Abschied nehmen, von einem Ort, den man sehr ans Herz geschlossen hat. Man fragt sich, wie es sein wird, wenn man zurück kommt, ob sich vieles verändert hat, ob man sich persönlich auch nicht etwas verändert hat, wie es wohl sein wird, sein neues, gleichzeitig aber auch altes Leben wieder zu leben. Die Rückkehr nach seinem richtigen Zuhause sollte man vor allem auch wie eine Art „Neues Austauschjahr“ ansehen und es mit offenen Armen empfangen.