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Erlebnisreich, religiös und einzigartig

Erfahrungsbericht von Anton, Austauschjahr in den USA

Als ich mich im Mai 2022 für das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP), ein Vollstipendium des Deutschen Bundestages und des US-Kongresses für ein Auslandsjahr in den USA beworben habe, schätzte ich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ich nominiert werde, eher gering ein. Als ich dann aber im Frühjahr von Alexander Dobrindt, dem Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises, angerufen wurde und die Nachricht erhielt, dass ich als ein Juniorbotschafter des PPPs in die USA reisen darf, war die Freude und die Aufregung umso größer.

 

Am 17. August ging es dann los für mich. Erst 5 Tage zuvor hatte ich meine Gastfamilie mitgeteilt bekommen. Zu der Zeit war ich noch im Urlaub, aber dann musste alles ganz schnell gehen: Koffer packen, sich von Freunden und Familie verabschieden und vor allem sich mental auf ein Riesen-Abenteuer vorbereiten. Ich war davor noch nie geflogen und trotzdem verlief die Reise ohne Eltern über den Atlantik auf einen anderen Kontinent gut. Es war ein sehr langer Tag, der für mich mit vielen Emotionen und neuen Eindrücken verbunden ist. In der Nacht wurde ich dann von meinen Gasteltern am Flughafen abgeholt. Der erste Eindruck war sehr gut und ich habe mich schnell bei ihnen eingelebt.

 

Gastfamilie

Meine Gastfamilie bestand aus meiner 63-jährigen Gastmutter, meinem 65-jährigen Gastvater und aus zwei Universitätsstudenten der nahegelegenen Andrews University, die ebenfalls im Haus meiner gastfreundlichen Gasteltern lebten. Die Beziehung zu diesen Studenten war sehr brüderlich, weshalb sie für mich wie Gastbrüder waren. Mein Gastbruder C. kam aus Venezuela und studierte Musik Performance am Klavier. Mein Gastbruder J. kam aus Kap Verde, einem Inselstaat vor der Westküste Afrikas, und studierte Theologie. Damit ergab sich ein Haushalt aus fünf Personen und vier Nationen, was meine Auslandserfahrung facettenreicher als gedacht gemacht hat. Meine Gasteltern hatten aber auch selbst zwei Kinder, die schon ausgezogen und beide verheiratet waren, die ich aber dennoch kennenlernen durfte und in mein Herz geschlossen habe.

Im Haus hatte ich mein eigenes Zimmer und ein eigenes Bad. Glück hatte ich (als Vegetarier) auch mit der Ernährungsweise meiner Gastfamilie, denn sie war gesund, frisch und vegetarisch. Besonders interessant war für mich die Kombination aus Marmelade und Erdnussbutter auf einer Scheibe Brot, das von meiner Gastmutter oft selbstgebacken wurde.

 

Schulalltag und Freunde

Mein Alltag sah so aus, dass ich nach dem Frühstück auf einem alten Rennrad, das wir im Gebrauchtwarenladen für 20 Dollar erworben hatten, zur Schule gefahren bin. Das Radfahren war nicht so verbreitet wie bei uns in Deutschland. Nur manchmal stand neben meinem noch ein anderes Fahrrad vor der Schule. Ich bin aus Zeit-, Spaß-, und Bewegungsgründen trotzdem geradelt, was schnell zu einer Art Markenzeichen für mich wurde. Nur selten, zum Beispiel bei sehr schlechtem Wetter, bin ich mit einem typisch amerikanischen, gelben Schulbus in die Schule gefahren oder wurde von meinem Gastvater mit dem Auto zur Schule gebracht.

In meine High School gingen insgesamt etwa 500 Schülerinnen und Schüler. Ich selbst war ein Junior, was einem Schüler in der elften Jahrgangsstufe entspricht. Die Schule war eine multikulturelle Gesamtschule, ging von 7:40 Uhr bis 14:38 Uhr und begann mit der Pledge of Allegiance, die aus den Lautsprechern in den Klassenzimmern zu hören war. Ich hatte in jedem Halbjahr insgesamt acht Fächer, davon täglich vier, die jeweils 90 Minuten lang gedauert haben.

Dazwischen gab es nur 5 Minuten, um zum nächsten Klassenzimmer, die sich alle auf einer Ebene befanden, zu kommen und mittags eine Pause von 30 Minuten, in der in der Mensa gegessen wurde. Bei so wenig Pausen und einem fast ununterbrochenen Schulvormittag von 4,5 Stunden, wurde ich vor dem Sportunterricht vor der Mittagspause schon oft sehr hungrig. Daran musste ich mich erst mal gewöhnen. Es gab auch einige weitere Unterschiede zu meiner deutschen Schule. Zum Beispiel gab es keinen Klassenverband, wodurch es schwerer war Freunde zu finden, da man jede Unterrichtsstunde mit anderen Mitschülern im Raum saß. Trotzdem habe ich sehr gute Freunde gefunden, mit denen ich gerne Zeit verbracht habe. Zwar hat es mir am Anfang etwas Sorgen bereitet, gute Freunde zu finden, aber mit ausreichend Geduld, Durchhaltevermögen und Freundlichkeit, kann man auch in einem fremden Land wertvolle Beziehungen knüpfen.

Mein Lieblingsfach war Anatomie & Physiologie, da ich dieses Fach in Deutschland nicht wählen kann und da das Sezieren von Organen sehr interessant und lehrreich war. Meine anderen Fächer waren Psychologie, Soziologie, Gewichtheben, Englisch, US-Geschichte, Chemie, Politik, Wirtschaft, Mathematik und ein SAT-Vorbereitungskurs. Der SAT ist ein nationaler Test für Mathe und Englisch.

 

Freizeit und Volunteering

In meiner Freizeit habe ich mehrere Aktivitäten gemacht, wodurch ich auch mehr Leute kennengelernt habe. Da der Sport in den USA eine sehr bedeutende Rolle spielt, habe ich mich dazu entschieden einer Schulsportmannschaft beizutreten. So bin ich ab Ende August bis Ende Oktober im Cross Country Team gewesen, wo schnelles Laufen auf Distanzen von etwa fünf Kilometern trainiert wird. Das hat Spaß gemacht, war aber auch ganz schön anstrengend. Nach der Cross Country Saison habe ich meine Freizeit im Schulchor, in einer Schul-AG für verschiedene Kulturen und beim Volunteering verbracht. Durch das PPP war vorgegeben, 30 Stunden an freiwilliger Arbeit zu verrichten, doch ich hatte ein persönliches Ziel von mindestens 100 Stunden, da ich Ehrenamt für eine wichtige Sache halte. So habe ich mehrmals die Woche in einem Gebrauchtwarenladen mitgeholfen und auch meinen Gastvater in der Kirche unterstützt. Zu bestimmten Anlässen habe ich mich in einem botanischen Garten in der Nähe engagiert, wo ich auch einige gute Bekanntschaften geschlossen habe.

In der Freizeit die dann noch übrig blieb, habe ich Freunde getroffen, gelernt, meiner Gastfamilie geholfen, Musik gehört, Tagebuch geschrieben, für meine Gastfamilie gebacken, bin zum Einkaufen mitgegangen und habe kostenlose Konzerte besucht. Da meine Gastmutter auch ESL Professorin war, also Leute unterrichtet hat, die Englisch als Zweitsprache lernen, habe ich mich manchmal zu privaten Unterrichtsstunden dazu gesessen und dabei noch einiges über die korrekte Aussprache im Englischen gelernt.

 

Religion

An den Wochenenden ist meine Gastfamilie jeden Samstag in die Kirche gegangen. Denn sie waren wie der Großteil der Gemeinde Siebenten-Tags-Adventisten. Die STA sind eine protestantische Freikirche, die ich vor meinem Auslandsjahr noch nicht gekannt hatte. Deshalb bin ich an die Sache offen herangegangen, da ich ihre Religion verstehen wollte. Das hat mir dabei geholfen, auch in der Kirche Anschluss zu finden, einen speziellen Teil der amerikanischen Kultur zu erkunden und die Erwartungen meiner Gastfamilie zu erfüllen.

 

Reisen

Die Reisen, auf die ich gegangen bin waren tolle Höhepunkte meiner Auslandserfahrung. Mit meiner Gastfamilie bin ich mit dem Auto nach Austin, Texas, gefahren, um die Schwester meiner Gastmutter zu besuchen. Bei dieser etwa 2000 Kilometer langen Fahrt ist mir die Größe der Vereinigten Staaten noch einmal ganz eindrücklich bewusst geworden. Denn nach drei Tagen Fahrt waren wir immer noch im selben Land. Eine andere Reise, die ich gemacht habe, war ein Kurztrip mit YFU Michigan nach Mackinac Island. Es hat Spaß gemacht und war etwas Besonderes für mich, dort Zeit mit anderen Austauschschülern zu verbringen, da es an meiner High School neben mir nur noch eine Austauschschülerin aus Brasilien gab.

 

Das PPP und kulturelle Unterschiede

Außerdem bin ich im Rahmen des PPPs nach Washington D.C. gereist, um dort durch ein umfangreiches Programm mehr über die Politik der USA zu lernen. Es war eine großer Ehre für mich, mit Abgeordneten des US-Kongresses zu sprechen und mit 100 anderen deutschen PPP-Stipendiaten, die ich zum Teil schon von meiner Vorbereitungstagung in Deutschland kannte, den Obersten Gerichtshof zu sehen, das Kongressgebäude mit Repräsentantenhaus und Senat zu besuchen, bekannte Monumente zu bestaunen und an Lerneinheiten über Medien, Diplomatie und Leadership teilzunehmen. Neben dieser Civic Education Week in der US-Hauptstadt hat mich das Stipendium des PPPs auch in anderen Bereichen beeinflusst. Zum einen wurden wir dazu angehalten, während der International Education Week durch einen Vortrag oder einer Vorstellung anderer Art die deutsche Kultur direkt mit den Amerikanern zu teilen. Ich habe damals eine Präsentation in meiner Politikklasse gehalten, für die ich Brezeln mit Obatzda und Christstollen vorbereitet habe und in der ich unter anderem ein paar Unterschiede zwischen den USA und Deutschland herausgearbeitet habe. Dabei habe ich angemerkt, dass in den USA viele Dinge größer sind. Der Kühlschrank meiner Gastfamilie war beispielsweise viermal so groß wie der, den meine Familie in Deutschland besitzt.

 
Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, doch lassen sich 10 Monate nicht auf ein paar Seiten beschreiben. Deshalb will ich jeden dazu ermutigen, selbst das Abenteuer zu wagen ins Ausland zu gehen, um den Alltag der Menschen in einem anderen Land mitzuerleben. Es wird nicht immer einfach sein, aber das muss es auch nicht. In jedem Fall wirst man eine der erlebnisreichsten Zeiten in seinem Leben haben und über sich hinauswachsen. Es sind die Menschen in unserem Leben, die es so schön machen. Durch einen Auslandsaufenthalt kann man noch mehr dieser liebevollen Menschen kennenlernen. Es lohnt sich.

Angekommen im Lone Star State

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In der Kirche

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Das PPP feierte in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag

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Treffen mit einem Abgeordneten des US-Kongresses in Washington D.C.

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Volunteering im Botanischen Garten

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Antons Lieblingsort an Lake Michigan

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