10 Monate war ich in Japan. Einem Land, das für Vieles bekannt ist. Auf der einen Seite für den technischen Fortschritt und die moderne Popkultur, auf der anderen Seite für die alte, traditionelle Kultur. Faszinierend und beeindruckend. Und doch ist es so schnell normal geworden. Und noch viel schneller ist es wieder weggefallen. Wie berichtest du über eine solche Erfahrung? Über all die Dinge, die für dich normal geworden sind und für andere so fremd sind, dass sie sich diese nicht vorstellen können.
Meine Gastfamilie
Meine Gastfamilie war mir sofort sympathisch. Ich hatte Gastmutter, Gastvater und zwei Gastschwestern, 15 und 17 Jahre alt. Wir haben uns gut verstanden, aber am Anfang war ich unsicher, wie ich sie ansprechen sollte. Als ich nachgefragt habe, meinten sie, ich solle sie Okaasan und Otoosan (auf Deutsch Mama und Papa) nennen. Das war sehr lieb. Und tatsächlich hatte ich nach kurzer Zeit das Gefühl, dass meine Gastfamilie meine richtige Familie ist. Sie haben mir viel von Japan gezeigt. Meine Gasteltern haben mir Schreine gezeigt und beigebracht, wie das Beten dort funktioniert. Sie haben mir beim Japanisch Lernen geholfen und meine Gastmutter hat mir gezeigt, wie ich mir selbst einen Yukata anziehen kann. Ein Yukata ist ein traditionelles Kleidungsstück, das einem Kimono ähnelt, aber weniger prunkvoll ist. Am Anfang, als ich noch nicht so viel mit Freund*innen unternommen habe, habe ich sehr viel mit meiner Gastfamilie gemacht. Nicht nur besondere Dinge, sondern auch so was wie den Wocheneinkauf oder ähnliches, was auch immer sehr lustig war. Auch als ich mehr mit Freund*innen gemacht habe, haben wir noch zusammen etwas unternommen. Ich fand es sehr schön mit meiner Gastfamilie und war sehr traurig mich von ihnen zu verabschieden. Ich vermisse sie sehr.
Schule und Freund*innen
Die Schule, die ich in Japan besucht habe, war ganz anders als meine Schule in Deutschland. In Japan hatte ich jeden Tag zur gleichen Zeit Unterricht. Von 08:40 bis 15:15 Uhr. Es gab Schuluniformen und strenge Regeln für Make-Up, Accessoires und Haarfarben. Und es waren 40 Leute pro Klasse. Es hat ewig gedauert, bis ich mir die Namen von allen merken konnte. Lustig war es trotzdem. Obwohl meine Schule strenger war als hier hat sie mir viel mehr Spaß gemacht und es gab viel mehr Events und Schulfeste. Bei mir gab es ein Sportfest, ein Schul-/Kulturfest, ein Ballsportturnier und eine Klassenfahrt. Durch diese Events hatten wir sehr viel Spaß und ich habe schnell Freund*innen gefunden. In Japan finden zudem die meisten Hobbys in der Schule statt. An meiner Schule gab es sehr viele solche Schulclubs. Ich bin dem Kendo Club beigetreten. Kendo ist japanischer Schwertkampf. Wir waren nicht viele und nur zwei Mädchen, aber wir hatten viel Spaß und haben 4-5 mal in der Woche trainiert, was am Anfang sehr hart war, aber daran habe ich mich schnell gewöhnt. Schwer war es aber vor allem im Sommer und Winter, da unser Dojo, wie viele Dojos in Japan, weder gekühlt noch geheizt wurde. Es ist dementsprechend sehr warm bzw. kalt.
Tradition und Moderne
Mein Leben in Japan war sowohl von der Moderne, als auch von der Tradition geprägt. Auf der einen Seite haben wir zum Essen auf dem Boden gesessen und von einem niedrigen Tisch gegessen, der unseren deutschen Sofatischen ähnelt. Andererseits haben die technischen Geräte im Haus mit mir gesprochen, also zum Beispiel die Badewanne, aber auch das Auto hat gesprochen, wenn wir uns reingesetzt haben. Und auch Bankautomaten sprechen manchmal. Trotz dieses technischen Fortschritts ist die Schule nicht sehr digital. Alles ist auf Papier und die Tafel ist eine alte Kreidetafel. Auch an Schulclubs wie dem Teezeremonie Club oder dem Kalligraphie Club ist zu merken, dass in Japan sowohl die traditionelle Kultur als auch die moderne Kultur gelebt wird. Das ist einer der Gründe, weshalb ich das Land so mag.