Unser Familienleben ist seit langem durch ein jährlichen Arbeitswechsel meiner Frau in der Wintersaison geprägt, unsere Kinder sind aus dem Hause und mein Arbeitsort ist wieder in meiner Heimatstadt Rostock. Wir sind bereits Ende der 50er und haben für uns beschlossen, als Gastfamilie unsere Lebenserfahrung zu teilen, aber auch mit jugendlichen, internationalen Lebensformen und Denkweisen anzureichern. Wir haben bereits vor 14 Jahren schon mal zwei Gastschüler nacheinander aufgenommen. Das hatte uns sehr gut gefallen, war dann aber berufsbedingt lange nicht möglich. Nun ist Gasteltern sein vor allem auch für unsere Enkelkinder eine tolle Erfahrung und wir hoffen, dass dies ihre Entscheidung später beeinflussen wird, auch diese Möglichkeiten ins Auge zu fassen.
Ein etwas anderer Heiligabend
So haben wir uns 2022 entschieden, wieder Gasteltern zu werden. Wobei YFU eine Ersatzoption war, da der über eine andere Organisation geplante Schüler für das letzte Austauschjahr kein Visum bekommen hatte. Daher hatten wir uns als Wechselfamilie bei YFU angeboten – und dem 16-jährigen Baran aus der Türkei so einen Gastfamilienwechsel zum 24.12.2023 ermöglicht. Sicherlich sehr ungewöhnlich, aber meine Frau war schon außerhalb Deutschlands und ich hatte keine Verpflichtungen meiner Familie gegenüber, da alle anderen auf Reisen waren.
Baran war am 24. Dezember nach einer Blinddarm-OP aus dem Krankenhaus entlassen worden, so dass er dann nach der Verabschiedung seiner Gastfamilie zu uns wechselte und seine „Krankenpflege“ auf dem heimischen Sofa sehr genossen hatte. Nun galt es die negativen Erfahrungen, die zu einem Wechsel geführt haben, sachte zu erkunden und seine Eigenarten mit meinen Erwartungen durch eigene Kompromissen zu kompensieren. Das hieß vor allem Struktur im Alltag, Pflichten einer festgelegten Kommunikation und Aufgabenteilung sowie Einordnung seiner eigenen Bedürfnisse während der Zeit in Deutschland. Das war schwierig für ihn, da er sehr klar für sich war, was er wollte und was nicht. Aber unsere grundsätzliche Auffassung ist: Wer nur ein Hotel haben möchte, ist bei Gastfamilien falsch aufgehoben. Genauso stringent waren wir beim Thema Sprache und der Handynutzung, um sein eigenes Zeitkonto für die hiesigen Erlebnisse nicht zu schmälern. Wir haben zu Beginn seiner Zeit bei uns viele gemeinsame Spaziergänge mit unserem Hund zur Kommunikationspflege genutzt.
Zueinander finden
Wenn es auch schwer war und nach vier Wochen die ersten Tränen flossen, haben wir uns während des halben Jahres sehr gut zusammengelebt und einen respektvollen Umgang entwickelt. Leider war sein Ehrgeiz in der Schule eher dem Fußball im Verein untergeordnet und der Druck von YFU, dies zu ändern, nicht vorhanden. Sein größter Wunsch war, von einem Verein entdeckt zu werden und in Deutschland eine Fußballkarriere aufbauen zu können. Aber leider war eine mögliche Lizensierung für den Einsatz im Spielbetrieb erst nach dem Ende des Austauschjahres möglich. Seinen Ehrgeiz schmälerte dies aber nicht. Da meine Tochter sich dem Leistungssport hingegeben hatte, wusste ich, dass sich das Zusammenleben dem Sport unterordnen wird. Er hat diesbezüglich eine Riesenentwicklung hingelegt und trainiert jetzt in der Türkei ebenso besessen Fußball und ist dankbar für die Erfahrungen bei uns.
Der Austausch mit seinen Eltern war durch eine gemeinsame WhatsApp Gruppe sehr gut. Sie hatten also Anteil in Wort und Bild an seiner Entwicklung bei uns und der Kontakt ist nach wie vor immer noch sehr gut. Baran übernimmt jetzt sogar Verantwortung und engagiert sich Ehrenamtlich bei der türkischen YFU-Partneraustauschorganisation.
Emotionaler Abschied - und Motivation fürs nächste Abenteuer!
Der Abschied war für beide Seiten, wie das so mit Abschieden ist, sehr emotional. Für uns steht fest, solange wir es können und nicht für die jungen Leute zu alt wirken, wollen wir dieses Engagement fortführen. In diesem Jahr sind bei uns nun zwei Gastkinder für ein ganzes Jahr angekommen und wir stellen einen leichteren Einstieg in das „Abenteuer Austausch“ fest.
Als Tipp an alle Interessierten aber Unentschlossenen: Ja, es gibt schwierige Zeiten zwischendurch, aber nach Tiefen kommen Hochs und somit schöne Zeiten, wenn man denn bereit ist, seine eingefahrenen Lebensstrukturen den jungen Leuten ein wenig anzupassen.
Wir fühlen uns damit trotz eines intensiven Arbeitslebens sehr wohl!
YFU-Gastfamilie Höft mit Baran aus der Türkei