YFU-Blog
Aktuelles aus Verein und Austauschwelt
Wie es ist, die eigene Gastfamilie nach 20 Jahren noch einmal zu besuchen, beschreibt Andrea Schüßler in ihrem Bericht:
"Bill Clinton ist amerikanischer Präsident und Helmut Kohl Bundeskanzler, als ich mich im August 1997 mit meinen Eltern und zwei Koffern aus meiner Heimatstadt im Schwarzwald nach Frankfurt am Main zum Flughafen aufmache. Ich bin sehr gespannt. Facebook gibt es noch nicht. Die Adresse meiner Gastfamilie im US-Bundesstaat Michigan habe ich erst vor ein paar Wochen erhalten. Es ist mein erster Flug.
Viele YFU-Austauschschüler/innen sind auf dem Flug von Frankfurt nach Detroit an Bord. Von Detroit aus sind nur noch ganz wenige in der kleinen Propellermaschine nach MBS (Midland – Bay City – Saginaw) Airport. Am Flughafen werde ich von meiner Gastfamilie sehr herzlich in Empfang genommen.
Die ersten Wochen in meiner amerikanischen Familie und an der Bay City Western High School sind aufregend. Von den vier Kindern meiner Gastfamilie lebt nur noch Sarah zu Hause, die ursprünglich aus Indien adoptiert worden ist. Grandma lebt im Landhaus direkt gegenüber und wir werden in meinem Austauschjahr noch viele Cookies zu Halloween oder Christmas zusammen backen.
Nach den ersten Wochen reise ich mit meiner amerikanischen Familie über das Labor Day Wochenende nach Seattle – an das Wandern im Nationalpark Mount Rainier und den Pazifik werde ich mich auch Jahre später noch gut erinnern können. Auch werde ich noch genau wissen, wie schockiert meine Gastmutter ist, als wir Anfang September an einem Zeitungskiosk in Seattle die Schlagzeile von Prinzessin Dianas Tod sehen.
… Es ist noch mitten in der Nacht, als ich mich Mitte August 2018 zum Flughafen in Berlin-Tegel aufmache. Es geht von Berlin-Tegel nach Amsterdam. Dann von Amsterdam nach Detroit. Wie wird es wohl 20 Jahre später bei meiner Gastfamilie sein? Denn endlich bin ich auf dem Weg, um sie zu besuchen. Der Flughafen in Detroit ist mir fast zu groß, zu laut, zu amerikanisch. Mit der Propellermaschine bin ich dann weiter unterwegs zum MBS Airport. Meine Gasteltern stehen am Flughafen. „We don’t need any welcoming signs this time“, hat mein Gastvater mir noch in einer Email geschrieben. Ich freue mich sehr, back in Michigan zu sein. Das Haus und das unendlich weite flache Farmland sehen immer noch gleich aus. Im Haus von Grandma gegenüber wohnt jetzt meine Gastschwester Kris.
20 Jahre sind vergangen, es kommt mir aber nur wie sechs oder sieben Jahre vor, als es in meiner amerikanischen Familie wieder selbstgemachte Hamburger, Salat aus dem Garten und amerikanische Ice Cream gibt.
Während meines zweiwöchigen Besuchs mache ich nochmal einen Rundgang durch die Bay City Western High School und besuche meinen favorite American Candy Store in Bay City. Und ich spiele mit den Eltern meiner Gastmutter, mittlerweile 95 und 97 Jahre alt, Bingo. Nach und nach treffe ich die ganze Familie und Verwandte. Auch die 95-jährige Tante meines Gastvaters, Gertrude, besuchen wir. Sie hat 1964 ebenfalls mit YFU eine Austauschschülerin aufgenommen, die jetzt auch in Berlin lebt und mit der Gertrude immer noch Kontakt hat.
Besonders beeindruckt mich auch nach 20 Jahren die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Amerikaner. Wie mich meine Gasteltern nach 20 Jahren ganz selbstverständlich noch einmal aufnehmen und mich auch auf die Hochzeit einer Freundin meiner Gastschwester in Atlanta mitnehmen.
Wahrscheinlich ist es gerade in Zeiten, in denen sich die Beziehung zwischen den USA und Deutschland verändert hat, noch wichtiger, mal wieder nach Amerika zu fahren, denke ich, als ich dann von New York aus mit der Queen Mary 2 über den Atlantik zurück nach Europa reise."