Paraguay. Das Herz von Südamerika. Das Land mit der roten Erde und den anscheinend glücklichsten Menschen der Welt. Und mittendrin ich. Und ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, dass ich in Deutschland am Flughafen stand. Eigentlich völlig ahnungslos wohin die Reise gehen würde. Nach gefühlten hundert Stunden Flug, sah ich dann meine neue Heimat: Asuncion -- die größte Stadt und gleichzeitig Hauptstadt von Paraguay. Durch die Wolken sah es aber alles ziemlich ländlich aus. Und dann ist der Flieger gelandet, ich musste mein Gepäck abholen und schon sah ich meine Gastfamilie mit einem riesigen „Bienvenida Maja“-Plakat in den Händen.
Ich wurde direkt in die Arme geschlossen und fühlte mich von Anfang an als Teil meiner neuen Familie. Nur diese Sprache, die mir so wahnsinnig schnell und unverständlich vorkam, machte mir den Anfang schwerer als gedacht. Jede Frage wurde entweder mit einem „Si“, „No“ oder einfach nur mit einem verunsicherten Lächeln beantwortet. Die ersten zwei Wochen hatte ich mit weiteren Austauschschülern einen Sprach- und Kulturkurs. Wir haben typisches Essen probiert, haben uns die Stadt zusammen angeguckt und konnten uns einfach über all diese neuen Dinge austauschen. Zum Beispiel wie schrecklich doch der Verkehr wäre und das überall extra Zucker dazu gegeben wird.
Nach diesen zwei Wochen ging die Schule los. Und ich war so aufgeregt wie noch nie zuvor in meinem Leben, als ich mit meiner Uniform meine neue Schule betrat. So viele neue Menschen, die mich mit Fragen durchwühlten und mit mir reden wollten. Und ich war glücklich, aber kam täglich todmüde von der Schule heim, da ich einfach täglich von neuen Eindrücken „überrollt“ wurde. Doch umso größer war die Freude über jedes neu gelernte Wort, über jede Unterhaltung, die man auf Spanisch führen konnte, und zu sehen, wie man immer mehr Teil der Schule, der Gastfamilie und des Landes wird.
Ich lernte schnell immer mehr über die Kultur, das Leben in Paraguay und über die Menschen. Und wenn ich eines besonders lernte, dann, dass die Paraguayer feiern. Und zwar gerne , laut und groß. Während meines Jahres ging ich auf einige 15. Geburtstage. Hört sich erstmal unspektakulär an, aber glaubt mir, ist es nicht! Man feiert den 15. Geburtstag eines Mädchens hier seeeeehr groß. Da man sagt, das Mädchen wird mit fünfzehn Jahren zur Frau. Und es ist wirklich beeindruckend, wie viel für diesen einen Tag gemacht wird. Das weiße Kleid für das Geburtstagskind und eine Riesen-Torte sind Standard.
Später im Jahr kam dann Weihnachten und Silvester. Und ich kam bei 40 Grad Hitze überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung. Dieses Weihnachten war einfach so eine andere Erfahrung. Viel lebensfroher. Es wurde gegrillt, viel getanzt und um 12 Uhr gab es ein Feuerwerk. Dank der ganzen guten Stimmung hatte ich zum Glück kaum Zeit, an Zuhause zu denken und bekam kaum Heimweh. Und auch Silvester war ein besonderer Tag: Ich war mit meiner Gastfamilie im Urlaub in Brasilien. Das erste Mal Silvester am Strand. Aber nicht nur die Umgebung war komplett anders. Für mich bedeutete Silvester immer nicht viel mehr als Raclette essen und ein großes Feuerwerk. Doch dieses Jahr war wirklich alles anders. Es wurde mal wieder gegrillt, jeder trug weiße Klamotten und farbige Unterwäsche, je nachdem was man sich für das neue Jahr erwünscht. Wie zum Beispiel Rot für Leidenschaft, Rosa für Liebe oder Gelb für Reichtum. Außerdem wurden um Mitternacht zwölf Trauben gegessen. Zwölf Trauben für zwölf Wünsche. Und nach zwölf Uhr ging alles erst los: Ein gigantisches Feuerwerk, laute Reaggeton-Musik und es wurde bis morgens getanzt.
Im Januar ging dann der wahre Sommer los. Die Temperaturen gingen häufig über die 40 Grad hinaus. Und ich merkte wie ich immer mehr zur Paraguayerin wurde, die Hitze gut vertragen konnte und wie ich IMMER und ÜBERALL meinen Terere mitgenommen habe. Jeder der Paraguay besucht, wird merken, dass bei der Hitze jeder irgendein kaltes Getränk mit Kräutern trinkt. Dieses Getränk nennt sich Terere und ist eine Art Tee, welches eiskalt getrunken wird. Und die Paraguayer sind wirklich stolz auf ihr landestypisches Getränk. Mir wurde direkt bei meiner Ankunft der erste Terere in die Hand gedrückt. Das schönste am Terere trinken ist allerdings, dass man eigentlich immer in Gesellschaft trinkt. Jedes Mal, wenn ich mich mit meinen Freunden im Sommer traf, wurde direkt der Becher herumgereicht. Ich habe so viele gute Erfahrungen mit den Menschen hier machen dürfen. Ich wurde so lieb und herzlich empfangen wie kaum wo anders je zuvor. Aber abgesehen von der Gastfreundlichkeit, haben die Paraguayer noch so die ein oder anderen Merkmale. Wie zum Beispiel, dass jeder überall zu spät kommt. Mit der einfachen Begründung, dass sie nie der Erste sein wollen. Nach einem Jahr hab ich mir das ziemlich angewohnt und komme selber eigentlich immer und überall fünf Minuten später. Ein weiteres Merkmal ist die Gelassenheit der Menschen. Stress? – Nein danke! Und auch wir Austauschschüler haben an unserem letzten YFU Camp feststellen können, wie wir zu kleinen Paraguayern wurden.
Paraguay ist zu meiner Heimat geworden, meine Gastfamilie zu meiner Familie der anderen Seite der Welt und die Austauschschüler aus der ganzen Welt zu meinen besten und engsten Freunden. Ich habe durch dieses Jahr so viel gelernt. Ich habe eine völlig neue Kultur kennen- und lieben gelernt, habe Freundschaft mit Menschen aus den verschiedensten Ländern geschlossen, aber das allerwichtigste für mich ist, dass ich so viel über mich selber gelernt habe. Ich weiß, was ich will, was wirklich zählt im Leben und was mich glücklich macht. Und diese Erfahrung wird mir niemals jemand wegnehmen können…