Ein Jahr in einem anderen Land verbringen, ganz allein, ohne Familie. Mein ganz persönliches Abenteuer. Und was das für ein persönliches Abenteuer werden sollte, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Beginnen wir von vorne: Im Januar 2017 habe ich mich dazu entschlossen ins Ausland zu gehen und habe mich bei YFU beworben. Ein paar Wochen später, nach einem Auswahlverfahren, habe ich dann die Zusage bekommen und es war einfach ein unglaubliches Gefühl zu wissen, dass es wahr werden würde: ICH würde ins Ausland gehen! Was für eine Vorstellung. Ein Jahr in Ungarn. Ungarn ist nochmal ein ganz anderes Thema. Für mich war nämlich von Anfang an klar: Ich wollte etwas komplett Neues kennenlernen! Ein neues Land, das ich noch nicht aus Schulbüchern kannte, eine Kultur, die mir fremd war und eine neue Sprache, die ich noch nicht einmal gehört hatte. Das sollte mein „Auslandsabenteuer“ werden. Wobei ich eigentlich dachte, dass es im Prinzip nur mein ,,normales Leben“ sein würde, mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass ich es in Ungarn verbringen würde. Den ,,kleinen, feinen Unterschied“ durfte ich aber noch früh genug richtig kennenlernen.
Nach diversen Vorbereitungen stand der große Tag endlich bevor: Ich flog nach Ungarn und das mit acht weiteren Deutschen. Zusammen konnte das Abenteuer starten. Nach einem Arrival Camp wurden wir schließlich von unseren Gastfamilien abgeholt, was ein sehr aufregender Moment war. Zuvor hatte ich mir wenig Gedanken über Heimweh, Abschied oder die erste Zeit im Ausland gemacht. Ich startete mit der Motivation, dass sich schon alles ergeben würde. Und ich kann euch sagen, dass es auch so war.
Die ersten Wochen
Aber zuvor musste ich mich selbst erstmal zurechtfinden, in der neuen Stadt, mit der Gastfamilie. Denn es war alles so anders in Ungarn. Man kann es nicht anders beschreiben, aber dass eben alles ein Bisschen oder auch mehr als ein Bisschen anders war, ist eine der größten Herausforderungen für mich gewesen. Meine ersten drei Monate im Ausland sind nicht mit Worten zu beschreiben. Es war ein Auf und Ab. Ich habe gefühlt jeden Tag etwas Neues gesehen und erlebt, die Kultur kennengelernt und ich konnte abends nie schnell genug ins Bett finden, was damit zusammenhing, dass ich wirklich ziemlich müde war von den vielen Eindrücken. Ich hatte mir mein Leben in Ungarn tatsächlich anders vorgestellt. Ich konnte zum Beispiel nicht verstehen, warum meine Gastfamilie oder Klassenkameraden zu Situation XY so oder so dachten, warum man unbedingt gefühlt jeden Feiertag und jedes geschichtliche Ereignis so groß feiern musste, warum es kein richtiges Brot gab, aber teilweise Schuluniform und, und, und. Außerdem erschien es mir so unbegreiflich, warum man MICH nicht verstehen konnte. In Aussagen, die ich traf, darin, dass ich nicht immer alles aufessen konnte, weil die ungarischen Mahlzeiten einfach zu viel waren, und auch sprachlich nicht. Denn ich ,,wusste es ja besser.“ Der kleine Unterschied, von dem ich gesprochen habe, ist gar nicht so klein, sondern birgt immer wieder neue Situationen, an die man vorher gar nicht denken kann, weil man dazu in dieser Situation sein muss. Wie gesagt, es war ein Auf und Ab, aber zusammen mit einer anderen Austauschschülerin konnte ich mich über die ,,ach so schlimmen Dinge und Verhaltensweisen“ unterhalten und schon wirkten sie nicht mehr so furchtbar. Denn das sind sie wirklich nicht, wenn man versucht zu verstehen und offen zu sein und manche Dinge nicht zu schwernimmt. Das habe ich getan.
Ungarn verstehen
Mit der Zeit begann ich die Menschen zu verstehen und ich lernte die Geschichte Ungarns kennen, die eine große Bedeutung für die Ungarn hat, und auch das hat mir geholfen nachzuvollziehen, wie die Menschen dort denken und vor allem auch warum. Die Frage nach dem „Warum“ ist ganz entscheidend, finde ich. Denn ich habe unter anderem gelernt, dass sie vieles erleichtern kann.
Im Verlauf meines ersten Schulhalbjahres in Ungarn wurde ich nach und nach sicherer. Ich lernte die Sprache auch mithilfe meiner neuen Freunde, ich lebte mich ein und begann Aktivitäten außerhalb der Schule. Die Sprache zu lernen und mich damit Stück für Stück zu integrieren ist hilfreich gewesen, um ein Teil der Gemeinschaft zu werden. Ich erinnert mich an einen Moment, als mich eine Klassenkameradin ansprach und meinte: „Ich sehe, dass du dir so viel Mühe gibst mit dem Erlernen der Sprache und deshalb werde ich nur noch ungarisch sprechen, damit du das bald richtig gut kannst.“ Womöglich mag das ein einfacher Satz sein, aber mich hat es sehr gefreut, dies zu hören. Ich fühlte mich wohler und wohler. Ich genoss es, eine Austauschschülerin in Ungarn zu sein, wobei ich dazu sagen möchte, dass die Ungarn es einem wirklich leicht machen können, lernt man sie erstmal kennen und verstehen. Dann erkennt man auch die Herzlichkeit und Gastfreundschaft des Landes.
Weihnachten
Die Monate schritten voran und die ungarische Weihnachtszeit stand bevor. Es war eine sehr gemütliche Zeit. Backen, kochen und viel Zeit mit Freunden und Familie verbringen. Um ehrlich zu sein, habe ich mir an Weihnachten erst gewünscht, dass ich das Fest mit meiner eigenen Familie verbringen könnte, aber meine Mama hat mich in Form einer lieben Weihnachtskarte, die mit einem großen Weihnachtspaket nach Ungarn gekommen ist, darauf hingewiesen, dass ich dieses Jahr die einmalige Chance hatte, das Weihnachtsfest in einem anderen Land zu erleben. Das hat mir den Anlass gegeben diesen Abend einfach nur zu genießen und mich an den schönen Dingen zu erfreuen. Denn es wurde zusammen mit meiner Gastfamilie ein wunderschöner Abend. Wir haben uns alle herausgeputzt und dann sehr lange vor dem Tannenbaum gesessen, Geschenke ausgepackt, uns unterhalten und später haben wir dann das Weihnachtsessen genossen. Traditionell gibt es in Ungarn zu Weihnachten Fischsuppe und ein Fischgericht mit diversen Beilagen.
,,Sich an den schönen Dingen erfreuen“...
... für mich ist das auch im weiteren Verlauf meines Auslandsjahrs ein ganz wichtiger Satz geworden, denn natürlich gibt es auch mal ,,andere Tage“, an denen irgendwas nicht stimmt. Auch ich hatte diese Tage, aber sie sind definitiv kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken. Vielmehr kann man sich etwas Schönes, Positives suchen, sich daran erfreuen und schon sieht die Welt ganz anders aus. Es gibt nämlich keine Probleme, sondern nur Herausforderungen. Und man kann daran wachsen, sich entwickeln. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit sowie Erfahrungen und Erlebnisse sind für mich weitere wichtige Aspekte meines Auslandsjahres. Menschen entwickeln sich immer, jeden Tag, es geschieht quasi nebenbei und das ist meiner Meinung nach auch im Auslandsjahr so. Im Verlauf des Jahres hatte ich nie den Gedanken: ,,Wow, jetzt habe ich etwas Entscheidendes gelernt und eine unglaubliche Erkenntnis erhalten“ oder Ähnliches. Erst zu diesem Zeitpunkt, zu dem ich in zwei Tagen zurück nach Deutschland fliege, zu dem Zeitpunkt, zu dem ich anlässlich durch diesen Bericht mein Auslandsjahr Revue passieren lasse, fällt mir auf, wie sehr ich mich doch in der einen oder anderen Sache positiv verändert habe, und ich denke an Situationen, in denen ich anders reagieren würde als vor Beginn meines Auslandsjahres.
Ein aufregendes Jahr
Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich ein unglaublich tolles und aufregendes Jahr in Ungarn hatte. Ich möchte keinen Moment missen und ich bin einfach dankbar für alles, was ich erlebt habe. Ich hatte so viel Spaß mit meinen ungarischen Freunden, zum Beispiel auch bei den verschieden Festlichkeiten. Und auch mit den anderen Austauschschülern, indem wir zusammen die ungarische Kultur erlebt haben.
Wodurch zeichnet sich ein Auslandsjahr aus?
Diese Frage habe ich mir selbst ziemlich oft gestellt. Weniger vor Beginn meines Auslandsjahres, dafür aber viel zwischendurch, bei den Seminaren mit den anderen Austauschschülern/innen, die wir hatten und jetzt, gegen Ende meines Auslandsjahres. Und nun kenne ich die Antwort, oder ich meine, sie zu kennen, denn jeder Mensch kann sich seine eigene Meinung dazu bilden. Meiner Meinung nach zeichnet sich ein Auslandsjahr durch die Person aus, die es erlebt. Jeder kann sein Auslandsjahr selbst gestalten und sich an seiner ganz persönlichen Auslandserfahrung erfreuen. Jeder Mensch und überhaupt alles auf der Welt ist individuell und so ist es auch mit dem eigenen Auslandsjahr. Jeder Austauschschüler und jede Austauschschülerin könnte womöglich viele Seiten füllen über das, was er oder sie erlebt hat, aber der Schlüssel dafür, einen guten Eindruck zu bekommen, wie es ist, im Ausland als Schüler/in zu leben, ist der, dass man es selbst einfach mal ausprobieren muss.