Ich hatte schon seit ich 12 Jahre alt war den Wunsch, eine Zeit in Amerika zu verbringen. Als ich dann in das Austauschprogramm aufgenommen wurde, war ich unglaublich glücklich, meinem Kindheitstraum nachgehen zu können.
Meine Gastfamilie lebt in Suffolk in Virginia. Sie bestand aus meiner Gastmutter, meinem Gastvater und drei Gastschwestern. Die leibliche Tochter meiner Gasteltern war bereits ausgezogen und hatte ihre eigene Familie mit zwei jüngeren Söhnen. Die älteste Gastschwester war eine ehemalige Gasttochter meiner Gasteltern aus der Ukraine. Sie hatte ihren Schul-Abschluss in der Ukraine beendet und war anschließend zurück nach Amerika gereist, um dort zum College zu gehen. Außerdem hatte ich ein sogenanntes Double Placement, also eine Austauschschülerin, die bei der gleichen Familie wie ich gewohnt hat. Sie hieß Emma, kam aus Dänemark und war in meinem Alter. Wir haben uns super verstanden und waren wie echte Schwestern, haben uns auch ein Zimmer geteilt und sind zusammen zur Schule gegangen. Dieses Double Placement hat mir sehr geholfen, da wir teilweise dieselben Schwierigkeiten meistern mussten. Dazu lebten mit uns noch drei Hunde und fünf Hühner. Meine Gasteltern mochten es gerne zu reisen, weshalb wir auch mehrere Male andere Staaten besucht haben. Im ersten Halbjahr haben wir einen Roadtrip nach Florida gemacht, um meine Gastgroßmutter zu besuchen und sind für eine Woche nach Philadelphia gefahren, da mein Gastvater dort arbeiten musste. Im zweiten Halbjahr sind wir mit meinem Gastneffen für fünf Tage nach Outer Banks in North Carolina gefahren und haben auch ein Wochenende in Washington D.C. verbracht.
Schule und Freunde
Die Schule war einer der Hauptgründe, weshalb ich mein Auslandsjahr in den USA verbringen wollte. Ich wollte schon immer das amerikanische Schulleben kennenlernen und wissen, wie das System funktioniert. Die Schule, die Emma und ich besucht haben, war unglaublich groß und tatsächlich auch etwas überfüllt. Wir hatten fünf verschiedene Lunch Zeiten, weil nicht alle Schüler gleichzeitig in die Cafeteria konnten. Aber dadurch habe ich auch eine unglaubliche Menge neuer Freunde kennengelernt. Mit dem deutschen Schulsystem verglichen war diese Art von Schule definitiv sehr viel entspannter. Die Lehrer hatten verschiedene Unterrichtsweisen und manche haben ihre Schulstunden sehr entspannt gestaltet. Meine Lieblingsklassen waren die Kunstklasse, die ich im ersten Halbjahr besucht habe und die Modeklasse im zweiten Halbjahr.
Ich hatte auch von meiner Gastmutter gehört, dass man durch Schulclubs viele Leute kennenlernen kann. Die Schüler*innen meiner Schule waren zwar sehr offen, aber ich musste auch viel auf Menschen zugehen, was ich gleich am ersten Schultag gelernt habe. Ich habe mich dann tatsächlich auch schon am ersten Tag mit einem Mädchen, neben dem ich in meiner ersten Schulstunde in der Kunstklasse gesessen habe, angefreundet. Wir fanden heraus, dass wir von dem gleichen Schulbus zur Schule und zurück nach Hause gebracht werden und sie stellte Emma und mich ihren Freunden, die ebenfalls mit uns den Bus nahmen, vor. Durch diese Leute habe ich auch immer mehr Menschen getroffen. Emma und ich haben in jedem Halbjahr eine Klasse zusammen gewählt und in beiden wurden wir in Freundesgruppen aufgenommen. An meiner Schule gab es außer Emma und mir auch noch drei weitere Gastschülerinnen, zwei davon stammten aus Deutschland und die dritte aus Spanien. Wir haben uns schnell angefreundet und auch außerhalb der Schule viel unternommen. Im zweiten Halbjahr habe ich mich auch beim Kunstclub der Schule angemeldet und dadurch auch mehrere Freunde gefunden.
Mein Alltag in Amerika
Morgens wurden wir von einem gelben Schulbus abgeholt. An der Schule angekommen mussten wir durch Metalldetektoren laufen. Dann durften wir uns kostenloses Frühstück abholen und bis zum Klingeln der Schulglocke durch die Gänge laufen und uns mit unseren Freunden austauschen. In der ersten Schulstunde gab es dann die „Morning Announcements“, in denen wir über anstehende Events wie beispielsweise Footballspiele und gewonnene Preise informiert wurden. Anschließend wurde die „Pledge of Allegiance“, eine Art Treueschwur zu Amerika, vorgelesen. In der dritten Schulstunde fand parallel das Mittagessen statt. Dadurch zog sich diese Schulstunde besonders lange. Das Mittagessen war gratis, aber man durfte sich auch etwas Eigenes mitbringen. Danach ging es mit der vierten Schulstunde weiter und nach Ende der Schule gab es entweder einen Schulbus, der die Schüler*innen nach Hause brachte, oder man besuchte die verschiedensten Schulclubs. Zu Hause habe ich meistens bis zum Abendessen Hausaufgaben erledigt oder für Tests gelernt. Meine Gastmutter, Emma und ich sind auch manchmal shoppen gegangen. Wir haben uns mit dem Kochen abgewechselt und dadurch auch neue Gerichte ausprobiert.
Herausforderungen und Erfahrungen
Eine der größten Herausforderungen war vermutlich, dass ich mit so vielen Menschen in einem Haus gelebt habe, da ich Einzelkind bin und so etwas nicht gewöhnt war. Vor allem mit einer anderen Person ein Zimmer zu teilen war zu Beginn etwas seltsam, schließlich hat dies aber viel Spaß gemacht. Außerdem war es am Anfang etwas erschreckend fremde Leute anzusprechen, vor allem wenn ich in eine Klasse gekommen bin, in der eher still gearbeitet wurde. Was mich auch etwas überrascht hat war, dass alles so weit von einander entfernt war. Ich hatte davon schon gehört, aber da es in meinem Ort weder einen richtigen Bus noch Zug gab, war man sehr auf das Auto angewiesen. Da ich auch keinen Führerschein habe, konnte ich nicht selbstständig zu meinen Freunden gelangen.
Durch das Auslandsjahr habe ich fast mehr über mich gelernt als in meinem ganzen Leben und auch viel über mein Leben in Deutschland nachgedacht. Ich habe auch gelernt offener zu sein und finde es mittlerweile überhaupt nicht mehr schlimm, fremde Menschen anzusprechen –etwas wovor ich früher eher Angst hatte. Davon abgesehen bin ich auch selbstständiger und -sicherer geworden. Mein Selbstbewusstsein ist sehr gewachsen und jetzt denke ich immer, wenn ich etwas machen will, wovor ich eigentlich Angst habe: „Ich habe es geschafft, ein Jahr an einem erst fremden Ort mit erst fremden Menschen zu leben und es geliebt, dann kann ich das hier jetzt auch machen!“ Durch diese neue Lebenseinstellung habe ich es trotz Spinnenangst geschafft eine Vogelspinne auf die Hand zu nehmen. Vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen.
Meine Highlights
Meine Highlights in diesem Auslandsjahr waren definitiv unsere Woche in Philadelphia und unser Abschlussball. Da wir bei Beginn des Winters nach Philadelphia gereist sind, war alles schon weihnachtlich geschmückt. Es war auch eine schöne Abwechslung zu dem Ort, in dem wir gelebt haben. Mein Gastvater war vormittags zwar arbeiten, aber wir haben die Stadt viel erkundet und ich konnte sogar das Philadelphia Museum of Arts besuchen. Als meine Gastmutter einen Tag lang etwas anderes zu tun hatte, haben Emma und ich drei Stunden lang die Stadt erkundet. Das war vermutlich einer der schönsten Tage meines Austauschjahres. Für Prom haben Emma und ich uns mit den anderen Austauschschülerinnen zusammengetan, die ebenfalls ihre Freunde dabeihatten. Wir haben uns eine Limousine gemietet und sind damit zur Prom gefahren. Die Erfahrung war unglaublich und hat mich sehr an eine Prom aus einem Film erinnert.