Gulasch, Paprika, Puszta, Budapest... das sind so die ersten Sachen, an die man denkt wenn man „Ungarn" hört. Dass aber „Gulasch" (Gulyas) eigentlich ganz anders aussieht, man auch nicht mehr Paprika ist als sonstwo, die Puszta eigentlich „Alföld" heißt und man Budapest mit „sch" spricht, das wissen dabei die Wenigsten. Ja, eigentlich sagt einem Ungarn wenig...
Um ehrlich zu sein, ich wusste vorher auch nicht mehr, eigentlich gar nichts über dieses Land. Nichts, außer dass die Ungarische Sprache eben nicht nur „irgend so eine Ostsprache" ist (wie es mein Bruder so schön formulierte), sondern eine vollkommen andere Sprache, mit anderer Grammatik, anderen Wörtern und dass ich sie lernen will. Und auch wenn diese Entscheidung sehr spontan war, hat sie sich im vollsten Maße gelohnt!
Über Ungarn
Ungarn (oder wie es die Ungarn nennen: „Magyarország") ist ein wunderbares Land. Die Menschen sind sehr nett, höflich, herzlich und gastfreundlich und können es kaum glauben, dass man ihre Sprache lernen will. Sobald man auch nur einen ungarischen Satz so halbwegs richtig über die Lippen bringt wird man sofort mit Komplimenten überhäuft, wie fließend und akzentfrei man ja denn schon Ungarisch könne. Man lernt es aber mit der freundlichen Hilfe der Ungarn dann doch relativ schnell. Es ist zwar grundverschieden zu anderen europäischen Sprachen, aber wunderbar regelmäßig und logisch.
Aber zurück zu den Ungarn selbst. Sie sind ein wirklich ausländerfreundliches und gastfreundliches Volk. Ich habe nun in drei Monate noch nicht ein schlechtes Wort über Deutschland gehört oder auch nur die kleinste Bemerkung in diese Richtung. Des Weiteren sind sie offen und haben einen großen Bezug zu Kunst und Kultur, was ich wirklich sehr schätze. Ein Klischee über sie gibt es allerdings, dass wirklich stimmt: Man ist viel und gern. Aber es schmeckt einfach zu gut! Jede Gastmutter versucht einen auch am Anfang mit ihren Kochkünsten für sich zu gewinnen, was auch immer gelingt.
Es sind nun drei Monate, dass ich hier bin. Ich fühle mich bereits sehr heimisch hier und kannte bis vor wenigen Tagen nicht einmal das ungarische Wort für Heimweh, ganz einfach weil ich es in der Mitte dieser wunderbaren Menschen nicht brauche. Die Zeit scheint auch viel zu schnell zu vergehen...
Warum viele Ungarn schwäbische Wurzeln haben
Meine Gastfamilie hat wie viele Ungarn in der Umgebung von Budapest schwäbische Wurzeln. Das hört sich am Anfang erst einmal seltsam an. Man kommt nach Ungarn und die ersten Ungarn, die man trifft sind Schwaben. Allerdings ist das so nicht ganz richtig, denn es sind echte Ungarn und mit Ausnahme meines Gastvaters spricht keiner Deutsch bzw. Schwäbisch. Warum sie aber diesen Ursprung haben, das liegt ganz einfach daran, dass unter Kaiserin Maria Theresia viele Schwaben nach Ungarn umgesiedelt wurden.
Lustig ist es dennoch, wenn ich zum Beispiel mit meiner Gastoma in einer Art „Süddeutsch" rede – sie auf Schwäbisch, ich auf Bairisch. Überhaupt sind die Ungarn sehr angetan von meinem Bairisch und finden es komsich, dass man aus dem „Oktoberfestland" kommt und keinen Alkohol trinkt. Aber man stößt dann auch gerne mit Kaffee oder Tee an und lacht zusammen.
Schule ...
In der Schule versteht man am Anfang nichts, danach nur Bahnhof und dann vielleicht worum es so ungefähr geht. Man darf sich aber dabei nur nicht entmutigen lassen und kann auf die Hilfe des Banknachbars zählen.
Und auch wenn in der ersten Zeit die anderen Austauschschüler die besten Freunde sind, findet man doch auch schnell in der Klasse Anschluss.
Da sich hier in Ungarn die zweite Fremdsprache, die jeder lernt, nach lokalen Minderheiten richtet, wird hier an vielen Schulen Deutsch unterrichtet, was natürlich für mich ganz witzig ist. Ich helfe meiner Lehrerin auch gern, freiwillig und sie freut sich sehr darüber einen Muttersprachler im Unterricht zu haben. Der Ungarisch-Unterricht ist sehr anders als der entsprechende Deutsch-Unterricht, den ich ihn aus Deutschland kenne. Man nimmt hier sehr viel Literatur durch und statt Aufsätze zu schreiben lernt man Gedichte.
Tests muss ich zwar grundsätzlich nicht mitschreiben, aber soweit ich kann versuche ich es einfach. Letzens durfte ich zum Beispiel schon einmal eine Power-Point-Präsentation über den ungarischen Nationaldichter Petőfi Sándor halten - auf Ungarisch.
... und Freizeit
Ungarn ist ein Land mit sehr viel Kultur und gerade in der Musik, die mir ja sehr wichtig ist, zeigt sich das deutlich. Vielen hier liegt sie förmlich im Blut und es macht viel Spaß mit solchen Leuten zu musizieren.
Einige Wochen nach meiner Ankunft hat mich meine Gastmutter einmal mit in die Chorprobe genommen und seit dem bin ich Mitglied des Chors und singe Bass. Ein wunderbares Gefühl! In meinem Dorf in Deutschland fehlt seit langem ein richtiger Chor und die Leute sind trotz allem nicht zum Singen zu motivieren.
Budapest, das nur wenige Kilometer entfernt ist, ist eine wunderschöne Stadt, vor allem bei Nacht, wenn sich die tausend Lichter der Stadt in der ruhigen Donau spiegeln. Es ist ein wunderbarer Ort um das Wochenende zu gestalten: Ob Kino mit Freunden, Konzerte oder Theater mit der Gastmutter, Schlittschulaufen mit der Gastschwester oder einfach nur ein Bummel durch die schöne Altstadt mit ein paar Austauschschülern: Einfach csodálatos – wunderbar.
Bayer, Deutscher oder Ungar?
Andererseits lernt man aber nicht nur die Kultur des Gastlandes kennen, sonder auch die eigene. Es ist eine sehr interessante Erfahrung... Ich konnte lange die Frage „Was bist du denn jetzt? Bayer oder Deutscher?" nicht wirklich eindeutig beantworten. Jetzt ist aber klar: beides! Ich muss aber auch gestehen, dass ich mich doch schon sehr mit Ungarn identifiziere! Als ich einmal mit einem deutschen Freund via Internet geschrieben habe, habe ich einen etwas längeren Satz auf Ungarisch geschrieben, was er natürlich nicht verstand und ich deswegen auch ganz witzig fand. In seiner Antwort meinte er, er würde es ignorieren, wenn ich noch einmal Ungarisch schreibe... Eigentlich ein unbedeutender Satz, völlig harmlos, ja, sogar verständlich. In diesem Moment aber, fühlte ich mich zu tiefst getroffen, nicht weil es gegen mich, sondern gegen die ungarische Sprache gerichtet war. Von da an wusste ich, dass ich mich bereits tief im Inneren zu einem gewissen Teil „ungarisch" fühle. Natürlich haben wir uns sofort wieder vertragen, aber es war trotzdem eine interessante Begebenheit.
Alles in allem: Ungarn ist ein Land von dem man vielleicht nicht allzu viel erwartet, aber hinter dessen Namen sich viel Schönes und Erlebenswertes verbirgt. Man fühlt sich schnell wohl in der warmherzigen Umgebung, der unwiderstehlichen Küche, dem Klang des so komischen und doch so angenehmen Ungarisch und auch einfach nur im ganz normalen ungarischem Alltag!