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Im Kleinen Großes bewirken

27. Februar 2025

Colored Glasses bringt bereits seit über 20 Jahren mit Toleranzworkshops für Schüler*innen wichtige Impulse in Klassenzimmer in ganz Deutschland und befähigt junge Menschen dazu, sich mit Themen wie Vorurteilen und Diskriminierung auseinanderzusetzen. Mareike ist YFU-Alumna und engagiert sich seit ihrem Austauschjahr 2010/11 in Dänemark ehrenamtlich für Colored Glasses. Mittlerweile ist sie auch auf internationaler Ebene aktiv und hat zudem intensiv an dem neuen und gerade fertiggestellten Colored Glasses-Konzept mitgearbeitet. Bereits letztes Jahr haben wir mit Mareike über ihr Ehrenamt gesprochen, über ihre Motivation und darüber, wie Colored Glasses im Kleinen Großes bewirken kann. Im YFU-Blog gibt es das ganze Interview nun in voller Länge zu lesen – inklusive ganz viel Inspiration, sich gemeinsam mit YFU für Vielfalt und  Demokratie einzusetzen.


Liebe Mareike, du bist seit deinem YFU-Austauschjahr in Dänemark 2010/11 (unter anderem) ehrenamtlich für Colored Glasses aktiv: Was hat dich dazu motiviert bzw. motiviert dich noch heute?

 

Colored Glasses (CG) heißt für mich, spielerisch und interaktiv Themen ins Klassenzimmer zu bringen, die junge Menschen täglich berühren, von ihnen aber vielleicht nicht so bewusst wahrnehmen oder reflektieren, z.B. ihre eigenen Identitäten und kulturellen Netzwerke, und Themen wie Vorurteile und Diskriminierung. Nicht alle Jugendlichen können oder wollen einen Austausch machen, der dann auch noch wie bei YFU intensiv begleitet wird. Mit CG-Workshops setzen wir Impulse, um das Nachdenken über sich selbst und den respektvollen Umgang miteinander anzuregen. In meinen 13 Jahren bei CG hat die Relevanz dieser Themen und entsprechend auch meine Motivation, mich dafür einzusetzen, nie abgenommen.

 

Inzwischen habe ich alters- und berufsbedingt weniger direkt mit den Teilnehmenden zu tun, aber engagiere mich beispielsweise in der Aus- und Weiterbildung der Ehrenamtlichen – die nächsten Generationen zu begleiten ist enorm wichtig. Mich motiviert dabei zu sehen, wie sich unsere jungen Ehrenamtlichen durch die Mitwirkung bei CG persönlich und fachlich weiterentwickeln und dadurch auch YFU insgesamt stärken.

 

Colored Glasses - für eine bunte, diskriminierungsfreie Welt!

Colored Glasses wurde im Jahr 2001 von vier ehemaligen YFU-Austauschschüler*innen gegründet. Basierend auf den Erfahrungen ihres eigenen Austauschjahres entwickelten sie ein Konzept, um Toleranz-Workshops mit Schulklassen durchzuführen. Mittlerweile sind es jährlich über 100 Ehrenamtliche, die diese Workshops regelmäßig an Schulen in ganz Deutschland durchführen und die Teilnehmenden für Themen wie Diskriminierung und Vielfalt sensibilisieren. 

Mehr über Colored Glasses, die Workshops und Mitmach-Möglichkeiten gibt es unter: www.coloredglasses.de

Aktuell befasst du dich bei Colored Glasses vor allem mit der Konzeptüberarbeitung: Kannst du das ein wenig näher beschreiben?

 

Es ist sehr wichtig, dass wir bei YFU und CG unsere Inhalte, Modelle und Methoden regelmäßig kritisch prüfen und aktualisieren, damit sie z.B. den aktuellen wissenschaftlichen Diskursen, gesellschaftlichen Themen und Begrifflichkeiten und den Zielen des Vereins entsprechen. Das erste schriftliche CG-Konzept stammt aus dem Jahr 2001, seitdem gab es sieben Updates. Ich war bei der letzten größeren CG-Überarbeitung 2015/16 mit dabei und habe in dem Prozess richtig viel von den Erfahreneren gelernt. Das konnte ich dann in die Erstellung des internationalen/ englischsprachigen Konzepts einfließen lassen, bei der ich 2016 in einem internationalen Team die inhaltliche Leitung übernommen habe.

 

2022 wurden bei YFU Deutschland aktualisierte Bildungsziele verabschiedet – darin verständigen wir uns als Verein, was wir mit unseren Programmen konkret fördern möchten, auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene. Damit diese Ziele in die konkrete Umsetzung kommen, müssen Programmkonzepte z.B. für die Vor- und Nachbereitung, entsprechend angepasst oder geschärft werden.

 

Bei CG haben wir die YFU-Bildungsziele ebenfalls als Ausgangspunkt genommen, um bei der aktuellen Überarbeitung zu prüfen, welchen Beitrag CG insbesondere zur Adressierung der langfristigen, politisch-gesellschaftlichen Bildungsziele des Vereins leisten kann. Dazu gehörte beispielsweise die Entscheidung, das Thema Menschenrechtsbildung als neues Workshopmodul mit aufzunehmen, wie es auch im englischsprachigen Konzept bereits der Fall ist.

 

Colored Glasses bietet grundsätzlich erst einmal Toleranzworkshops für Schulklassen an: Hat das für dich auch etwas mit Demokratiebildung zu tun?

 

Menschenrechte, Diskriminierung, Demokratie – ich denke, wir dürfen uns von den groß klingenden Worten nicht abschrecken lassen und schauen, welchen Beitrag wir konkret leisten können. Bei CG nähern wir uns den Themen mit Spielen und gemeinsamer angeleiteter Reflexion anders, als es im Schulalltag zwischen Lehrplänen und Klassenarbeit normalerweise möglich ist. Demokratiebildung ist ein breites Feld und wir tragen mit YFU und CG insbesondere zum Teilbereich interkultureller Bildung bei, denn das ist unsere Kernkompetenz. Teil des Konzepts ist es auch, dass unsere Teamenden etwa gleichaltrige „Peers“ sind, die den Teilnehmenden auf Augenhöhe begegnen. Uns geht es immer darum, konkrete Bezüge zum Alltag der Jugendlichen herzustellen und gleichzeitig globale Zusammenhänge und Mechanismen aufzuzeigen und ihnen Begriffe an die Hand zu geben, deren Verständnis junge Menschen befähigt und ermutigt, sich aktiv demokratisch einzusetzen. Wenn man im Kleinen anfängt über die Themen nachzudenken und bei sich selbst aktiv zu werden, kann man es dann auch in größeren Zusammenhängen geübter einsetzen. Dasselbe findet auch in den YFU-Austauschprogrammen und -Seminaren statt, dort dann noch ergänzt um die konkrete Austauscherfahrung und natürlich deutlich zeitintensiver begleitet.

 

Du hast eben schon erwähnt, dass du auch international für Colored Glasses aktiv bist. Dazu zählt unter anderem auch, unsere YFU-Partnerorganisationen dabei zu unterstützen, Colored Glasses im eigenen Land aufzubauen. Wie empfindest du diese Zusammenarbeit?

 

Eher zufällig fand ich mich 2015 als Trainerin auf einem CG-Multiplikator*innenseminar in Frankreich wieder – ohne wirklich Französisch zu sprechen. Dort hat sich seitdem regional fokussiert ein relativ stabiles Angebot entwickelt. Für mich war das Training außerdem der Beginn zahlreicher internationaler Projekte u.a. mit dem Global Office von YFU.

 

Schon lange werden CG-Methoden in vielen Ländern weltweit eingesetzt, aber durch das internationale CG-Konzept, das seit 2016 auf Englisch, Französisch und Spanisch vorliegt, wurden sie deutlich zugänglicher. 2016/17 und 2018/19 konnten wir außerdem mithilfe von EU-Förderungen CG in einigen europäischen YFU-Organisationen (neu) „kickstarten“. Es gab aber über die Förderzeiträume hinaus keine zentrale Koordination von CG international, sodass wir gar nicht ganz genau sagen können, in wie vielen Ländern CG aktuell genutzt wird.

 

Eine besonders spannende Erfahrung für mich war eine Online-Schulung, die ich 2022 für YFU Paraguay und Uruguay durchführen durfte. Ein erfahrungsorientiertes Konzept online zu vermitteln war sehr herausfordernd, hat aber tatsächlich Früchte getragen. Nachdem das internationale YFU-Netzwerk sich nun post-covid stabilisiert, gibt es aktuell wieder verstärktes Interesse am Aufbau von CG, z.B. aus Südafrika, den USA oder der Türkei.

 

Eine gemeinsame Herausforderung aller Organisationen (inkl. YFU Deutschland), die ich bisher beraten habe, ist es, eine Struktur zu etablieren, in der CG sich weitestgehend selbst trägt – nicht nur in Bezug auf Finanzen, sondern vor allem auch auf die Ressourcen der Haupt- und Ehrenamtlichen. Gleichzeitig sind die nationalen und lokalen Strukturen und Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich und es ist wichtig, dass die Organisationen eine für sich passende und realistische Umsetzung von CG finden.

 

Wenn du zurückblickst:  Wie hat sich dein Ehrenamt auf deinen (beruflichen) Werdegang ausgewirkt?

 

YFU und mein Ehrenamt nach dem Austausch ist unweigerlich mit meiner weiteren Biografie verwoben – angefangen mit meiner Studienwahl, die mich 2013 wieder in mein Austauschland und zum Fach Interkulturelle Bildung geführt hat. Ich bin sehr dankbar, dass ich gerade meine Studienzeit stark nutzen konnte, um so viel wie möglich mitzunehmen: Schulungen und Trainings in Deutschland und international, Arbeitsgruppen, CG-Workshops, Konferenzen und Repräsentationseinsätze fürs europäische und später globale YFU-Office. Was man im Ehrenamt alles für das Leben lernt, kann man in Kompetenzen schwerlich benennen. Aus dem Bereich der Trainings würde ich sagen: Gruppen und Einzelpersonen in Lernprozessen begleiten; den eigenen, für mich authentischen Stil finden; von anderen lernen. Aus dem Bereich der Konzeptentwicklung sicherlich die Textkompetenz, kritisches Denken, und erfolgreiche digitale Zusammenarbeit.

 

Ein Blick in die Zukunft: Was wünschst du dir, das Colored Glasses in den nächsten fünf Jahren erreicht hat?

 

Habe ich drei Wünsche frei? Dann wünsche ich mir, dass CG am Puls der Zeit bleibt und gleichzeitig auf die Erfahrungen der letzten Jahre aufbauen kann; konkret: ein digitales CG-Konzept, wie eine Methodenbibliothek, die leicht zu editieren ist und mit der wir es besser schaffen, das Konzept regelmäßig zu aktualisieren und erweitern, ohne gleich ein Buch verfassen zu müssen.

 

In Bezug auf die internationalen Aktivitäten hoffe ich, dass andere YFU-Organisationen für sich sinnvolle Modi finden, in denen CG ihr Angebot bereichert, außerdem mehr Kooperationsprojekte und auch hier eine digitale Struktur, die das erleichtert.

 

Für YFU Deutschland wünsche ich mir, dass die Verzahnung von CG und YFU weitergeht, strukturell im Verein, aber auch in der konkreten Arbeit der Ehrenamtlichen nicht im „Entweder-Oder“ gedacht wird. So könnten wir vielleicht auch noch einen stabileren Pool an Teamenden und Trainer:innen aufbauen.

 

Vielen Dank, liebe Mareike, für das spannende Interview – und natürlich für dein unermüdliches Engagement für YFU und Colored Glasses!

 

Fotos: Janine Hague und YFU Türkei. 

 

Diversität im Schüleraustausch