Olaf Fröhlke hat 1978/79 mit YFU ein Austauschjahr in Iowa, USA verbracht – und hat bis heute engen Kontakt zu seiner Gastfamilie. Seit 25 Jahren besucht er sie jedes Jahr und hat diesen Sommer gleichzeitig auch 45-jähriges Klassentreffen an „seiner“ High School gefeiert. Grund genug, einmal zurückzublicken: Wir haben mit Olaf über seine Zeit als Austauschschüler gesprochen, seine Verbundenheit mit seiner Gastfamilie und darüber, wie sein Austauschjahr seinen späteren Lebensweg geprägt hat.
Lieber Olaf, du hast 1978/79 mit YFU ein Austauschjahr in den USA verbracht: Wie kam es dazu?
Da waren zwei Faktoren ausschlaggeben: Zum einen hatte meine Familie Verwandte in den USA, die ich 1976 gemeinsam mit meinen Eltern für vier Wochen in Kalifornien besucht hatte. Ein Jahr später bin ich dann von der Realschule aufs Gymnasium gewechselt und saß dort im Französischkurs neben einem Mitschüler, der gerade aus einem Austauschjahr in den USA zurückgekehrt war. Durch meinen Urlaub in Kalifornien hatte ich schon eine gewisse Faszination für die USA, und seine Erzählungen fand ich sehr spannend. Der Gedanke, ein Jahr in den USA zu leben und dadurch gleichzeitig auch mein Englisch aufzubessern, war sehr interessant für mich, so dass ich mich erkundigt und dann am Ende auch selbst beworben habe.
Wie ging es dann weiter?
Ich kann mich noch genau an mein Abflugdatum erinnern: Am 21. August 1978 ging es los. Damals sind wir alle nach Ann Arbor geflogen und ich wusste zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht, wo es danach hingehen sollte. In Ann Arbor hat man mir dann Flugtickets in die Hand gedrückt und ich bin weitergeflogen nach Des Moins, Iowa. Dort wurde ich von einem Ehepaar in Empfang genommen, die mich gefragt haben, ob ich Olaf sei – und so habe ich meine Gastfamilie kennengerlernt. Als ich zu ihnen kam, waren die drei ältesten Söhne schon aus dem Haus und der jüngste Sohn, etwa in meinem Alter, gerade für einen sechswöchigen Austausch in Deutschland. Ihn habe ich also erst ein paar Wochen nach meiner Ankunft kennengelernt.
Gab es in den USA dann etwas, das sich besonders überrascht hat?
Als allererstes fällt mir da das Wetter ein! Es war Ende August in Iowa noch sehr warm und sehr schwül – ganz anders als in Cuxhaven, wo ich herkomme. Ansonsten war ich aber grundsätzlich einfach sehr offen und an allem interessiert, was da so auf mich zukam. Ich erinnere mich, dass ich mich auch sehr schnell sehr heimisch gefühlt habe, trotz der anfänglichen Sprachbarriere. Dadurch, dass mein Gastbruder noch nicht da war, war ich in der Schule anfangs auf mich allein gestellt und wurde mehr oder weniger ins kalte Wasser geworfen: Eine Mitschülerin, die von meinen Gasteltern beauftragt worden war, mir alles zu zeigen, hat mich im Prinzip nur abgesetzt und mir gezeigt, wo ich meine Kurse wählen musste. Das habe ich dann aber auch ganz gut hinbekommen, auch wenn ich eher aus Verlegenheit als Interesse in einen Kurs für Integral- und Differenzialrechnung gerutscht bin. In dem Kurs habe ich dann aber tolle und spannende Menschen kennengelernt, zu denen ich teilweise immer noch Kontakt habe. Einer davon lebt heute in Stockholm und sitzt in der Jury für den Nobelpreis für Physik – seine schwedische Frau hat er übrigens während seines Studiums in Deutschland kennengelernt, zu dem er sich unter anderem auch durch mich und unsere Freundschaft entschieden hatte.
Du hast heute auch immer noch Kontakt zu deiner Gastfamilie.
Ja, sehr regelmäßig! In den letzten 25 Jahren bin ich eigentlich jedes Jahr einmal in Iowa zu Besuch. Davor war es wegen Schule und Studium nicht in dieser Regelmäßigkeit möglich, wobei wir auch da immer Kontakt gehalten haben und ich zum Beispiel auch schon während meines Medizinstudiums in die USA gereist bin – da dann das erste Mal mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau. Ansonsten telefonieren wir aber auch regelmäßig und ich werde zu allen Familienfeiern eingeladen – auch wenn ich natürlich nicht zu jeder unbedingt reisen kann.
Zuletzt warst du diesen Sommer in den USA und hast unter anderem 45-jähriges Klassentreffen an „deiner“ High School gefeiert. In den letzten 45 Jahren seit deinem Austausch hat sich bestimmt viel verändert. Gibt es aber vielleicht auch Dinge, die gleichgeblieben sind?
Wenn ich in die USA fliege, ist es für mich immer wie nach Hause zu kommen. Ich habe mein Austauschjahr in Ames, Iowa verbracht. Die Stadt hat rund 60.000 Einwohner inklusive Studenten, und ich kenne sie mittlerweile wie meine Westentasche. Auch der Ablauf ist immer gleich, wenn ich zu Besuch bin: Ich komme immer gegen Abend an, gehe erst einmal einkaufen und dann zu meiner Gastmutter. Mein Gastvater ist leider vor einigen Jahren verstorben, aber meine Gastmutter mit mittlerweile 90 Jahren immer noch fit. Sie lebt zwar inzwischen in einem Komplex für betreutes Wohnen, so dass ich nicht mehr bei ihr übernachte, aber wir treffen uns jeden Tag zum Kaffee trinken, wenn ich da bin. Und dieses Gefühl von Zuhause und Familie, das ist ein Gefühl, das sich über die ganzen Jahre nie verändert hat.
Du engagierst dich heute ehrenamtlich im Aufnahmeprogramm für YFU. Was motiviert dich für dein Ehrenamt?
Ich bin erst vor gut zehn Jahren durch Zufall darauf aufmerksam geworden, dass YFU hier in der Region in und um Cuxhaven oft Ehrenamtliche fehlten, die angehende Gastfamilien für ein persönliches Kennenlerngespräch besuchen. Ich bin dann eingesprungen: Einmal, weil es kein anderer machen wollte, vor allem aber auch, um etwas von dem zurückzugeben, was ich in meinem Austauschjahr erfahren durfte. Ich habe auch einige Austauschschüler betreut, aus China, Indonesien und auch zwei Jugendliche aus den USA. Das musste ich irgendwann aus Zeitgründen etwas zurückfahren, aber Familienbesuche übernehme ich zwischendurch immer noch gern, wenn in Cuxhaven Not am Mann ist.
Wenn du zurückblickst: Wie hat dein Austauschjahr deinen späteren Lebensweg geprägt?
Ganz wesentlich auf jeden Fall! Ich würde so weit gehen zu sagen, dass ich ohne mein Austauschjahr nicht Arzt geworden wäre. Mein Vater hat mit 14 Jahren angefangen zu arbeiten, hatte sein eigenes kleines Unternehmen, das er aufgebaut hat. Meine Mutter war Krankenschwester, sie hat mit 16 Jahren begonnen zu arbeiten. In unserem Haus gab es keinen Kontakt zu Büchern oder zu Information. Das war dann bei meiner Gastfamilie ganz anders: Meine Gastmutter war Politikerin, mein Gastvater Professor. Ich ging auf eine sehr gute Schule und auf einmal war ich in einer ganz anderen Welt. Das hat mich gefordert, aber auch gefördert. Ohne mein Austauschjahr hätte ich glaube nicht mein Abitur gemacht, hätte mich nicht für mein Studium entschieden. Ich bin in meiner Herkunftsfamilie der erste mit Hochschulabschluss. Das alles habe ich in ganz großen Stücken auch meinem Austauschjahr und meiner Gastfamilie zu verdanken. Auch die enge Verbindung in die USA, das Gefühl, dort ein zweites Zuhause und eine zweite Familie als „Onkel Olaf“ zu haben – all das wäre mir ohne mein Austauschjahr nicht möglich gewesen, und dafür bin ich sehr dankbar.
Vielen Dank für das Gespräch und für dein Engagement für YFU, lieber Olaf!