Als vor anderthalb Jahren das Bewerbungsformular von YFU mit der Länderliste da lag, zögerte ich kurz. Für eine ganz kurze Sekunde dachte ich: „Eigentlich ist es doch egal wohin man geht, oder?! Warum willst du denn ein Auslandsjahr machen? Eigentlich willst du doch eine neue Kultur, neue Sprache, willst viel lernen und Spaß haben, und tolle Leute kennenlernen, außergewöhnliches Essen probieren und eine neue Heimat finden. Abenteuer! Und in wirklich jedem der hier aufgelisteten Länder kannst du all das finden, überall auf der Welt sind nette und nicht so nette Menschen und überall kannst du unglaublich viel Spaß und Abenteuer haben. Eigentlich ist es doch egal in welchem Land du landest!“
Aber mein Kreuzchen setzte ich dann doch bei „Japan“.
Japan, ein Sprung ins eiskalte Wasser. Japan, in dem ich so viel lernte, ausprobierte und verstand; über das Land die Leute, das Leben, über mich. Ich begann schon morgens um 6 Appetit auf Reis zu haben, gewöhnte mich daran irgendwann sogar auf Japanisch zu träumen und vergaß manchmal beinahe, dass ich blond und nicht dunkelhaarig bin. Gerade als ich mich von meinen japanischen Freunden und meiner Familie verabschieden musste, wurde mir klar, dass ich nie geglaubt hatte, dass diese Leute und der Alltag mir so wichtig werden würden. Wie würde ich wohl in die Welt gucken, wenn ich kein Auslandsjahr in Japan gemacht hätte? Die Zeit und die Menschen dort sind mir echt ans Herz gewachsen, sind ein Stück von mir geworden und bei jedem Schritt den ich gehe begleitet mich dieses Stückchen Japan mit.
Natürlich war es nicht immer fantastisch: ich fühlte mich manchmal allein. Hatte Heimweh und Kopfweh und einen schlechten Tag, ärgerte mich über mich und andere oder fühlte mich missverstanden. Oder musste mich überwinden, auf andere zugehen, rohes Ei oder Fisch essen, zugeben dass ich einen Fehler gemacht hatte oder mich überwinden, nochmal die imperativen Verben zu lernen, auch wenn ich das schon tausendmal gemacht hatte. Doch jede Sekunde, in der ich mich nicht wohl gefühlt habe, wurde Wettgemacht durch schöne Erlebnisse und witzige Geschichten, Momente, in denen Worte nicht reichen, um die Perfektheit zu beschreiben. Es war wahrlich wundervoll, mit welchem Verständnis und mit welcher Offenheit mir dort begegnet wurde!
„Du willst eine neue Kultur, neue Sprache, willst viel lernen und Spaß haben, tolle Leute kennenlernen, außergewöhnliches Essen probieren und eine neue Heimat finden. Abenteuer!“, ja, das ist was ich wollte. Und ein bisschen wehmütig aber stolz kann ich behaupten, in Japan nicht nur das, sondern noch weitaus mehr gefunden zu haben. Eine Kultur, die ich nie behaupten würde zu verstehen, aber in der ich immerhin eine ganze Weile gelebt habe, eine Sprache die ich trotz der imperativen Verben zu lieben und sprechen gelernt habe, Situationen und Erlebnisse, an die ich mich jetzt noch schmunzelnd erinnere, fantastische Freunde und eine wundervolle Familie, denen ich so sehr danken möchte und die ich so sehr vermisse, und schließlich nicht mehr einen, sondern zwei Orte, die ich Heimat nenne. Ich weiß, das klingt kitschig, aber genauso ist es. Mein kitschiges, wundervolles Jahr in Japan.
Jetzt ist meine Zeit vorbei. Und wie so viele Austauschschüler erzähle ich, dass es so unglaublich schnell verging, dass ich Fantastisches erlebt habe und es so vermisse! Und obwohl ich wirklich unglaublich froh bin, dass damals bei der YFU Bewerbung meine Wahl auf Japan fiel, glaube ich jetzt noch immer, dass es irgendwie egal ist, wo man ein Auslandsjahr macht. Denn letztendlich können wir die wichtigsten Dinge, Abenteuer, Erlebnisse und liebenswerte Menschen, überall finden. Doch ein Auslandsaufenthalt kann nicht erklärt und verstanden werden, egal wie viele Blogs und Berichte man liest. Für ein Auslandsjahr gilt: learning by doing!
Also: Wo machst du dein Kreuzchen?