YFU-Blog
Aktuelles aus Verein und Austauschwelt
Nach vielen Jahren im Einsatz für YFU verabschiedet sich Knut Möller diesen Monat in den Ruhestand. Im Abschieds-Interview berichtet er, was die Arbeit bei YFU für ihn ausgemacht hat, was er für die Zukunft plant - und warum ihm ein Abend besonders in Erinnerung geblieben ist:
Lieber Knut, 1989 hast du als Leiter des Aufnahmeprogramms bei YFU angefangen – seit 2000 warst du als Geschäftsführer tätig. Wie fühlt es sich an, dass eine so lange und intensive Zeit nun zu Ende geht?
Es fühlt sich gut und richtig an. Ich bin dankbar, dass ich mein Berufsleben mit einer sinnvollen Tätigkeit füllen konnte, die mich glücklich macht. Wenn ich dem neuen Abschnitt entgegenblicke, empfinde ich aber auch ein Gefühl von Freiheit – ich kann ab jetzt komplett selbst entscheiden, was ich gerade tun möchte. Und Ideen habe ich schon jetzt mehr, als ich Zeit haben werde! Zum Beispiel möchte ich mich – als studierter Sportlehrer – gern wieder ehrenamtlich im Sportverein engagieren. Aber auch YFU und dem Jugendaustausch werde ich künftig treu bleiben, nur an ganz anderer Stelle als bisher.
In welcher Form planst du, dich weiter einzubringen?
Einerseits werde ich mit einer kleinen Teilzeitstelle bei unserem Dachverband AJA (Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch) in Berlin an meine bisherigen Kontakte in die Politik anknüpfen und die Lobbyarbeit für den „GLISA“ vorantreiben. GLISA ist die Abkürzung für „gemeinnütziger, langfristiger, individueller Schüleraustausch“ – also die Bildungsprogramme, für die YFU seit Jahrzehnten steht.
Andererseits freue ich mich, gerade in das International Board von YFU gewählt worden zu sein – das ehrenamtliche Gremium, in dem wichtige Weichen für das gesamte internationale YFU-Netzwerk gestellt werden.
Darüber hinaus kann ich mir gut vorstellen, mich ebenfalls ehrenamtlich wieder mehr im direkten Kontakt mit den Jugendlichen einzubringen, zum Beispiel bei Angeboten zur politischen Bildung für unsere Schüler*innen im Aufnahmeprogramm.
Wichtig ist mir auf jeden Fall, dass ich weit genug weg von meinen jetzigen Tätigkeiten agiere und so meinen Nachfolgerinnen nicht „durch den Vorgarten laufe“.
Freie Hand also für Mareike von Raepke, die als neue Geschäftsführerin gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Jantje Theege deine bisherigen Aufgaben übernimmt. Das klingt nach einer vertrauensvollen Übergabe?
Ja, absolut. Der Vorstand hat hier sehr langfristig geplant, so dass die Übergabe fließend lief und ich meine Aufgaben nach und nach in kompetente Hände abgeben konnte. Ich bin sicher, Mareike und Jantje werden die anstehenden Herausforderungen sehr gut meistern.
Welche sind das in deinen Augen?
Zum einen muss weiter in die Stärkung des Ehrenamts investiert werden – denn ohne Ehrenamtliche funktionieren Bildungsprogramme wie die von YFU nicht. Hier liegen die Herausforderungen vor allem darin, das Ehrenamt einerseits zeitgemäß zu organisieren und andererseits abzuwägen, wieviel Zeit und Geld in die Ehrenamtsstrukturen investiert werden können, ohne dass das Ganze zu teuer wird.
Darüber hinaus haben Mareike und Jantje nun die Aufgabe, die Entwicklung der Nachfrage nach den YFU-Programmen realistisch einzuschätzen. Seit der Pandemie und dem Beginn des Ukraine-Krieges hat es hier immer wieder große Schwankungen gegeben, so dass Vorhersagen momentan recht unsicher sind. Ich persönlich bin aber sehr optimistisch, dass das Interesse stabil bleiben oder sogar steigen wird.
Woraus kann man deiner Meinung nach bei YFU seine Kraft ziehen, um alle anliegenden Herausforderungen zu meistern? Was hat die Arbeit für dich so bereichernd gemacht?
Ich habe über die Jahre gemerkt, wie wichtig es für mich ist, mich mit meiner Arbeit identifizieren zu können – und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen mit dem, was ich tagtäglich tue, also dem Inhalt meines Jobs. Zum anderen aber auch mit dem Arbeitgeber, der Organisation als solcher. Bei YFU ist für mich beides absolut erfüllt. Ich stehe nicht nur voll hinter dem, was ich als Individuum hier gemacht habe, sondern auch hinter dem ganzen Verein und seinen demokratischen Strukturen.
Außerdem gibt es bei YFU diese Mischung aus zwei Welten: Wir sind eine gemeinnützige Organisation mit einem wichtigen gesellschaftlichen Anliegen, müssen aber an vielen Stellen auch wirtschaftlich denken wie ein Unternehmen. Das fand ich immer sehr spannend.
Welche Momente aus deiner Zeit bei YFU sind dir am stärksten in Erinnerung?
Auch wenn ich allen meinen Aufgaben bei YFU gern nachgegangen bin, gab es die intensivsten Momente tatsächlich während meiner Zeit als Leiter des Aufnahmeprogramms. Das waren vor allem die direkten Bildungserlebnisse im persönlichen Kontakt mit den Schüler*innen – da war ich später als Geschäftsführer nicht mehr so nah dran. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Mittelseminar, bei dem wir mit den Jugendlichen die Geschichte des Faschismus in Deutschland erarbeitet und zum Abschluss den Film „Comedian Harmonists“ im Kino gesehen haben. Schon während der Schlussszene haben alle geheult – einschließlich der Teamenden. Auch beim anschließenden Beisammensein flossen die Tränen. Das war ein ganz besonderer Abend.
Bestehen aus diesen Zeiten noch immer Kontakte?
Ja, es sind damals und auch später Freundschaften entstanden, die noch immer halten. Auch auf internationaler YFU-Ebene sind über die Jahre einige enge Bindungen entstanden, vor allem mit zwei, drei Kolleg*innen aus Lateinamerika. Das tolle dabei ist: Wir können mit- und auch übereinander lachen und theoretische interkulturelle Erwägungen mit ganz persönlichen Erfahrungen verbinden.
Was sind für dich die inhaltlichen Meilensteine, die du gemeinsam mit dem Verein in deiner Zeit bei YFU erreicht hast?
Ich denke, wir haben es geschafft, den Verein immer professioneller zu machen. Bemerkenswert finde ich dabei auch, wie gut die Kooperation zwischen Haupt- und Ehrenamt geworden ist – das war früher nicht unbedingt selbstverständlich. Auch auf internationaler Ebene ist viel vorangegangen. Die internationalen Gremien, die zeitweise eher „ein Klotz am Bein“ waren, sind heute sehr effektiv und hilfreich.
Gerade in den letzten Jahren habe ich mich zudem intensiv in der Lobbyarbeit eingesetzt, und wir konnten die Sichtbarkeit und Akzeptanz von YFU und dem gemeinnützigen Schüleraustausch in der Politik deutlich stärken.
Nach diesen Weichenstellungen der letzten Jahrzehnte – was wünschst du YFU und dem internationalen Jugendaustausch für die Zukunft?
Ich wünsche YFU, dass der Verein quantitativ und qualitativ die Nummer 1 für Jugendaustausch in Deutschland bleibt und seine Anteile im „Schüleraustausch-Markt“ sogar noch ausbauen kann. Vor allem aber hoffe ich, dass der langfristige, individuelle Schüleraustausch selbstverständlicher Bestandteil der schulischen Ausbildung wird – und zwar für alle Kinder, unabhängig von ihrem familiären und finanziellen Hintergrund. Gemeinnützige Vereine sollten dafür als Standard gesehen und entsprechend gefördert werden.
Lieber Knut, wir danken dir herzlich – nicht nur für dieses Gespräch, sondern für 34 Jahre Einsatz für YFU und interkulturelle Verständigung! Für den jetzt beginnenden neuen Abschnitt wünschen wir dir das Allerbeste und weiterhin viel Freude und Erfüllung mit deinen Aufgaben und Plänen!
Nachfolgerin von Knut Möller ist ab sofort Mareike von Raepke, die gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Jantje Theege die Geschäftsführung übernehmen wird. Beide werden sich demnächst ebenfalls mit einem Interview hier im Blog vorstellen.
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