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Seit über 25 Jahren in der Welt zu Hause

14. Januar 2025

Robert und Monika Thomitzek sind bei YFU nicht mehr wegzudenken: Seit 1999 sind sie als Gastfamilie aktiv und engagieren sich auf vielen weiteren Ebenen für den Verein. Jetzt haben sie ihre Erfahrungen unter anderem dafür genutzt, um in einem kurzen Video zusammenzufassen, was man als Gastfamilie braucht – und was man zurückbekommt. Darüber haben wir mit Robert Thomitzek gesprochen und gleichzeitig mal nachgefragt, wie das vor über 25 Jahren eigentlich alles so angefangen hat mit dem Gastfamilie werden.

 

Lieber Robert, weißt du auswendig, wie viele Gastschüler*innen ihr schon aufgenommen habt?

Kurz vor Weihnachten ist unsere 39. Gastschülerin nach Hause geflogen. Viele unserer (Gast-)Kinder haben wir aber auch „nur“ nach einem Familienwechsel für kürzere Zeiträume während oder zum Ende des Austauschjahres aufgenommen. Insgesamt 18 Kinder waren ein volles Jahr bei uns.

 

Das klingt rekordverdächtig. Wie hat eure „YFU-Geschichte“ angefangen?

1997 hatte meine Schwägerin einen Austauschschüler mit einer anderen Organisation aufgenommen. Wir fanden das direkt interessant und sind dann einmal mit zum damaligen Herbsttreffen gefahren – drei Wochen später waren wir Gastfamilie für Sergio aus Argentinien. Das war eine spannende, aber auch schwierige Erfahrung, da alles sehr schnell ging und wir nicht wirklich vorbereitet waren. Nach Sergios Abreise war für uns daher klar, dass wir das unbedingt nochmal machen wollten, dann aber richtig. Monika hat sich also umfassend informiert und über 20 Organisationen kontaktiert – davon übrig geblieben sind dann drei gemeinnützige Organisationen, unter anderem YFU. Wir haben uns Kurzprofile mehrerer Austauschschüler*innen angeschaut, waren aber nicht wirklich überzeugt. Wieder durch meine Schwägerin – die auch noch einmal aufnehmen wollte – sind wir dann auf Pedro aus Brasilien aufmerksam geworden, bei dem wir direkt ein gutes Gefühl hatten. Pedro kam mit YFU nach Deutschland und so wurden wir 1999/2000 zum ersten Mal YFU-Gastfamilie.

 

Ein Glück für uns! Wie ging es dann weiter?

Das Jahr mit Pedro war super. Zwar war auch nicht immer alles „Friede, Freude, Eierkuchen“, aber insgesamt lief es einfach runder – auch, weil wir besser vorbereitet waren. Nach seiner Abreise sind wir dann das erste Mal nach Lateinamerika geflogen und haben sowohl Pedro als auch Sergio besucht. Das war eine wunderschöne Erfahrung und vor allem das Feedback der Familien der beiden war überwältigend. Nach unserer Rückkehr haben wir dann mit YFU Adrian aus Mexiko aufgenommen und im Jahr darauf hatten wir mit Sergej aus Moldawien das erste Mal einen YFU-Austauschschüler bei uns, der die Familie gewechselt hatte. 2006/07 kam dann Kacie aus den USA – obwohl ich selbst nie ein Mädchen und schon gar niemanden aus den USA aufnehmen wollte. Das Jahr mit Kacie hat mich eines Besseren belehrt und wir sind heute noch in gutem Kontakt. Inzwischen hatten wir Kinder aus Polen, Frankreich, Georgien, Japan, der Mongolei, der Türkei und vielen anderen Ländern zu Gast und haben über zehn Enkelkinder auf der ganzen Welt.  

 

Wir dürfen bei YFU schon seit längerem immer mal wieder durch Fotos und auch Videos an euren Erfahrungen teilhaben. Nun habt ihr ein neues Video erstellt mit dem Titel: „Wie ist es eigentlich, Gastfamilie zu sein“. Bilder erzählen mehr als tausend Worte, aber wenn du es beschreiben müsstest: Wie ist es denn, Gastfamilie zu sein?

Es ist sehr viel! Wenn man sich einen jungen Menschen ins Haus holt, ist das natürlich auch ein bisschen Stress. Aber oft auch positiver Stress. Über Weihnachten war beispielsweise Adrian aus Mexiko (Austauschschüler 2001/02), der inzwischen in Bayern lebt, mit seinen drei Kindern hier zu Besuch. Das war natürlich trubelig und auch mal stressig – aber gleichzeitig auch sehr schön. Außerdem sage ich oft, dass YFU mich jung gehalten hat. Als Gastfamilie hast du Kontakt zu jungen Leuten, schaust über den eigenen Tellerrand und nimmst auch nochmal Herausforderungen an. Denn man muss auch immer mal wieder Hürden überwinden, aber am Ende bleibt doch überwiegend Positives. Seit wir Gastfamilie sind, haben wir zudem unglaublich viel über andere Länder, Kulturen und Menschen gelernt – oft auch Dinge, die wir sonst wohl nie erfahren hätten. Und, was vielen gerade beim ersten Mal oft nicht so bewusst ist: Gastfamilie zu sein hört in den allermeisten Fällen nicht nach einem Jahr auf. Das ist eine Erfahrung fürs Leben. Diese Woche habe ich zum Beispiel noch einen Telefontermin mit Indra aus Brasilien, die 2008/09 bei uns war; und mit Pedro, unserem ersten (Gast-)Sohn von YFU, habe ich letzte Woche gesprochen.

 

 

In eurem Video geht es darum, was man als Gastfamilie bekommt, aber auch, was man braucht, um Gastfamilie zu sein. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Dinge, die Gastfamilien mitbringen sollten?

Zuhören ist glaube ich die grundlegendste Sache. Und zwar nicht unbedingt nur die Wörter, sondern auch ein Gefühl dafür zu entwickeln, was vielleicht noch mit kommuniziert wird. Und im Zweifelsfall auch mal nachzufragen: „Was meinst du damit?“ Das hilft unserer Erfahrung nach ungemein. Und man sollte offen für Neues bleiben – auch wenn das bedeutet, mal Sachen zu machen, die einem auf den ersten Blick verrückt vorkommen. Das kann zum Beispiel Essen sein: Reis mit Milch und schwarzem Tee zu kochen hört sich vielleicht ungewöhnlich an, ist in der Mongolei aber ein durchaus typisches Frühstücksgericht. Wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, sich das mal anzuschauen und zumindest zu probieren, dann bringt einen das oft schon weiter. Und noch ganz wichtig ist es, die Kultur nicht so sehr in den Vordergrund zu stellen, sondern zu akzeptieren: Da ist einfach ein anderer Mensch, der bei mir wohnt. Die kulturellen Unterschiede, die gibt es auch zwischen Hamburg und München, zwischen Osnabrück und Münster – das Herkunftsland ist erst einmal zweitrangig – in erster Linie heißt man einfach einen anderen Menschen in seinem Zuhause willkommen.

 

Ihr habt Jugendliche aus 18 unterschiedlichen Ländern aufgenommen und man kann wohl behaupten, ihr habt das Motto „Zu Hause die Welt entdecken“ in die Tat umgesetzt. Gibt es dabei Länder, die euch besonders ans Herz gewachsen sind?
Wir haben im Grunde keinen Länderschwerpunkt, aber gerade zu Beginn hatten wir oft Gastkinder aus Lateinamerika und haben dadurch viele Verbindungen – besonders zu Brasilien, wo wir zu vier Kindern noch sehr engen Kontakt haben. Inzwischen kennen wir das Land sehr gut, waren zu Hochzeiten und Taufen da und erst im letzten Jahr im Rahmen einer Flugbegleitung von YFU-Austauschschüler*innen wieder zu Besuch. Wir haben beide Portugiesisch gelernt und können uns so mittlerweile auch selbstständig und ohne Hilfe unserer Kinder gut dort bewegen. Die sagen oft, dass wir inzwischen mehr von Brasilien gesehen haben, als sie selbst (lacht).


Du hast es gerade schon erwähnt: Ihr seid nicht nur YFU-Gastfamilie, sondern seit vielen Jahren auch ehrenamtlich für den Verein aktiv – egal ob bei der Flugbegleitung von angehenden Austauschschüler*innen oder in der Betreuung von Schüler*innen und Gastfamilien hier in Deutschland. Seit drei Jahren engagierst du dich auch in der Gremienarbeit von YFU: Was motiviert euch für euer Ehrenamt?

Den Grundstein legte eigentlich vor vielen Jahren die Mutter unseres allerersten Austauschschülers Sergio bei unserem ersten Besuch dort. Damals haben wir uns viel ausgetauscht und auch über Schüleraustausch und Fragen von Organisation und Betreuung gesprochen. Sie sagte damals zu uns: „Wenn du willst, dass es besser wird, mach es selbst.“ Das hat lange in uns nachgeklungen und uns schließlich auch dazu bewogen, uns nach unserer Rückkehr ehrenamtlich für YFU zu engagieren. Das Thema Schüleraustausch liegt mir zudem einfach sehr am Herzen. Auch deshalb bringe ich mich in der Gremienarbeit von YFU ein: Weil ich möchte, dass dort die Perspektive von Gastfamilien vertreten wird. Es ist zudem leider so, dass es YFU bisher noch zu wenig gelingt, Menschen meiner Generation in die Gremienarbeit mit einzubeziehen und auch langfristig zu binden. Ganz nach dem Credo von Sergios Mutter ist es mir daher wichtig, mich auch gestalterisch in die Vereinsarbeit einzubringen – und so vielleicht ja auch andere YFUler*innen meines Alters zu motivieren.

 

Und wir sind sehr dankbar für dieses Einsatz! Eine letzte Frage zum Jahresbeginn: Wie sehen eure YFU-Pläne für dieses Jahr aus?

Ganz konkret steht nächste Woche eine Gastfamilien-Vorbereitung auf dem Plan. Und spätestens nach den Mittelseminaren im Februar möchte ich wieder einen Online-Stammtisch für Betreuende anbieten. Das mache ich alle paar Monate, weil ich weiß, dass der Wunsch nach Vernetzung da ist – und überregionale Treffen in Präsenz leider oft weniger stark besucht sind bzw. werden können. So ein Online-Treffen ist da ein guter Ersatz, der mir Spaß bringt, auch weil das Feedback im Anschluss immer sehr positiv ist. Und ansonsten warten wir mal ab, wann wohl der nächste Anruf aus dem YFU-Büro kommt (lacht). Da sind wir weiterhin offen. Denn auch wenn wir wissen, dass es gerade am Anfang auch immer Arbeit bedeutet: Am Ende überwiegen beim Gastfamilien-Dasein doch in den allermeisten Fällen die positiven Erfahrungen, die wir auch in Zukunft nicht missen möchten.

 

Vielen Dank, lieber Robert, für das spannende Interview und für euer Engagement!

Internationale Familienfeiern: YFU-Gastfamilie Thomitzek im Kreise ihrer (Gast)Kinder bei ihrer Hochzeit...

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... und rund zehn Jahre später zum 60. Geburtstag.

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Nach dem Austauschjahr