YFU-Blog
Aktuelles aus Verein und Austauschwelt
Schüleraustausch kann Grenzen überwinden und Leben verändern – und manchmal reichen dafür auch schon vier Wochen. So lange blieb der erste Austauschschüler, den Meinerdine Hülsebus, von allen Dini genannt, bei sich zu Hause aufgenommen hat. Noble aus den USA lebte während seines Orientierungs- und Sprachkurses bei Dini und ihrer Familie, bevor er zu seiner Gastfamilie für das weitere Austauschjahr reiste. Das war 1996 – und seitdem engagiert sich Dini unter anderem als ehrenamtliche YFU-Betreuerin in ihrer Heimat Ostfriesland. Rund 60 Jugendliche aus der ganzen Welt hat sie seitdem während ihres Austauschjahres begleitet, darunter Schüler*innen aus den USA, China, Dänemark, Frankreich und vielen anderen Ländern. Mit einigen von ihnen hat sie bis heute Kontakt – unter anderem auch zu Noble, der inzwischen 42 Jahre alt ist und in New York lebt. YFU hat mit Dini über ihr Engagement gesprochen und darüber, warum es sich lohnt, in der Betreuung aktiv zu sein.
Liebe Dini, wie kam es 1996 zu der Aufnahme von Noble?
Meine Tochter hatte über die Schule von YFU und der Suche nach Gastfamilien gehört. Wir haben uns entschieden, mitzumachen und Noble aus den USA für die Zeit seines Orientierungs- und Sprachkurses bei uns aufzunehmen. Als er nach vier Wochen zu seiner Jahresfamilie ins Saarland reiste, bekam ich kurze Zeit später einen Anruf von seinem Gastvater dort: Es harmonierte nicht so und Noble wollte gerne zurück, da er hier schon sehr viele Freunde hatte. Also habe ich überlegt, wie ich helfen kann. Meine Tochter und Nobel waren ziemlich auf Distanz, deshalb kam ein weiterer Aufenthalt bei uns nicht infrage. Ich habe mich aber umgehört und schließlich eine neue Familie für Noble ganz bei uns in der Nähe gefunden. So hatten wir während des Jahres regelmäßig weiter Kontakt – und meine Tochter und er verstanden sich dann übrigens auch blendend.
Ebenfalls seit 1996 engagierst du dich in der Betreuung von Austauschschüler*innen und Gastfamilien bei YFU: Was hat dich damals dazu motiviert?
Durch meine Gespräche mit Nobles Gastvater war ich ja quasi schon durch Zufall in die Betreuung gerutscht, indem ich Ansprechpartnerin war und versucht habe, zu vermitteln. Auch unser zweiter Austauschschüler Brian kam nach einem Familienwechsel zu uns, den ich begleitet hatte. Ich glaube, ich habe einfach gesehen, dass diese Jugendlichen, die da so jung als Austauschschüler in einen Familienverbund kommen und erst einmal ihren Platz finden müssen, eine Ansprechperson brauchen: Jemanden, den sie jederzeit kontaktieren können, den sie vertrauen und zu dem sie offen und ehrlich sprechen können. Ich war gern diese Ansprechpartnerin, die für die Jugendlichen da ist und auch bei Fragen und Problemen zur Stelle ist. Später habe ich dann verstanden, dass so eine Ansprechperson für die Familien genauso wichtig ist, die sich gerade zu Anfang vielleicht auch nicht immer trauen, alles direkt und offen dem Austauschschüler gegenüber anzusprechen. Mir war einfach von Anfang an klar, wie wichtig die Betreuung gerade in den ersten Wochen des Austauschjahres ist – und deswegen bin ich dabeigeblieben und hatte so die Chance, die unterschiedlichsten Menschen kennen- und verstehen zu lernen.
Wie hast du es geschafft, dein YFU-Ehrenamt mit Beruf und Familie unter einen Hut zu kriegen?
Das weiß ich nicht (lacht). Ich glaube, ich war immer eine energiegeladene Person, bin beruflich viel unterwegs gewesen und war es gewohnt, mehrere Dinge zu jonglieren. Letzten Ende ist es immer eine Frage der Organisation, wobei man schon Prioritäten setzen und zwischendurch Dinge – auch mal das Ehrenamt – zeitweise zurückstellen muss. Insgesamt hat mir mein Engagement als Betreuerin aber auch Spaß und Energie zurückgegeben. In der Betreuung muss man offen sein, tolerant und in der Lage, ehrlich und gleichzeitig diplomatisch zu kommunizieren. Ich glaube, das liegt mir einfach und hat mich auch in meinem Berufsleben immer begleitet: Da hatte ich viel mit Menschen zu tun und es war mir auch da wichtig, mein Gegenüber mit Respekt zu behandeln und immer offen und ehrlich zu bleiben. Das sind Dinge, die in der Betreuung unglaublich wichtig sind, weil du nur so die Situation und Familienkonstellation begreifen kannst.
Seit 1996 hat sich einiges verändert, die Welt ist vernetzter und dadurch – könnte man meinen – näher zusammengerückt: Lohnt sich Austausch trotzdem noch?
Absolut! Der digitale Austausch ist zwar ganz nett, aber kann die persönliche Begegnung, den persönlichen Austausch nicht ersetzen. Ich bin überzeugt davon, dass man eine andere Kultur nur dann richtig erleben kann, wenn man eine Zeit lang in dem Land lebt. Man muss mit den Menschen in Kontakt treten. Das ist dann nicht nur für die Schüler spannend, sondern auch für Gastfamilien und öffnet vor allen Dingen auch die Tür für Freundschaften, die du anders kaum in dieser Tiefe knüpfen kannst. Viele der von mir betreuten Familien haben heute noch Kontakt zu ihren Gastkindern und von einigen der Austauschschüler, die ich betreut habe, höre ich zwischendurch auch immer noch was. Übrigens auch von Noble, mit dem ich vor Kurzem erst telefoniert habe.
Nach persönlichen Schicksalsschlägen und der Zwangspause durch Corona hast du dich dafür entschieden, erst einmal eine Pause bei der aktiven Betreuung einzulegen und YFU auf anderen Wegen zu unterstützen. An alle Menschen, die vielleicht gerade überlegen, sich für YFU zu engagieren: Warum lohnt sich deiner Meinung nach der Einsatz in der Betreuung?
In der Betreuung lernst du die unterschiedlichsten Menschen kennen: Austauschschüler aus allen möglichen Ländern, Gastfamilien in den verschiedensten Konstellationen. Du lernst, dass Menschen ganz unterschiedlich miteinander umgehen – und vor allem lernst du auch, dies und die Menschen dahinter so zu akzeptieren, wie sie sind. Du lernst zu kommunizieren: Offen und ehrlich, aber ohne anklagend oder aggressiv zu sein. Mit jeder Betreuung trainierst du dein Einfühlungsvermögen und deine Menschenkenntnis. Und schließlich übernimmst du eine ganz wichtige Rolle vor allem für die Austauschschüler, die gerade zu Beginn jemanden wie dich brauchen. Eine neutrale Person, die zuhört, unterstützt und einfach ansprechbar ist. Natürlich musst du in der Lage sein, diese Hilfe und Unterstützung auch zu leisten und für die Familien und Jugendlichen da zu sein, wenn sie es brauchen. Aber in den allermeisten Fällen reicht ein offenes Ohr, Einfühlungsvermögen und eine Portion Toleranz, um die meisten Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und den Weg zu ebnen für eine tolle Austauscherfahrung. Ich glaube, dafür ist eine gute Betreuung oft der Schlüssel – und dieses Wissen um die Wichtigkeit des eigenen Engagements, das hat mir immer unglaublich viel gegeben.
Wir danken Dini für Ihren großen Einsatz für YFU! Wer sich ebenfalls in der Betreuung engagieren möchte, kann sich für weitere Infos und Schulungsmöglichkeiten an das Team der YFU-Geschäftsstelle wenden: ehrenamt@yfu.de