Als meine Kusine letztes Jahr aus ihrem Austauschjahr in Südafrika wiederkam, war ich unglaublich aufgeregt, sie wiederzusehen. Ich wollte wissen, was sie erlebt und gesehen hatte! Die erste Frage die ich ihr stellte, war „Wie war es? Wie war dein Jahr?“ Meine Kusine hat nur gelacht und gesagt „Was soll ich denn darauf antworten?“ Ich habe sie damals überhaupt nicht verstanden.
Der Anfang, Schule und die ersten paar Wochen
Ich habe mein Austauschjahr in Allen, Texas verbracht. Es bleibt mir jetzt noch ein Monat übrig, bis ich zurück nach Deutschland fliege, was sich wirklich sehr komisch anfühlt. Ich lebe mit meinen Gasteltern, meiner 12-jährigen Gastschwester und unseren zwei Hunden in einem schönen Haus in einer typisch amerikanischen Nachbarschaft. Als ich gehört habe, dass ich nach Texas komme, habe ich mich ziemlich gefreut.“ Yeah, Sonne und Sommer!!“ war das erste was ich gedacht habe. Als ich dann, müde und erschöpft von dem langen Flug, aus dem Flughafen raus bin, bin ich fast umgekippt. Ich dachte, jemand hätte einen Heizlüfter über mir angestellt, so heiß war es mit 42°C. Die ersten paar Tage waren ein bisschen merkwürdig und alles war neu für mich. Ich musste jede Kleinigkeit nachfragen und habe so gut wie jedes Mal fragen müssen, ob die Person, die was gesagt hat, doch das Gesagte bitte wiederholen könnte. Aber meine Gastfamilie war sehr geduldig und schnell habe ich mich wie zu Hause gefühlt und zum Beispiel einfach etwas zu Essen aus der Vorratskammer genommen oder den Fernseher angeschaltet, ohne zu fragen. Und gerade diese kleinen Dinge sind die, die wirklich was ausmachen.
Als die Schule anfing, war ich unglaublich aufgeregt. Die Allen High School ist eine der größten High-Schools in Texas mit rund 5000 Schülern. Ich war so eingeschüchtert am ersten Tag! So viele Schüler in den Halls, eine riesige Cafeteria, ein 60 Millionen Dollar Football-Stadium und ich ganz allein mittendrin. Doch gleich am ersten Tag wurde mir ein „Pal“ (Maddie) zugeteilt, das sind Schüler, die neuen Schülern helfen, so ein bisschen wie Paten sozusagen. Maddie hat mich in den ersten Tagen rumgeführt und mir gezeigt, wo meine Kurse stattfanden, sodass ich nicht allzu verloren war. Nach den ersten paar Wochen habe ich mich dann ganz gut zurechtgefunden, ich habe angefangen besser Englisch zu verstehen und alles fing an, alltäglicher zu werden. Obwohl alle sehr freundlich und offen waren, hatte ich es am Anfang etwas schwerer, Freunde zu finden. Jeder hatte seine Gruppen und die Leute waren nicht sonderlich interessiert daran, andere in ihre Cliquen zu lassen. Vor allem in so einer großen Schule wie meiner, kannte mich niemand und Austauschschüler waren nichts Besonderes mehr, was kein besonders großer Vorteil für mich war. Also hieß es für mich, dass ich etwas dafür tun musste, um mehr Leute außerhalb meiner Klassen kennenzulernen. Ich habe mich dann dazu entschlossen, in dem Musical der Schule als Tänzer mitzuwirken. Es war eine der besten Entscheidungen, die ich treffen konnte. Gleich in der ersten Probe habe ich tolle Leute kennengelernt und durch die Treffen jede Woche, habe ich sehr gute Freunde dort gefunden.
Im September ist dann eine italienische Austauschschülerin, Tere, zu einer Familie in meiner Straße gezogen und wir haben uns sofort unglaublich gut verstanden. Wir haben viel zusammen unternommen und hatten nach nicht allzu langer Zeit einen Freundeskreis aufgebaut. Lunch in der Schule war immer die Zeit, in der wir alle zusammen saßen und uns gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge gebracht haben.
Halloween, Thanksgiving, Weihnachten
Der Herbst in Texas war sehr angenehm warm und ich bin mit meinen Freunden zum Beispiel in den Freizeitpark gegangen, habe mir American Football Spiele in meiner Schule angesehen oder habe andere Dinge mit meiner Gastfamilie unternommen. Die Schule hat nicht besonders viel Zeit eingenommen, da ich sehr einfache Fächer gewählt habe und ich wirklich sagen muss, dass die deutsche Schule im Vergleich dazu viel zeitaufwendiger und stressiger ist. Hier hatte ich zum Beispiel Fächer wie Photography oder Dance, ziemlich cool finde ich!
Mein Halloween war ein bisschen anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber trotzdem eine unglaubliche Erfahrung. Meine Gasteltern und ich waren auf eine Hochzeit eingeladen! An Halloween!! Und dann auch noch zwei Männer, die in Texas heiraten! (Das ist hier überhaupt keine Selbstverständlichkeit und in Texas erst seit dem Sommer 2015 erlaubt!) Und obwohl es mich am Anfang ein kleines bisschen enttäuscht hatte, dass ich nicht typisch Amerikanisch um die Häuser laufen konnte mit meinen Freunden, hat mein sehr spezielles Halloween doch viel Spaß gemacht. Wir alle waren verkleidet, es wurde getanzt und gefeiert.
Über Thanksgiving bin ich mit meiner Gastfamilie nach New York geflogen, habe somit nicht wirklich den traditionellen Truthahn erleben können, dafür aber Pizza in Little Italy in New York, was auch sehr schön war. Nach Thanksgiving war jeder in Weihnachtsstimmung und so ziemlich jedes Haus war mit Lichtern und Dekorationen geschmückt, was die Nachbarschaft wunderschön weihnachtlich gemacht hat, vor allem wenn es dunkel war. Auch wenn man an Weihnachten ein wenig Heimweh bekommen hat und man Heiligabend doch sehr vermisst, war es sehr schön, als meine Gastschwester mich am 25. morgens um sieben mit einer unglaublichen Energie, die ich nicht erwidern konnte, geweckt hat, um Geschenke auszupacken. Weihnachten war sehr schön und ich habe es genossen mit meiner Gastfamilie, und allen Tanten, Onkeln zu feiern (obwohl wir um die 23°C hatten). Ein paar Tage nach Weihnachten hatten wir mehrere Tornado-Warnungen, was mich ein bisschen nervös gemacht hatte, aber für die Texaner war alles ziemlich normal. Ich war trotzdem froh, als die Sirenen in der Nacht endlich aufhörten.
Im Frühling habe ich mich dann dazu entschlossen, Softball anzufangen, da Musical vorbei war und ich gerne noch etwas anderes machen wollte. Obwohl ich am Anfang echt schlecht und skeptisch war, habe ich meinen Platz im Team gefunden und wir haben viel Spaß zusammen. Ich bin wirklich sehr froh, dass ich mich dazu entschlossen habe, dem Team beizutreten. Das zweite Semester ging viel schneller um, als ich mir je hätte vorstellen könnte, und ich habe jetzt nur noch zwei Wochen Schule übrig.
Ich habe hier viele Dinge erlebt, war zum Beispiel auf Konzerten, habe beim ColorRun teilgenommen, durfte den School Spirit erleben, bin zu Schulbällen gegangen, bin gereist und habe Unternehmungen mit meiner Familie oder Freunden gemacht. Viel Spaß war vor allem das Autofahren mit 16-jährigen und das Shoppen in den großen amerikanischen Malls. Kinos, in denen du Abendessen serviert bekommst, sind der Hit und Fast Food Restaurants habe ich wahrscheinlich ein kleines bisschen zu sehr genossen ;) (es gibt hier übrigens so viel Besseres als McDonalds!!)
Man kann das Gefühl nicht beschreiben, zu wissen, dass man jetzt bald nach Hause fliegt, all seine Freunde und Familie wieder sieht, und dann aber auch sein Zuhause, Freunde und Familie verlässt. Es ist eine emotionale Zeit und ich kann immer noch nicht realisieren, wie schnell das Jahr hier vorbeiging. Es war nicht immer super leicht, ich habe das erste Mal wirklich gefühlt was Einsamkeit heißt, ich musste lernen, mich anzupassen und mit anderen Sitten klarzukommen, aber ich habe unglaublich viel erlebt, tolle Erfahrungen gesammelt, viel über die amerikanische Kultur gelernt, unvergessliche Freunde gefunden und mir ein zweites Zuhause auf der anderen Seite der Welt aufgebaut.
Erst jetzt verstehe ich, was meine Kusine meinte. Du kannst dein Austauschjahr nicht einfach beschreiben oder bewerten, denn es ist nicht einfach nur ein kleiner Reiseausflug, auf dem du nur tolle Sachen erlebst. Es ist auf jeden Fall ein Abenteuer, aber es ist auch alltägliches Leben und um es zu verstehen, musst du es selbst ausprobieren und entdecken, du wirst viele Erfahrungen sammeln, Freunde fürs Leben finden und es wird ganz bestimmt eines der besten Jahre, die du je haben wirst.