Nervosität, Bauchschmerzen vor Aufregung, aber doch bereit zu gehen, mein Zuhause zu verlassen, um ein neues zu finden. Ein zu Hause, das nun für immer ein Teil von mir sein wird, ein Jahr, das viele Höhen, aber doch auch Tiefen hatte.
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich mit vielen anderen Austauschülerinnen und -schülern von Frankfurt aus über Montreal nach Neufundland geflogen bin. Neufundland, das ist eine Insel an der Ostküste von Kanada mit etwa 40.000 Einwohnern. Die Stadt bzw. das Dorf, in dem ich mein Auslandsjahr verbringen durfte, war Ganderbay. Mit knapp 316 Einwohnern sagt dieser Ort vielen Leuten wahrscheinlich nichts. Und auch ich war zuerst nervös und aufgeregt, wie es sein wird, in so einem kleinen Ort zu leben. Angst, etwas zu verpassen. Ob ich wirklich Freunde finden werde, wie werde ich ohne einen Bus klarkommen, mein Kopf war voller Fragen.
Am Flughafen wurde ich herzlich von meiner Gastmutter und meiner Gastschwester aus Spanien begrüßt. Denn ich hatte einem so genannten Double Placement zugestimmt. Aus verschiedenen Gründen passte unser „Match“ aber nicht, und ich habe die Gastfamilie gewechselt. Ein Ereignis, vor dem ich immer Angst hatte, aber dann realisiert habe, dass so etwas ganz normal ist und passieren kann. Trotzdem war ich traurig, denn meine Betreuerin aus Kanada teilte mir mit, dass ich Ganderbay wohl verlassen müsse, da hier keine Gastfamilie zur Verfügung stehe. Traurig erzählte ich das meinen Freunden in der Schule, denn Freunde hatte ich schnell gefunden. Ich musste zwar den ersten Schritt machen und auf Leute zugehen, aber nach dieser ersten Hürde klickte es direkt. Auch meine Freunde waren traurig über die Situation, insbesondere Alisha, ein Mädchen mit dem ich mich besonders schnell angefreundet hatte. Ein Mädchen, das jetzt eine ganz besondere Rolle in meinem Leben spielt. Denn sie schlug ihrer Familie vor, mich aufzunehmen. Nach kurzem Überlegen stimmte ihre Familie zu, beantragte bei YFU, Gastfamilie zu werden und nahm mich auf. Der ganze Wechsel verlief dank YFU und meiner Betreuerin hier reibungslos und ohne Probleme.
Heimweh und schöne Erinnerungen
So verflogen die ersten Monate wie im Flug, kurz vor Weihnachten trat dann aber das Heimweh ein. Um mich vom Heimweh abzulenken habe ich viel unternommen: Bin ins Kino gegangen, shoppen, und habe mit meiner Gastfamilie auch Zeit in der hier typischen Cabine verbracht. Eine Cabine ist ein kleines Haus, was sich normalerweise an einem Fluss in den Wäldern befindet. Hier gab es viele Momente, die ich für immer in meinen Erinnerungen behalten werde: Weihnachtsbaum schmücken, Kekse backen, im Flussboot die Natur genießen, Baseball spielen. Aber die wohl schönste Erinnerung ist, dass diese Familie mich aufgenommen hat und ich ein Teil von ihnen sein konnte, voll und ganz.
Pommes mit Bratensoße
Der wohl bekannteste Stereotyp ist, dass sich Kanadier ungesund ernähren. Und dem ganzen kann ich auch in Teilen zu stimmen. Viele Leute greifen hier zu Fastfood, anstatt sich etwas selber zu kochen, aber auch, wenn sie kochen, dann doch eher Fertiggerichte.
Ein sehr beliebtes Gericht hier in Kanada ist Poutine: Pommes mit Bratensoße und geriebenem Käse. Gerade in Neufundland essen viele Leute aber auch Elchfleisch, das sie oft auch selber jagen.
Kochen und Babys in der Schule
Das Schulsystem hier ist, verglichen zu dem in Deutschland, einfacher aufgebaut und es gibt Fächer wie z.B. Kochen. So konnte ich oft Pancakes, Cookies, Omelette aber auch Pizza im Unterricht mit meinen Freunden zubereiten, dabei haben wir viel gelacht und unsere Freundschaften, aber auch unsere Kochkünste haben sich verbessert. Von der Schule aus mussten wir uns auch mal für 48 Stunden um eine Puppe kümmern. Diese hat insgesamt 57 Mal geschrien und wir mussten Windeln wechseln, sie füttern, aber auch wiegen, um zu lernen, wie es ist, ein Elternteil zu sein bzw. die Verantwortung zu übernehmen.
Ich hatte hier jeden Tag von 9-15 Uhr Schule. Ein großer Unterschied war, dass wir einen 14-Tage-Stundenplan hatten, der sich dann über das ganze Jahr wiederholt hat. Hausaufgaben gab es an meiner Schule keine. Die Lehrerinnen und Lehrer waren offen, haben viele Fragen gestellt und mich herzlich aufgenommen. So konnte ich mich zu jedem Zeitpunkt in der Schule wohl fühlen.
Und auch im Basketballteam wurde ich freundlich begrüßt, konnte Sport machen und neue Freundschaften schließen. Gemeinsam mit meinem Team konnte ich bei den Regionals meiner Region Zweite werden und dann bei den Provincals gegen die besten AA Basketball Frauen-Mannschaften aus Neufundland spielen.
Sehr beliebt in Neufundland ist auch Volleyball. Im Sommer wird dann auch Baseball und Softball draußen gespielt, Fußball sieht man hier eher weniger, kommt aber auch vor. Berühmt ist natürlich Eishockey, hier in Neufundland spielen verglichen zum Rest von Kanada eher weniger Leute Eishockey. Gründe dafür sind die kleinen Dörfer und weiten Entfernungen. Trotzdem – Eishockeyfan ist hier jeder.