Am 12. Juli um 1:30 Uhr morgens sagt der Pilot im Flugzeug: „Hello, I’m happy to announce that we will arrive in Delhi in about an hour. We will have 35°C and humid weather.” Ich: „Das kann doch nicht sein. Der nimmt uns doch sicher auf den Arm! Oder...?“ Als wir dann um 2 Uhr landeten, merkten ich und auch die anderen: Das war kein Spaß, das ist hier wirklich so warm. Ein Bus brachte uns zur Indian Heights Schule. Drei Klassenzimmer hatte man dort für uns in Schlafräume umfunktioniert und wir konnten auch die anderen Räume der Schule für unsere Orientierungsveranstaltung nutzen. Wir lernten etwas über Indien bzw. die indische Kultur, sahen uns Bollywood-Filme an oder machten unsere ersten Versuche, Cricket zu spielen. Außerdem stand ein bisschen Delhi-Sightseeing auf dem Programm. Nach diesen tollen vier Tagen hieß es, Abschied von der großen Gruppe zu nehmen – der Transfer in die Gastfamilie stand an. Dafür fuhren wir (drei Austauschschüler und ein Begleiter) sechs Stunden lang nach Patiala. Dort traf ich dann meine Gastmutter Harsimranjeet und ihren Sohn Fatehbir zum ersten Mal. Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug: Wir besuchten häufig Verwandte, ich kaufte eine Schuluniform, ging zum ersten Mal in die Schule, fand Freunde und bemühte mich, richtig anzukommen (was mir auch gelang).
Tandoori-Chicken und Diktate
Das Essen ist eine Sache für sich. Am Anfang war so ziemlich jedes Gericht für mich sehr scharf. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und finde es super. Heute esse ich alles und vertrage es auch sehr gut. Hier in Indien bekommt man viel vegetarisches Essen, wenn es Fleisch gibt, handelt es sich um Lamm oder Hühnchen. Aber was das Huhn anbetrifft, so haben es die Inder wirklich drauf! Ich liebe alles – von Butter-Chicken bis Tandoori-Chicken, und als Beilage Naan-Brot. Echt genial!
Die Schule unterscheidet sich stark von unserer. Unterricht sieht so aus: Diktieren und aus dem Buch vorlesen. So geht das Montag bis Samstag, von 7:30-14:00 Uhr (Sommer) oder 8:30-16:00 Uhr (Winter). Außerdem stehen normalerweise nach der Schule „Games“ auf dem Programm. Das bedeutet einfach Sport machen. Da jetzt aber gerade das Winter-Trimester ist, also kurz vor den Jahresabschlussexamen, haben wir am Nachmittag stattdessen Extra-Classes (= Zusatzunterricht). Danach kann man sich wieder einer Sportart zuwenden, wie Cricket, Hockey, Fußball, Leichtathletik, Klettern, Basketball und noch anderen. Ich habe (in der Zeit vor den Winterstundenplänen, in denen es keine Games mehr gibt) Athletics (=Leichtathletik) gemacht, genauer gesagt, erst mit Speerwerfen angefangen und dann zu Stabhochsprung gewechselt. Dafür musste ich viel trainieren, weil ich das in Deutschland noch nie gemacht hatte. Leider ist es einmal passiert, dass ich zu früh absprang und dann mit dem Kopf gegen die Halterung der Latte knallte, über die es zu springen gilt. Ergebnis: Eine Platzwunde. Eigentlich alles nicht so schlimm, aber weil Metall im Spiel war, sollte ich eine Tetanus-Spritze bekommen. Ein Blick in meinen Impfpass hätte gezeigt, dass ich natürlich bereits über eine entsprechende Impfung verfügte – das gehört ja zu den Dingen, die man im Vorfeld machen muss – aber die Schule wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Also schickte man mich mit meinem Gastbruder los. Wohin? Zum Doktor? Falsch! Ins Krankenhaus? Auch nicht richtig! Meine Tetanus-Spritze bekam ich in einer Apotheke. Eine wirklich besondere Erfahrung. Im Zuge meiner sportlichen Aktivitäten konnte ich sogar mit zur IPSC, der Indian Public School Conference fahren, einem überregionalen Schulsportwettbewerb. Dort wurde ich dann 7. (von 11) mit einer Höhe von 2,20 m – immerhin, denn ich hatte nur eine Woche trainiert.
Neue Freunde, neue Orte
Auch sonst beteilige ich mich viel in der Schule und bemühe mich, an so vielen Treffen wie möglich teilzunehmen, wie zum Beispiel MUNs oder Round Square Conference. Erstens lernt man dabei neue Leute kennen und zweitens fährt man meistens in eine andere Stadt, zur Schule, die die Veranstaltung ausrichtet. Auf diese Weise hatte ich im August Gelegenheit, für vier Tage nach Jodhpur, Rajasthan, zu reisen, in die Rajmata Krishna Kumari Girls Public School. Nachdem wir, das heißt fünf Jungen, meine Gastmutter als begleitende Lehrkraft und ich, erst einmal 14 Stunden Zugfahrt hinter uns gebracht hatten, gab es ein bisschen Zeit, die anderen kennenzulernen, Sport zu treiben und richtig anzukommen. Der Ablauf der darauffolgenden Tage sah etwa so aus: Morgens um 6 Uhr aufstehen, dann eine Selbstverteidigungs-Session, danach Frühstück, dann folgten die Haupt-Sessions, meistens Vorträge. Im Anschluss fand das Mittagessen statt, nachfolgend wieder Sessions, dann Abendessen und der Rest des Abends war frei. Meistens spielten wir einfach Fußball oder Basketball. Am letzten Abend stand eine sogenannte „Jam-Night“ auf dem Programm, d.h. es wird Musik gespielt und getanzt, das ist bei jeder Veranstaltung am letzten Abend so. Außerdem besichtigten wir Jodhpur (Fort, Palast, …), waren Vögel beobachten und hatten richtig viel Spaß, gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus Mumbai, Joipur, Bangalore und vielen weiteren Städten aus ganz Indien.
Insgesamt bin ich mit meiner Schule und Gastfamilie sehr zufrieden, lerne hier viele Dinge (teilweise unterrichtsspezifisch, teilweise kulturell) und habe viele Freunde gefunden. Auch die letzten Examen habe ich gut gemeistert. Nun freue ich mich schon auf meine Midterm-Orientation in Delhi zusammen mit den anderen Austauschschülern, wo wir auch das Taj Mahal besichtigen werden. Danach stehen meine Prüfungen an. Vier Monate bin ich schon da. Das bedeutet, dass schon fast die Hälfte meines Aufenthalts hinter mir liegt. Die Zeit verfliegt förmlich. Ich finde es hier total super, aber auf der anderen Seite vermisse ich meine Familie auch. Doch jetzt ist erstmal mein Geburtstag und Weihnachten.