„Südafrika!“ Bis vor zehn Monaten wusste ich nur, dass dort mal eine Fußballweltmeisterschaft stattfand. Mittlerweile weiß ich, dass dieses Land so unglaublich mehr zu bieten hat als ein paar Fußballstadien. Südafrika besitzt eine atemberaubende Vielfalt an Tieren, die man in der wunderschönen, unberührten Natur finden kann. Mein persönliches Highlight waren die wunderschönen Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, die man fast täglich bewundern konnte. Und die Menschen, die dort leben, haben eine große Gelassenheit und legen sehr viel Wert auf Freundlichkeit. Wenn man jemanden auf der Straße trifft, wird zumindest gefragt, wie es einem denn geht, und wenn man mehr Zeit hat, tauscht man sich auch noch über alles Mögliche andere aus. Südafrika hat elf verschiedene Amtssprachen und mindestens genauso viele verschiedene Kulturen. Trotz der großen kulturellen Unterschiede ist das Zusammenleben harmonisch und man respektiert einander, ganz gleich welcher Religion oder Sprache.
Goeie dag! My naam is Tobias en ek was vir tien maande in Suid Afrika. (Guten Tag! Mein Name ist Tobias und ich habe zehn Monate in Südafrika verbracht). In diesem Bericht möchte ich euch etwas über meine Erlebnisse und Erfahrungen erzählen. Unter anderem von der südafrikanischen Küche (für Südafrikaner das Wichtigste) und der Schule (ob man es glaubt oder nicht, aber die Schule dort hat mir echt unglaublich viel Spaß gemacht) und natürlich über mein alltägliches Leben mit meiner (Gast)Familie.
Die Küche in Südafrika – Nichts für Vegetarier
Die südafrikanische Küche ist definitiv sehr fleischhaltig. Das macht gar keinen Unterschied in welcher Kultur man sich befindet. Die Südafrikaner lieben es, Fleisch zu grillen. Sie lieben es sogar so sehr, dass sie einen eigenen Namen fürs Grillen eingeführt haben. Wehe es benutzt jemand das englische Wort „Barbeque“. Das wird gar nicht gerne gehört. In Südafrika benutzt man das Afrikaans-Wort „Braai“. Allerdings nicht nur bei den Afrikaanern sondern generell in jeder Kultur. Wenn man dann mal eine Party schmeißt, ist sofort klar, was es zu Essen geben wird. Die Südafrikaner grillen jeden möglichen Tag im Jahr und es macht überhaupt keinen Unterschied ob es mitten im Winter ist oder 40 Grad im Schatten hat. Solange man das Feuer anzünden kann, wird ge„braai“t.
Aber nur Fleisch zu essen wäre dann doch ein bisschen zu viel und deshalb gibt es meistens noch Pap met Sous (Maisbrei mit Soße) dazu. Man kann diesen Brei in jedem Supermarkt kaufen und das Beste davon ist, dass es sehr günstig ist. Jeder in Südafrika kann sich das Pulver, das man mit Wasser zu einem Brei kocht, leisten. Und es ist sehr vielseitig: zum Frühstück gibt es den Brei aufgewärmt mit Zucker und Milch oder Butter, zum Mittagessen und Abendessen gibt es meistens „Pap“ mit einer (Tomaten-) Soße und Fleisch. Das ganze muss es nicht zwingend jeden Tag geben, aber vor allem zum Frühstück und zum Braai ist es doch sehr beliebt.
Ein sehr beliebter Snack für zwischendurch ist Biltong. Natürlich ist es wieder etwas mit Fleisch, aber diesmal nicht gekocht oder gebraait sondern nur getrocknet und stark gewürzt. Da es roh ist, hat es mich ein bisschen Überwindung gekostet, es zu probieren, aber das war es zu hundert Prozent wert. Es schmeckt sehr gut, und man kann es immer zwischendurch essen.
Aber was für Spezialitäten gibt es denn noch neben Fleisch in Südafrika? Sehr viele! Zum Beispiel gibt es „Milchkuchen“ und „Malva Pudding“. Beides eine sehr beliebte Nachspeise bei den Südafrikanern. Milchkuchen wird aus einem Knetteig gemacht, worauf verdickte Milch gegeben wird. Meistens wird er auch zusammen mit Zimt und Eis gegessen. Malva Pudding wird im Gegensatz zu Milchkuchen warm gegessen und besteht aus Aprikosenmarmelade, Zucker und Milch, meistens serviert mit Vanilleeis (eine reine Kalorienbombe, aber sehr lecker!).
Meine Freunde und meine Familie – weit mehr als nur eine Gastfamilie
Die Ankunft am Flughafen war ein Erlebnis für sich. Ich war super aufgeregt, meine Gastfamilie endlich kennenzulernen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur über WhatsApp Kontakt gehabt. Ich machte mir viele Gedanken, was ich denn sagen und wie ich sie alle begrüßen sollte, was sich aber im Nachhinein als unnötig herausstellte. Es ging alles so schnell, und meine nächste Erinnerung ist die von der Autofahrt nach Hause. Wir kamen wie von selbst ins Gespräch und nur wenige Stunden nach der Landung war mir klar, dass wir sehr gut miteinander auskommen würden. Meine Gasteltern und -geschwister nahmen mich auf wie einen Teil der Familie und nicht wie einen Gast, was mir das Einleben sehr viel einfacher machte. Nach einigen Wochen fühlte sich das Leben in meiner Gastfamilie bereits ganz normal an. Frühstück und Mittagessen musste unter der Woche jeder für sich selbst machen, während am Abend abwechselnd jeder mal dran war, das Abendessen zu kochen. Nach dem Abendessen haben wir uns meistens noch irgendwelche Filme oder Serien angeschaut (alles auf Englisch, denn es gibt sehr wenige Filme auf Afrikaans) und uns dabei unterhalten.
An den Wochenenden sind wir oft mit der Familie zu den Großeltern gefahren. Da es in Südafrika nur vier Mal im Jahr Ferien gibt, sind wir jede Ferien weggefahren. Wir haben dabei mal in den Bergen, mal am Meer und mal im Krüger Nationalpark Urlaub gemacht. Dadurch habe ich sehr viel gesehen, was dieses wunderschöne Land zu bieten hat.
Zuerst hatte ich große Sorge, keine Freunde zu finden, aber es stellte sich heraus, dass auch das kein sonderlich großes Problem war. Die Südafrikaner sind eine Nation voller Höflichkeit und niemand wird alleine gelassen. An den ersten Tagen hat mich immer jemand aus meiner Klasse mitgenommen, und wenn ich mal irgendwo alleine gestanden bin, haben mich andere Schüler dazu aufgefordert, doch mit ihnen mitzukommen. Auch die Neugierde war sehr groß und ich wurde regelmäßig mit Fragen über Deutschland bombardiert. Am meisten wurde ich über Autos gefragt, wovon ich leider überhaupt keine Ahnung habe und deshalb immer nur zustimmend nicken konnte. Nachdem ich nach ca. 5 Monaten keine Probleme mehr hatte, Afrikaans zu verstehen und zu sprechen, habe ich einen guten Freundeskreis gefunden, mit dem ich viel unternommen habe.
Waterkloof – meine Schule
Die Schule in Südafrika hat einen komplett andere Stellenwert als in Deutschland. Jede Schule hat eine eigene Schuluniform, und da die meisten Schulen sehr traditionell und sehr alt sind, sehen die meisten Uniformen etwas altmodisch aus. Für die Jungs gibt es ein Hemd mit Krawatte, ein Jackett und eine kurze Hose mit hochgezogenen Strümpfen und Lackschuhen. Im Winter dasselbe in lang. Die Mädchen tragen statt der kurzen Hose einen Rock, auch im Winter (dann ist auch eine Strumpfhose erlaubt). Die ganze Uniform wird natürlich in den Farben des Schulwappens designt. In meinem Fall hieß das Blau, Gelb und Weiß. Die Uniform wird respektiert und mit Stolz getragen, und außerhalb des Schulgebäudes repräsentiert man damit seine Schule.
Ein anderer Unterschied zu deutschen Schulen sind die morgendlichen Versammlungen. Hier beschreibe ich jetzt eine Woche an meiner Schule, an anderen Schulen kann das variieren. Montags und Freitags versammelt sich die gesamte Schule in der Aula und es werden anstehende Ereignisse bekanntgegeben sowie gebetet (die Südafrikaner sind eine sehr gläubige Nation) und die Nationalhymne und Schulhymne gesungen (ja, hier hat jede Schule ihre eigene Hymne). Außerdem werden sportliche, akademische oder kulturelle Erfolge bei Wettbewerben geehrt und abwesende Lehrer genannt sowie auch Lehrer, die Geburtstag haben. Am Mittwoch versammelt sich jede Jahrgangsstufe für sich. Dann werden Regelungen, die vor allem die Jahrgangsstufe angehen, durchgegeben. Am Dienstag und am Donnerstag geht es immer sofort in die „Grundklassen“, wo geschaut wird, ob jeder da ist, und wo die Tests geschrieben werden. Danach wird über die Lautsprecher begrüßt, gebetet und die Regelungen für den Tag durchgegeben. Wenn dann das ganze Prozedere vorbei ist, dann beginnt erst der eigentliche Unterricht.
In jeder Klassenstufe hat man gewisse Grundfächer, zum Beispiel Mathe, Englisch, und eine Muttersprache (in meiner Schule Afrikaans), und dann kann man aber auch noch andere Fächer wählen. Diese Wahlfächer sind von Schule zu Schule unterschiedlich. An meiner Schule konnte man unter anderem Kochen, Chemie, Theater, Geschichte, Architektur, Kunst und Tourismus wählen. Da jeder Schüler etwas anderes wählt, kann man nicht in festen Klassen unterrichten. Deswegen ist man in wirklich jedem Fach mit anderen Leuten zusammen, was wirklich cool ist, denn dadurch kann man viele neue Leute kennenlernen. Und weil in meiner Klassenstufe mehr als 400 Schüler waren, hatte ich die Chance, mit sehr vielen unterschiedlichen Mitschülern zusammenzusein. Die Schule endete jeden Tag um 14:00 Uhr und es gab jeden Tag sieben Schulstunden und eine Pause. Die Länge der Schulstunden und der Pausen hing davon ab, wie lange die morgendliche Routine gedauert hat. Das führt dazu, dass die Dauer der Stunden zwischen 20 und 47 Minuten variieren kann. Je nachdem konnte viel neuer Stoff durchgenommen oder eben auch nicht.
Wenn die Schule dann um 14:00 Uhr aus war, hieß das nicht, dass dein Schultag beendet sein musste. Jede Schule hat ihr eigenes Angebot und „Hoërskool Waterkloof“ (meine Schule, die wörtlich übersetzt „Hochschule Wasserklippe“ heißt) hatte ein sehr großes Angebot in Kultur, Sport, und Nachhilfe. Es gab ein sehr gutes Orchester, welches über die letzten Jahre hin immer wieder den Nationalen Schulorchester Wettbewerb gewonnen hatte. Dazu gab es auch noch einen großen Chor und eine A-Capella-Gruppe. Sehr beliebt war das große Sportangebot an der Schule. Man konnte unter anderem Rugby, Kricket, Hockey, Schwimmen, Leichtathletik, Tennis, Golf, Mountainbiken oder Netzball trainieren. Während der Hauptsaison treten die Schulteams gegen andere Schulen an. Außerdem gab es nach der Schule auch noch Nachhilfeunterricht, der kostenlos von den Lehrern angeboten wurde.
Eine sehr außergewöhnliches Ereignis, von dem ich noch erzählen will, war der Schulgeburtstag. An diesem Tag war natürlich keine Schule und alle haben sich zu Beginn des Schultages auf dem Pausenhof getroffen. Dort gab es dann eine Riesenparty. Die Oberstufe hatte sich eine Art Parade ausgedacht, die vorgeführt wurde. Danach ging es zu den Rugbyfeldern, auf denen dann ein Tretauto-Rennen durch Sand und Matsch veranstaltet wurde. Danach durften wir früher als sonst nach Hause gehen, um später am Nachmittag zur Schule zurückzukommen, wo dann ein Live-Konzert einer sehr berühmten afrikaanischen Band stattfand. Direkt daneben war ein kleiner Rummelplatz mit einigen Fahrgeschäften aufgebaut. Und das alles auf dem Schulgelände! Einen so gefeierten Schulgeburtstag hatte ich davor noch nie gesehen.
Alle diese „außerschulischen“ Aktivitäten, die aber in der Schule stattfinden, verbessern die Schulgemeinschaft sehr stark, und man fühlt sich wie in einer sehr großen Familie (mit 1800 Geschwistern).
Zum Schluss wollte ich darauf hinweisen, dass ich ein Auslandsjahr nur jedem weiterempfehlen kann, weil es dir so viele neue Erfahrungen schenken wird und man davon nur profitieren kann. Es macht gar keinen Unterschied für welches Land man sich am Ende entscheidet, weil es ja doch in jeder einzelnen Familie ein total anderes Erlebnis sein wird. Ich persönlich kann aber Südafrika jedem einzelnen nur ans Herz legen und hoffe, dass es am Ende eine genauso unvergessliche Erfahrung sein wird wie bei mir.