„Grün, Schafe und Regen“ ist so das, an was die meisten denken, wenn sie Irland hören. Es triff zwar zwiefelsohne zu, doch in den letzten 9 Monaten habe ich so viel mehr erfahren. Als ich im August hier angekommen bin, waren die meisten Dinge etwas gewöhnungs bedürftig. Auch sollte man nicht nach Irland gehen, wenn man Regen nicht ausstehen kann. Iren sind in vieler Hinsicht anders. Sie singen, tanzen, sehen den ganzen Tag fern, essen fast nur Kartoffeln, bedanken sich beim Busfahrer und so vieles mehr.
Ich lebe mit meiner Gastfamilie außerhalb eines kleinen Dorfes auf einer Farm etwa 30 Minuten von Galway, was ganz im Westen liegt. Mit meinen Gasteltern (einem älterem Ehepaar) komme ich ganz gut klar, obwohl es nicht immer ganz einfach war. Ich habe 3 Gastgeschwister, die zwar erwachsen sind, aber immer noch zu Hause leben. Da es eine Farm ist, haben wir natürlich ein paar Kühe, Schafe, Hühner, Hund und Pferd. Hinter dem Haus beginnt sprichwörtlich das Nirgendwo, in dem man stundenlang spazieren gehen kann.
Meine Schule liegt in dem nächstgrößeren Ort und ist eine kleine katholische Schule für Jungen und Mädchen. Wie eigentlich in jeder Schule hier besteht Uniform-Pflicht. Man gewöhnt sich allerdings ziemlich schnell daran und allein die Vorstellung, in Deutschland wieder ohne Uniform zur Schule zu gehen, ist komisch. Ich bin im Transition Year (TY), was ein freiwilliges Schuljahr vor der Oberstufe ist. Das Jahr besteht aus 3 Modulen die jeweils 10 Wochen lang sind. Im TY geht es darum, neue Sachen auszuprobieren und auch selbstständiger zu werden. Mein absolutes Highlight war unser Musical „Back to the 80’s“, welches wir im Februar aufgeführt und dafür sogar einen Preis gewonnen haben. Auch total toll war die Fahrt nach Barcelona und einem 3 Tage langen Outdoor Camp. Die Fächer wechseln mit jedem Term und sind echt total unterschiedlich. Ich hatte zum Beispiel „Chess“, „Survival cookery“ und „Mandarin“. Auch hatten wir zweimal eine Art Praktikum, um verschiedene Berufe besser kennenzulernen.
Nach der Schule, die meistens um halb 4 endet, habe ich recht viel Freizeit, da wir im TY nicht lernen müssen. Trotzdem war es die erste Zeit recht schwierig, etwas zu finden, was ich in der Freizeit machen kann. Da ich so weit außerhalb wohne und die Busse nicht regelmäßig fahren, bin ich meistens darauf angewiesen, das mich meine Gasteltern fahren. Aber da mein Gastvater mit dem Besitzer des nächsten Reiterhof befreundet ist, kann ich eigentlich so oft ich will umsonst reiten. Es ist echt großartig mit Freunden stundenlange Ausritte in die artemberaumbende Landschaft Connemaras zu unternehmen. Um noch ein bisschen mehr Sport zu machen habe ich hier mit dem Boxen angefangen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal boxen würde. Aber dadurch, dass eine Freundin mich überredet hat, habe ich es doch angefangen – und siehe da, es macht echt total Spaß. Was allerdings auch einen großen Teil meiner Freizeit ausmacht, ist mich mit Freunden zu treffen. Ob es Shoppen in Galway, Wandern durch matschige Wiesen oder spontan zu den Cliffs of Moher ist, ist eigentlich vollkommen egal – Spaß macht es immer. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass mir Leute in so kurzer Zeit so wichtig werden.
Bevor ich hier her gekommen bin, hatte ich die Befürchtung, dass ich den Dialekt hier nicht verstehen würde und dann am Ende mit grausamem Englisch in Deutschland in den Englisch-LK muss. Meine Sorge war allerdings unbegründet. Die Sprache fiel mir schon nach den ersten paar Monaten nicht mehr schwer und schwierig wird es nur dann, wenn das Irische dazukommt. Ich kann auβer ein paar Basics überhaupt kein Irisch – und man braucht es auch nicht. Ich persönlich mag den Dialekt hier total gerne. Es wird sehr viel geflucht und man muss sich an Ausdrücke wie „What’s the craic“, „How ya doing“ und „Jesus“ gewöhnen. Es ist total witzig, wenn man auf Amerikaner oder Australier trifft und sie sich im Englischen einfach total anders anhören.
Da meine Zeit sich hier leider dem Ende zuneigt, wurde ich in letzter Zeit sehr oft gefragt, was ich denn an Irland am meisten vermissen werde. Ehrlich gesagt habe ich auf diese Frage immer noch keine genaue Antwort. Es ist einfach alles zusammen. Am allermeisten das Gefühl, hier zu Hause zu sein. Dass ich die besten Freunde gefunden habe, die ich hier je hätte finden können. Es gab Momente, in denen ich mir gewünscht habe, in ein wärmeres und trockeneres Land gegangen zu sein. Jedoch habe ich in den ganzen 9 Monaten meinen Regenschirm nicht einmal benutzt, denn wofür gibt es denn sonst Kapuzen. Ich habe keinen Moment bereut, dieses Austauschjahr gemacht zu haben. Es gab schwierige Tage, doch auch großartige Tage, an denen ich mein Glück nicht fassen konnte. Ich habe jeden einzelnen Tag genossen und möchte dieses wunderbare Land nicht mehr verlassen. Ich kann es jedem empfehlen, sich zu trauen und ein Austauschjahr zu machen – es ist die beste Entscheidung überhaupt.