Unser Austauschabenteuer begann bereits vor 12 Jahren als unser ältester Sohn mit damals 16 Jahren für ein Schuljahr in die USA aufbrach. Wir hatten uns im Jahr zuvor auf einer Jugendbildungsmesse in Hamburg verschiedene Austauschorganisationen angesehen und uns für YFU entschieden, weil uns der ehrenamtliche Ansatz spontan gefiel. Wir dachten uns, wer ohne finanziellen Anreiz einen Gastschüler aufnimmt, der hat auch wirkliches Interesse am kulturellen Austausch und wird sich um unser Kind kümmern. Rückblickend hat sich diese Einschätzung für uns zu 100% bestätigt.
Etwas zurückgeben
Ein Kinderzimmer in unserem Haus wurde frei und wurde von Likuna aus Georgien übernommen. Wir waren entschlossen, etwas von der Gastfreundschaft, die wir für unseren Sohn erhofften, zurückgeben zu können, indem wir selbst auch eine Schülerin bei uns aufnahmen. Viele Gedanken und Sorgen, die wir am Anfang hatten, wurden sehr schnell zerstreut. Erste Sprachbarrieren wurden mit Englisch und der Zuhilfenahme von Händen und Füßen überwunden.
Mehr als ein Gast
Wir hatten vorher schon mehrfach Austauschschüler im Rahmen von kürzeren Schulaustauschen zu Gast, wobei die Betonung bei einem zwei- bis vierwöchigen Aufenthalt eher auf „Gast“ liegt. Wenn man jemanden für ein ganzes Jahr in seinen Haushalt aufnimmt, ist es wichtig ihn als Familienmitglied zu sehen und nicht als Gast. Mit Rechten und Pflichten, die denen der eigenen Kinder ähnlich sind. Man ist nicht täglich der Animateur für alle, sondern Helfer und Ratgeber und lässt den Gastsschüler am ganz normalen Familienleben mit allen Höhen und Tiefen teilhaben.
Nach unserer Erfahrung gelingt die Integration am besten durch gemeinsames Kochen, Spielen und sportliche und musikalische Aktivitäten aller Art. Wichtig finden wir außerdem, dass die „Haushaltssprache“ deutsch sein sollte, damit der Gastschüler schnell deutsch lernt. Dadurch finden die Schüler auch in der Schule schneller und besser Anschluss, knüpfen Freundschaften und werden in die Gemeinschaft aufgenommen.
Das Abenteuer geht weiter
Da wir drei Kinder haben, die alle sehr reiselustig sind, stand nach fünf Jahren unsere mittlere Tochter in den Startlöchern für ihr Austauscherlebnis in den USA. In diesem Jahr haben wir Juan aus Mexiko bei uns aufgenommen. Als dann unsere jüngste Tochter im Jahr 2021 nach Kanada aufgebrochen ist, haben wir keinen Gast bei uns aufgenommen, weil unsere großen Kinder in der Zwischenzeit aus dem Haus waren und wir ein Jahr „unsere Freiheit als Eltern“ genießen wollten. Im letzten Schuljahr unserer Jüngsten haben wir dann Agnese aus Italien für ein Jahr ein Zuhause gegeben. Unsere Erfahrungen mit Gastschülern sind sehr positiv, haben unser Familienleben bereichert und uns einen ganz neuen Blickwinkel auf unser eigenes Leben verschafft. Einen Gastschüler kann man allerdings nicht „nebenbei“ aufnehmen: es gehört schon etwas Zeit und ehrliches Interesse dazu.
Verbindungen, die bleiben
Vor einer Woche hat unser ältester Sohn seine Hochzeit gefeiert und zu Gast waren seine Gasteltern aus den USA und Agnese aus Italien, die uns vor 8 Wochen gerade erst verlassen hatte. Das sagt eigentlich schon alles darüber wie schön und bereichernd Auslandsaufenthalte in beide Richtungen sein können.
YFU-Gastfamilie Schürmeyer mit Likuna aus Georgien, Juan aus Mexiko und Agnese aus Italien