„Warum Irland? Nicht USA, nicht Australien – Irland? “ Das wurde ich oft gefragt, als ich von meinen Plänen für mein Auslandsjahr erzählt habe. Ich dachte mir, ich entscheide mich für ein Land, was nicht so viele wählen. Trifft auf Irland aber übrigens gar nicht mehr zu. Jedoch ist es cool, dass es nicht so weit weg von Deutschland ist, so kann man später immer wieder unkompliziert zurückkehren, es ist landschaftlich schön und da es in der EU ist, war die Organisation auch weniger kompliziert.
Nun nähert sich mein Austauschjahr hier in Irland schon langsam dem Ende. Ich lebe mit meiner Gastfamilie, bestehend aus meinem Gastvater, meiner Gastmutter und meinen drei jüngeren Gastgeschwistern (0, 9 und 11) in einem Vorort von Cork im Süden der Insel. Ich fühle mich sehr wohl, auch wenn es anders gekommen ist, als ich dachte. Meine Gastfamilie hat gegenüber mir die Erwartungshaltung, dass ich meine Freizeit vollkommen selbst gestalte. Das war für mich zu Beginn sehr ungewohnt, da ich ein enges Familienleben gewohnt war. Mit der Zeit habe ich mich aber daran gewöhnt und es hat natürlich auch seine Vorteile, da man z.B. recht unabhängig ist und um einiges selbstständiger wird. Wenn ich Hilfe brauche oder jemanden zum Reden, sind meine Gasteltern aber natürlich für mich da.
Allgemein kann ich sagen, dass sich die Lebensweise hier nicht allzu sehr von der deutschen unterscheidet. Das macht einem das Einleben aber auch leichter. Die Menschen in meinem Umfeld sind auf jeden Fall nett, spontan und locker. Es kommt auch immer mal jemand aus der großen Familie zu uns zu Besuch. Fernsehen ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des alltäglichen Lebens und abends sehe ich hin und wieder mit meiner Gastfamilie fern. Warum der Fernseher zum Teil auch tagsüber läuft, hat allerdings seinen Grund. Das Wetter ist leider nicht so bombig, vor allem nicht in der Winterzeit. Einen Regenschirm sollte man daher auch immer bei sich haben. Die ersten Wochen war es für mich etwas knifflig, die Straße zu überqueren, weil die Autos auf einmal von der anderen Seite kamen. Außerdem darf man beim Kofferpacken die Jogginghose nicht vergessen, die trägt hier nämlich fast jeder. Und wer hätte gedacht, dass so viele Iren die Bundesliga verfolgen und meine Heimatstadt Hamburg kennen?
Das Schulleben
Mein Tag in der Woche startet immer sehr früh. Zwar beginnt die Schule hier erst um 8.30 Uhr, aber ich muss vorher noch den Bus nehmen, da meine Schule in Cork liegt. So sehe ich am Morgen immer schon viele der anderen Austauschschüler im Bus. Meine Schule ist eine katholische Jungenschule. In Irland gibt es sowohl Jungs-, Mädchen, als auch gemischte Schulen. Ich trage auch eine Schuluniform, was mich aber ehrlich gesagt schon in der zweiten Woche nicht mehr gestört hat und auch Vorteile mit sich bringt. Man muss nicht jeden Morgen darüber nachdenken, was man anzieht. Auch daran, dass nur Jungen auf der Schule sind, habe ich mich schnell gewöhnt und es ist mal etwas anderes als in Deutschland. Allerdings ist das Klassenklima meiner Meinung nach aufgelockerter, wenn Jungen und Mädchen gemischt unterrichtet werden. Ich bin im 5th Year, was das vorletzte Schuljahr in Irland ist. So habe ich jeden Tag eine Auswahl an Fächern. Nur Mathe, Englisch sowie Irisch, was ich aber nicht mitmachen kann, sind für alle verpflichtend. Das finde ich gut, denn so kann man seinen persönlichen Interessen nachgehen. Ich habe außerdem noch Geografie, Geschichte, Chemie und Buchhaltung. Ich komme in der Schule auch ziemlich gut mit und habe eigentlich kaum Probleme, dem Unterricht zu folgen. Hauptsächlich haben wir hier Frontalunterricht und die Schüler müssen sehr viel Stoff auswendig lernen.
Die Schule geht normalerweise bis um 15.30 Uhr, was am Anfang wirklich sehr anstrengend war, aber man gewöhnt sich schneller als erwartet auch daran. Mittwochs endet die Schule dafür immer schon um 12.30. Man hat auch etwa so viele Ferien wie in Deutschland, nur im Sommer haben die Iren fast drei Monate frei. Der Anschluss an die irischen Schüler gestaltet sich jedoch nicht ganz so einfach, was wahrscheinlich zum einen daran liegt, dass hier jedes Jahr Austauschschüler sind und das Interesse daher geringer ist und zum anderen, da einfach eine Menge an Austauschschülern in Irland sind und so schnell Freundschaften zwischen Austauschschülern entstehen. Man muss auf jeden Fall auch mal den Mut aufbringen, auf andere Leute zuzugehen. Es gibt ein Dutzend Nachmittagsaktivitäten, die man belegen kann, vor allem Sport wie die Nationalsportarten Gaelic Football oder Hurling. Ich habe Drama gemacht, wo wir im März dann eine Aufführung in der Schule hatten, die auch ziemlich gut gelaufen ist.
Freizeitaktivitäten in Irland
Nach der Schule fahre ich entweder gleich nach Hause oder ich gehe noch für eine Weile in die Stadt oder in die Gym. Ich habe meistens einige Hausaufgaben auf, aber häufig schaffe ich einen großen Teil davon schon in meinen Irisch-Freistunden. Ich bin auch noch einem Badmintonclub beigetreten, wo ich einmal die Woche abends Training habe, was mir persönlich viel Spaß macht. Was ich oft feststelle, ist, dass die Schulwoche eigentlich ziemlich schnell vorbeigeht.
Am Wochenende habe ich dann mehr Zeit, sodass ich etwas mit Freunden unternehmen kann. Wir gehen oft ins Kino, fahren nach Cork in die Stadt oder an den Strand, der nur 15 Minuten mit dem Bus entfernt ist oder machen zusammen Sport in der Gym. Auch versuchen wir, so viel wie möglich von Irland zu sehen. Ich genieße diese Ausflüge, die wir häufig selber planen, immer sehr. Da wir viele deutsche Austauschschüler sind, muss ich mich oft bemühen, nur Englisch zu reden, was aber eigentlich nicht so schwer ist, vor allem, wenn man sich erst mal daran gewöhnt. Einmal im Monat unternehmen wir auch etwas zusammen mit unserer lokalen Betreuerin, wie z.B. Bowling oder Ausflüge. Wir haben auch schon die Möglichkeit gehabt, an zwei von ihr organisierten Trips teilzunehmen, die ich auch mitgemacht habe. Im Dezember waren wir in Belfast in Nordirland für ein Wochenende und im Februar in Galway an der Westküste. Außerdem werden auch noch ein Schottland- und ein Dublin-Trip angeboten.
Besonderheiten des irischen Lebens
Nach über einem halben Jahr hier in Irland sind mir natürlich jetzt auch schon viele Besonderheiten oder Unterschiede im Vergleich zu Deutschland aufgefallen, von denen ich gerne noch ein paar weitere aufzählen würde: In Irland gibt es nur wenige große Städte, das meiste sind Dörfer oder einfach nur Landschaft. Dadurch, dass alles ein bisschen örtlicher ist, kommt es oft vor, dass sich viele untereinander kennen. Fast jeder Ire hat auch sein eigenes Haus und häufig eine große Familie mit mehreren Kindern, also oft mehr Kinder als in Deutschland. Zum typischen Essen zählen auf jeden Fall Kartoffeln in diversen Variationen, Irish Breakfast, vergleichbar mit englischem Frühstück und Irish Stew, ein Eintopf. Toastbrot bezeichnen Iren als Brot, weshalb ich mich auch schon wieder auf richtiges Brot in Deutschland freue. Da es aber die deutschen Discounter Aldi und Lidl gibt, bekommt man hier fast alles.
Zu meinem Erstaunen fährt hier auch kaum jemand Fahrrad, sondern eher mit dem Auto oder mit dem Bus, auf den man sich allerdings nie so verlassen kann. Was ich witzig finde, ist, dass auch wenn das Wetter oft eher schmuddelig ist, in Irland Palmen wachsen. Was ich generell feststellen konnte, ist, dass viele eine recht positive Sicht auf Deutschland haben, was mich erleichtert hat. Und abschließend noch etwas zum Thema Feiertage. Also der eigene Geburtstag ist erst mal gar nicht so ein großes Ding, Ostern war auch eher wie ein normaler Tag und an Silvester gab es nicht mal Feuerwerk, da das hier verboten ist. Weihnachten hingegen ist ein wichtiges Fest und wir haben es auch mit allem Drum und Dran gefeiert. Ich habe auch noch die Taufe meiner kleinen Gastschwester miterlebt und wie meine Gastgeschwister an Halloween von Haus zu Haus gezogen sind.
Ich habe mich verändert
Ich glaube, ich habe mich während meines Austauschjahres schon irgendwie verändert, auch wenn mir das noch nicht so wirklich auffällt. Ich merke aber, wie viel selbstständiger ich geworden bin und auch mutiger, fremde Leute anzuquatschen. Ich habe internationale Freunde gefunden und mein Englisch hat sich um einiges verbessert. Ich bin zwar noch längst nicht perfekt, aber doch deutlich fließender und sicherer als zuvor. Schon am Anfang hatte ich eigentlich kaum Probleme, mich zu verständigen und verstanden zu werden. Manche haben allerdings einen starken Akzent, dann fällt es mir etwas schwerer, ihnen zu folgen. Es ist auch witzig, typische Ausdrücke wie „Jesus!“ oder „It’s grand“ zu lernen. Was ich jedem raten würde, wenn man mit etwas unzufrieden ist: Versuchen, es zu ändern. Schließlich ist diese Chance einmalig und so soll man ja das Beste daraus machen. Dadurch, dass die Kultur eine andere ist, sind einige Verhaltensweisen natürlich auch anders und man muss sie erst verstehen, z.B. wird viel Wert darauf gelegt, dass man bitte und danke sagt.
Natürlich ist es auch völlig normal, dass man mal Heimweh hat. Während eines Austauschjahres geht es immer bergauf und bergab, das ist total normal. Und was man vielleicht auch hin und wieder tut, ist, sein Leben in Deutschland schätzen zu lernen, was sicherlich nicht die schlechteste Erfahrung ist. Bei mir war es so, dass ich das Austauschjahr eigentlich erst nach der ersten Hälfte richtig genießen konnte, weil das ganze Auf und Ab weniger wurde und ich meine Freunde und Hobbies gefunden hatte. Das soll jetzt auf keinen Fall irgendjemanden davon abschrecken, ins Ausland zu gehen. Im Gegenteil, es ist auch interessant, seine persönlichen Grenzen kennenzulernen und schließlich nach einer Weile eine Portion Selbstbewusstsein zu bekommen. Wenn es einem mal nicht so gut geht, ist Ablenkung eigentlich die beste Lösung. So versuche auch ich mir fast immer, irgendetwas vorzunehmen. Auch einfach mal mit seiner Gastfamilie zu reden, ist eine gute Idee.
Es ist auf jeden Fall gut, für ein ganzes Jahr wegzugehen, da man wirklich einige Zeit braucht, um richtig anzukommen und dann hat man später noch mehr Zeit, um das Leben, das man sich aufgebaut hat, richtig genießen zu können und muss nicht gerade gehen, wenn es eigentlich am schönsten ist. Alles in allem, ist es wirklich spannend, einfach mal ein anderes Leben zu leben und zu sehen, wie die Leute in einem anderen Land ticken und über Deutschland denken. Und es bereichert einen nicht nur um bessere Englischkenntnisse, sondern um viele weitere Erfahrungen.