Was willst du denn in Rumänien? Welche Sprache spricht man denn da, Russisch? Und überhaupt, warum gehst du nicht nach Amerika? Das waren die Fragen, die ich nicht nur ein paar Mal gehört habe, bevor das Abenteuer losging. Ich finde es immer noch spannend, ein Land kennenzulernen, welches so nah an Deutschland dran ist, und worüber man doch trotzdem so wenig weiß.
Der allererste Eindruck, den ich von Rumänien hatte, war „hier liegt überall Geld auf dem Boden“. Noch bevor ich am Flughafen auf meine Ankunftsfamilie traf, habe ich mehrere Geldstücke auf dem Boden gefunden. Ich lernte dann aber gleich beim ersten Einkauf, dass das daran liegt, dass die kleinsten Münzen einfach so wenig wert sind, dass fast keiner sie aufhebt. 1 bani entspricht ungefähr einem Viertel Cent.
An meinem zweiten Tag haben wir eine kleine Fahrradtour durch den Park in Bukarest gemacht. Mir ist aufgefallen: „Die Frauen gehen ja hier in High Heels spazieren!“ Das hat mich schon ziemlich erstaunt, und ist auf einen der vielen kulturellen Unterschiede zurückzuführen. Denn Rumänen sind schön. Das heißt, sie kümmern sich sehr um das Aussehen in der Öffentlichkeit. Es kommt sehr selten vor, dass jemand das Haus verlässt, ohne sich ordentlich gekleidet zu haben und nur wenige Frauen sind ungeschminkt.
Kulturelle Unterschiede im Land
Erstaunlich für mich war auch, dass auch einige Rumänen sich wunderten, was denn ein deutsches Mädchen in Rumänien macht. Warum komme ich ausgerechnet hier her? Fast jeder zweite erzählte mir beim Kennenlernen, er hätte Verwandtschaft oder Freunde in Deutschland oder hätte selbst schon einmal dort gelebt. Einmal erzählte mir ein Mädchen, das in der Schule neben mir saß, dass ihre Mutter vor einer Woche nach Deutschland gegangen ist, um dort als Köchin zu arbeiten. Das war ein komisches Gefühl für mich, zu wissen, dass Familien getrennt sind, um in meiner Heimat Geld zu verdienen.
Ich hatte die Möglichkeit, mehrere Teile Rumäniens kennenzulernen und habe gemerkt, dass es auch innerhalb des Landes teilweise größere kulturelle Unterschiede gibt. Und dass sich auch die Mentalität der Leute verändert, je nach Teil des Landes. Die vermutlich größten Differenzen entstehen durch die ungarische Minderheit, die in Rumänien lebt. Fast vier Monate lebte ich in einer Stadt mit ca. 80% ungarischer Bevölkerung. Ich besuchte die einzige rumänische Schule und auch meine Gastfamilie war ungarisch. Ein paar Freunde aus meiner Klasse meinten, sie erkennen welche Leute Ungaren und welche Rumänen sind. Es war für mich ein Rätsel. Aber mittlerweile erkenne auch ich es größtenteils.
Überhaupt finde ich es toll, wie gut ich als Austauschschülerin erlebe, welche Fortschritte ich mache. Natürlich die Sprache, aber auch die Anpassung ist ja nicht nach drei Monaten beendet. Noch jetzt, im letzten Monat fallen mir manchmal Unterschiede zu Deutschland auf, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Und vielleicht auch nicht auf den zweiten oder dritten Blick.
Gastfreundschaft, Essen und Familie
Meine Gastmutter hat schon zwei Wochen, nachdem ich gekommen bin gesagt, sie wird weinen, wenn ich gehen muss. Jetzt, wo es nicht mehr lang ist, höre ich fast jeden Tag, ob ich denn nicht noch etwas bleiben kann. Genau das ist es, was mir hier so sehr gefällt. Die Gastfreundschaft. Die Leute sind sehr warmherzig. Wenn man irgendwo zu Besuch kommt, kann man fast nicht aufhören zu essen, weil man von den Gastgebern so sehr bekocht wird.
Das Essen ist gut. Da kann man sich gut daran gewöhnen. Zum Beispiel ist Sarmale ein supertypisches Gericht, welches es traditionell zu Weihnachten, Silvester, Ostern und anderen Feierlichkeiten gibt. Auch wenn die große Tochter vom Studium in einer anderen Stadt am Wochenende nach Hause kommt. Sarmale sind kleine Röllchen – Reis, Gemüse und Fleisch eingewickelt in eingelegten Kohlblättern.
Familie in Rumänien wird als wichtiger angesehen als in Deutschland. Die Kinder wohnen oft länger daheim, auch nach der Schule. Sie gelten auch noch als Kinder. Während sich in Deutschland die Verwandtschaft darauf freut, dass man jetzt ganz erwachsen aus dem Ausland wieder kommt, wird hier darauf geachtet, dass ich mich ja nicht zu viel anstrenge, ich bin doch noch ein Kind. Arbeiten kann ich noch mein ganzes Leben lang. Aber jetzt darf man erstmal noch Kind sein.
Helfen tue ich natürlich trotzdem in der Familie. Zu Beginn des Jahres habe ich auch Sport gemacht in meiner Freizeit - zwei Mal die Woche mit meiner Gastmutter und meiner Gastschwester. Das war eine gute Möglichkeit, etwas gemeinsam zu unternehmen, auch wenn die Mutter sonst viel arbeiten muss. Jetzt helfe ich viel in einem kleinen Hotel, welches meinem Vater gehört, und alle sind traurig, dass meine Heimreise kurz bevorsteht.