Mein Name ist Indra, ich bin 16 Jahre alt und verbringe mein Auslandsjahr in Kanada. Ich lebe in Fredericton, der Hauptstadt der Provinz New Brunswick. Ich lebe hier mit einer Gastfamilie zusammen, die aus meiner Gastmutter und meinen zwei Gastschwestern sowie dem Familienhund besteht. Meine Gastschwestern sind 19 und 21 Jahre alt und gehen beide zur Uni. Aus diesem Grund leben sie nicht mehr zu Hause, was bedeutet, dass ich nur mit meiner Gastmutter und unserem Hund zusammen lebe. Meine Gastmutter und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander und sind beide sehr froh, dass ich hier bin. Für mich, um die Erfahrungen zu machen, die ich nur durch ein Jahr im Ausland machen kann und für sie, die Möglichkeit jemanden mit sich leben zu haben. Sie sieht mich als ihre dritte Tochter an. Wir beide verbringen so viel Zeit wie möglich zusammen, auch wenn es nicht immer einfach unter der Woche ist, das mit der Schule und der Arbeit hinzubekommen. An den Wochentagen frühstücken wir zusammen, wenn die Zeit es zulässt und wir essen jeden Abend zusammen. Unsere Mahlzeiten ziehen sich oftmals ziemlich in die Länge, da wir beide von unseren Tagen erzählen oder verschiedene Themen besprechen, was oft dazu führt, dass wir ca. zwei oder drei Stunden brauchen, bis wir wieder vom Esstisch aufstehen. Generell ist Familie ein wichtiges Thema in Kanada, was dazu geführt hat, dass ich schon viele Familienmitglieder meiner kanadischen Familie kennengelernt habe und es steht in Planung noch weitere kennenzulernen. Alle sind super nett zu mir und freuen sich, sich mit mir zu unterhalten und etwas über Deutschland und mein Leben dort zu erfahren.
Schule ist anders als in Deutschland
Mein Schulleben gestaltet sich in vielen Bereichen anders als in Deutschland, zum Beispiel habe ich nur fünf Fächer, die dafür aber jeden Tag. Mein Tagesablauf ist jeden Tag dasselbe, es startet um 8:30 Uhr mit zehn Minuten „Homeroom“, wo wir die kanadische Nationalhymne hören und uns die Schulnachrichten anhören. Unser Lehrer während dieser Zeit ist so etwas wie unser Klassenlehrer und ein Ansprechpartner für uns falls wir Probleme oder Fragen haben. Mein regulärer Unterricht beginnt um 8:45 Uhr und jede Schulstunde ist 65 Minuten lang. Um 12:15 Uhr beginnt meine Mittagspause, in der ich eine Stunde Zeit habe, um etwas zu essen, Zeit mit meinen Freunden zu verbringen oder etwas anderes zu machen. Vor meiner Mittagspause habe ich drei Fächer und danach zwei weitere. Mein Schultag endet somit um 15:30 Uhr. Ich finde es gut, dass meine Schultage eine gewisse Kontinuität haben, da es dadurch einfach ist sich an die neue Schule zu gewöhnen. Eine weitere Sache, die ich als ziemlich gut empfinde ist, dass jeder Schüler seinen eigenen Spind hat, da dies sehr praktisch ist und ich immer nur die Sachen für meine nächste Stunde mitnehmen muss und nicht alle meine Schulsachen.
Eine weitere Sache, von der ich gerne berichten möchte, ist das Thema Freunde. Ich habe von vielen meiner Freunde, die Auslandsjahre in verschiedenen Ländern verbringen, gehört, dass es in Teilen schwer ist Teil einer Freundesgruppe zu werden oder generell gute Freunde zu finden. Ich bin in einer Gruppe, die sowohl aus Kanadiern aber auch Leuten aus anderen Ländern besteht. Wir verbringen jeden Tag unsere Lunchtime zusammen und treffen uns auch mal am Wochenende. Ich habe das Glück, dass ich ziemlich schnell einen guten Freund gefunden habe, der selbst ein Austauschjahr hier macht und das wir schnell beste Freunde geworden sind. Er kommt ursprünglich aus Brasilien. Wir verbringen viel Zeit miteinander und unternehmen viel zusammen. Ich bin aber natürlich auch sehr froh, so gut in eine Gruppe integriert zu sein, was mir eine schöne Zeit hier bereitet. Eine Sache, die ich gerne erzählen würde, ist eine von vielen lustigen Mittagspausen. Zwei meiner kanadischen Freunde haben für zwei Jahre versucht Deutsch zu lernen und einer von ihnen versucht oft seine Deutschkenntnisse mit mir zu teilen. Letzte Woche kam er stolz mit einem Buch zu mir und hat gefragt, ob wir es zusammen lesen können und ob ich es ihm ggf. erklären kann. Bei dem Buch hat es sich um das deutsche Kinderbuch „Weißt du eigentlich wie lieb ich dich hab?“ gehandelt, welches er in unserer Schulbibliothek gefunden hat. So wie er mich darum gebeten hat, haben wir das Buch zusammen gelesen und besprochen, was sich als sehr lustig herausgestellt hat und er war ziemlich stolz, dass er den Großteil auch ohne meine Erklärung verstanden hat. Es ist immer schön zu sehen, wie meine Freunde und natürlich auch meine Familie an meinem deutschen Leben interessiert sind und sie freuen sich immer wenn ich ihnen etwas davon erzähle. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht nur die kanadische Kultur, aber auch Teile der brasilianischen und von anderen Ländern kennenlerne, da ich hier Freunde aus aller Welt habe.
In meinem Kopf hat sich viel verändert
Eine Sache, die ich besonders in den letzten Wochen und Tagen festgestellt habe, ist wie ich mich geändert habe. Ich habe nicht geändert, wie ich mich verhalte, sondern in meinem Kopf hat sich viel verändert. In den ersten Wochen hier in Kanada habe ich größtenteils in Englisch gedacht, manchmal mit ein paar deutschen Teilen in meinen Gedanken, doch nun denke und träume ich ausschließlich in Englisch, da ich eigentlich gar kein Deutsch spreche. In der Anfangszeit war ich am Ende des Tages müde davon, die ganze Zeit Englisch zu sprechen, doch nun merke ich, wenn ich über einen längeren Zeitraum (ich habe letztens nach drei Monaten mit meiner besten Freundin geskypt) Deutsch spreche, dass mich das echt müde macht und ich binde schon englische Wörter ganz selbstverständlich in meine Sätze ein, was es für mich echt schwer macht Deutsch zu sprechen oder zu schreiben.
Definitiv die richtige Entscheidung
Alles in allem kann ich sagen, dass ich super glücklich hier bin und meine Zeit echt genieße. Wenn ich zurückblicke kann ich sagen, dass ich definitiv die richtige Entscheidung damit getroffen habe, ein Auslandsjahr zu machen und ich kann es jedem nur empfehlen. Man darf natürlich nicht vergessen, dass auch mal schlechte Zeiten kommen können, in denen nicht alles gut läuft oder dass man Heimweh bekommt, doch das gehört dazu und macht einen nur stärker. Das war es jetzt erstmal von mir. Ich hoffe, ich konnte jedem, der diesen Bericht von mir gelesen hat, einen groben Einblick in mein Auslandsjahr geben und vielleicht den ein oder anderen dazu motivieren über ein Jahr in Kanada oder einem anderen Land nachzudenken.