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Wo die Prioritäten anders gesetzt sind

Erfahrungsbericht von Maximilian, Austauschjahr in Mexiko

In Deutschland sagte man mir kurz vor meinem Austauschjahr oft, was für eine lange Zeit das sei, ein Jahr – „so ganz alleine“. Daraufhin, daran kann ich mich gut erinnern, antwortete ich meistens, es seien ja eigentlich nur 11 Monate. Allerdings, das war mir vielleicht gar nicht so bewusst, sind 11 Monate immer noch mehr, als für eine Woche das Schwesterherz in Berlin zu besuchen oder mal für 2 Wochen wegzufahren. Und jetzt bin ich hier, schon fast die Hälfte meines Austauschjahres vergangen, und komme langsam geistig da an, wo ich schon vor einigen Monaten körperlich angekommen bin – in meinem neuen Heimatland.
Es ist selbstverständlich nicht einfach, sich an alle Änderungen direkt zu gewöhnen. Statt Döner und Currywurst gibt’s jetzt Tacos und Elotes (gekochter Mais mit Mayonnaise und weiteren Zutaten, klingt simpel, schmeckt aber super) in den typischen Imbissbuden, Pullover statt Regenjacke, auch noch Ende November, Deutsch wird gegen Spanisch ausgetauscht, wobei ich zugeben muss, dass Englisch ziemlich oft mein Freund und Helfer ist. Auch meine Kleidung habe ich verändert. Vor meinem Austauschjahr hatte ich zum letzten Mal zu meiner Kommunion eine Anzughose getragen, sonst war das nie nötig. Selbst zur Abschlussfeier der Realschule war mir eine Anzughose doch irgendwie zu formal. Um ehrlich zu sein hatte ich weder Lackschuhe noch einen Anzug. Hier sind diese Utensilien quasi überlebenswichtig, täglich gehe ich in Uniform zur Schule, natürlich in Lackschuhen und weißem Hemd in der Anzughose. Aber nicht nur in der Schule wird viel auf die Kleidung geachtet. Auch wenn man mal am Wochenende rausgeht, ist es besser, informiert zu sein, wohin es denn geht. Wenn man einfach nur auf ein paar Tacos in die Stadt geht, gibt es keinen Zwang, sich besonders anzuziehen. Anders sieht es jedoch mit den sogenannten „XV Años“ aus, also der Geburtstagsfeier eines Mädchens zum 15. Geburtstag, die damit auch ihren Schritt ins Erwachsenenleben feiert. Denn dort ist es üblich, je nach Größe der Feier, wirklich sehr formal zu erscheinen, und das bedeutet hier mehr als nur Jeans und Hemd.

 

Hier schwingen Jung und Alt zusammen das Tanzbein

Diese oftmals riesigen Privatfeiern sind nicht selten ein Highlight für die ganze Familie. Während in Deutschland das ausgelassene Feiern für gewöhnlich stark nach verschiedenen Altersgruppen eingeteilt ist, schwingen in Mexiko Jung und Alt zusammen das Tanzbein. Gemietete Diskos, professionelle Animateure, Türsteher und auch Kellner lassen diese Fiestas zu einem ganz besonderen Erlebnis werden. Bevor allerdings Missverständnisse aufkommen, möchte ich noch sagen, dass die Menschen hier nicht reicher sind als in Deutschland. Im Gegenteil, ich sehe die Menschen deutlich härter arbeiten. Jedoch, oder vielleicht gerade deswegen, werden die Prioritäten in Sachen Geld anders gesetzt. In Sachen Feiern kommt jeder wann er will, so wie ich es von Mexiko erwartet habe. Eine Stunde Verspätung ist im Grunde selbstverständlich, wenn man auf eine große Feier geht.

 

Ganz anders sieht es jedoch in meiner Schule aus, dort herrscht das Motto „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Denn wer sich mehr als 5 Minuten verspätet, darf wieder nach Hause gehen. Das ist mir einmal passiert, als ich davon noch nichts wusste. Da ich auf eine katholische Schule gehe, beten wir jeden Morgen vor der Schule 5 Minuten, genau die Zeit, die man sich verspäten darf, und nach der Pause. Jedoch haben die meisten Schüler nicht so viel Motivation morgens um 7 draußen zu beten. Morgens kann es doch manchmal kalt werden, vor allem in der Uniform.

 

Begeisterung und Trompeten zum Fußball, geteilte Meinungen beim Stierkampf

Ich war vor kurzem auf einem Fußballspiel der „Mineros“, diese sind die Fußballmannschaft der Stadt, in der ich wohne. Ich bin nicht oft auf sportlichen Veranstaltungen, aber von dieser war ich wirklich begeistert. Nicht unbedingt von der Fußballmannschaft, ich hatte noch nie von einem der Spieler, die ich auf dem Platz gesehen habe, gehört. Aber die Begeisterung der Fans war wirklich unglaublich. Man kennt das ja meist vom Sehen. Ein Fan einer Mannschaft kommt mit einer Trommel oder etwas ähnlichem, vor allem um Krach zu machen. So etwas Einfallsloses musste ich mir zum Glück nicht anhören. Dort, wo ich mir das Spiel angesehen habe, haben sich scheinbar ein paar Freunde organisiert und spielten mit Trompeten und all dem Drum und Dran. Auch als die Mineros ein Tor geschossen haben, brauchten wir gar nicht von unseren Sitzplätzen aufstehen, denn es standen bereits alle durchgehend.

 

Ebenfalls neu für mich war der Stierkampf. Einige Gegner des Stierkampfes denken womöglich, dass die Zuschauer gerne Blut sehen würden. Jedoch scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein. Die Zuschauer bewerten die Stierkämpfer, auch genannt „Toreros“, wie elegant sie es schaffen, den Stier umzubringen. Das klingt vielleicht etwas brutal, allerdings bedeutet „elegant“ in dem Fall dem Stier einen möglichst schmerzlosen Tod zu bieten. Aber auch hier sind nicht alle Befürworter des Stierkampfes. Als ich einem Schulfreund begeistert davon erzählte, konnte er mir nur antworten, dass er es überhaupt nicht toll findet, was mit dem Stier gemacht wird.

 

In vielen Hinsichten, so glaube ich, ist Mexiko wirklich ein Land der Gegensätze. Geprägt von Armut, aber auch von Feiern, die nicht nur für die obere Gesellschaft bestimmt sind. Beeinflusst von ziemlicher Pünktlichkeit und extremen Verspätungen. Gezeichnet durch einfältige Schuluniformen aber auch durch bunten Kleidern und Verkleidungen.

Maximilians Gastfamilie

Maximilians Gastfamilie

Maximilian mit seinen Mitschülern

Maximilian mit seinen Mitschülern