„You build a life for 16 years and leave it for 10 months. You build a life for 10 months and leave it forever. Which one is harder?”
Vor ein paar Tagen habe ich meine zweite Heimat, Texas, verlassen und bin nach fast einem Jahr wieder zurück in Deutschland angekommen. Wie ihr dem Zitat wahrscheinlich schon entnehmen könnt, war es gar nicht so einfach für mich, mich von meinen amerikanischen Freunden und meiner Gastfamilie zu verabschieden. Wir haben uns zwar gesagt, es sei kein „Goodbye“ sondern ein „See you later“, aber wie realistisch ist das, wenn ich nun wieder auf der anderen Seite der Welt bin?
Wie hätte ich auch nur wissen können, dass mir ein Ort wie Houston, Texas so schnell ans Herz wachsen würde und Leute, die doch gerade noch Fremde waren, mir nun so viel bedeuten würden? Wie hätte ich mir vorstellen können, einmal so fließend in der englischen Sprache zu sein, dass es jetzt sogar komisch und schwer ist, wieder Deutsch zu sprechen? Wie hätte ich wissen können, dass ich sogar aufgeregt davor sein würde, meine eigene Familie nach einem Jahr wieder zu sehen? Dieses eine Jahr macht so viel aus, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.
Bevor ich nach Amerika gegangen bin, haben mir alle gesagt „Bleib wie du bist!“, doch wenn ich jetzt noch einmal darüber nachdenke, war das doch eigentlich unmöglich. Wie soll ich denn nach einem Jahr ganz alleine in einem fremden Land, in einer fremden Familie, in einer fremden Schule, mich nicht verändern? Ich bin natürlich immer noch ich, doch irgendwie bin ich durch meine Erfahrungen auch zu einer neuen Person geworden. Fangen wir doch mal ganz vorne an…
Aller Anfang ist schwer
Mein Abenteuer Amerika begann am 11. August 2016. Nach einer sehr langen und anstrengenden Reise war ich endlich angekommen. Voller Aufregung stieg ich aus dem Flieger und dann kam der große Moment: Ich habe meine Gasteltern getroffen. Als ich dann später totmüde ins Bett gefallen bin, habe ich es irgendwie zum ersten Mal so richtig realisiert. Ich dachte so: „Wie soll ich denn jetzt ein Jahr lang bei ihnen wohnen? Ich kenn sie doch gar nicht.“ Aber schon nach ein paar Tagen hatte ich sie kennengelernt und alles war gut.
Leben in der Gastfamilie
Meine Gastfamilie bestand nur aus meinen Gasteltern, unseren zwei Hunden und mir. Das heißt, ich war nun für ein Jahr Einzelkind, was ziemlich ungewohnt war. Ich habe es zwar genossen, aber irgendwann habe ich meinen kleinen, nervigen Bruder dann doch vermisst. Meine Gasteltern hatten natürlich etwas andere Regeln und Bräuche, als ich von Zuhause gewohnt war, aber es war kein Problem, sich anzupassen. Auch wenn ich mich in meiner Gastfamilie sehr wohl gefühlt habe, habe ich in diesem Jahr besonders gemerkt, wie wichtig mir meine richtige Familie ist, und wie froh ich sein kann, sie zu haben.
High School / Sport
Die ersten Tage in meiner riesigen High School (4000 Schüler/innen) waren echt hart, da ich ja noch niemanden kannte und das Schulsystem total anders ist. Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt und schon bald Freunde gefunden. Die wohl beste Entscheidung, die ich je machen konnte, war, dem Cross Country Team beizutreten. Das ist so ähnlich wie Leichtathletik, nur dass wir hier, im Gegensatz zu Deutschland viel härter trainiert haben und das jeden Tag. So schwer es auch war, es hat sich gelohnt. In meinem Team habe ich tolle Leute kennengelernt, die jetzt meine besten Freunde sind. Und auch von meinem Coach habe ich unglaublich viel gelernt. Nicht nur, beim Laufen nicht aufzugeben und immer weiter zu kämpfen, sondern auch viel fürs Leben. Auch wenn das Schulsystem in den USA viel einfacher ist als in Deutschland, finde ich zum Beispiel den School Spirit dort viel besser.
Feiertage
Dieser große School Spirit kommt besonders an Homecoming zum Vorschein. Das ist eine ziemlich verrückte Woche, die mit einem Football Spiel und einem großen Tanz endet. Auch die anderen Feiertage, so wie Thanksgiving, Halloween, Weihnachten und Ostern werden in den USA sehr groß gefeiert und haben mir immer viel Spaß gemacht. Am besten fand ich persönlich den für Texas typischen Rodeo. Das ist eine Art große Kirmes mit vielen Konzerten und dem bekannten Bullenreiten. Außerdem sieht man zur Zeit des Rodeos viele echte Cowboys auf Pferden und auch alle anderen Leute laufen in Cowboy Boots herum. So natürlich auch ich.
Ups and Downs
Neben den ganzen tollen Dingen, die ich in meinem Austauschjahr erleben durfte, gab es manchmal natürlich auch einige Tiefphasen. Ich hatte zwar nie wirklich eine Zeit, wo ich viel Heimweh hatte (was eher ungewöhnlich ist), doch trotzdem gab es oft einige schwierige Situationen, wo ich mir gewünscht hätte, meine Eltern bei mir zu haben. Doch ich glaube, daraus habe ich auch am meisten gelernt.
Austauschjahr, ja oder nein?
Wenn ihr noch überlegt, ob ihr ein Austauschjahr machen wollt oder nicht, dann kann ich nur sagen: macht es! Es war für mich persönlich die beste Erfahrung in meinem Leben. In diesem einen Jahr habe ich so viele neue, tolle Menschen kennenglernt, die nun meine zweite Familie sind. Ich habe so viel über eine andere Kultur gelernt, sodass ich nun meine eigene besser verstehe. Ich bin nicht nur offener und selbstbewusster geworden, sondern habe auch herausgefunden, wer ich eigentlich bin und wer ich sein möchte. Und gerade von den schwierigen Situationen habe ich am meisten mitgenommen.
Ich bin sehr traurig, dass diese unglaublich tolle Zeit nun schon ein Ende genommen hat, doch ich weiß, ich werde all meine Erinnerungen und Erlebnisse für immer in meinem Herzen mit mir tragen.