Estland ist der nördlichste und kleinste Baltenstaat, im Süden grenzt er an Lettland, im Osten liegt Russland und die übrigen Himmelsrichtungen werden von der Ostsee umspült. Die Amtssprache ist Estnisch und nicht Russisch wie viele Leute glauben, sie ist verwandt mit Finnisch und Ungarisch. Zwar ist die Sprache ziemlich kompliziert, aber nach nur drei Monaten klappte die Verständigung schon recht fließend und nun nach einem halben Jahr bin ich auch relativ gut in der Lage dem Unterricht zu folgen. Dazu kommt: Estnisch lernen macht einfach Spaß und die Esten sind unheimlich motivierend, wenn man versucht ihre Muttersprache zu lernen.Die Winter sind normalerweise schneereich und kalt, und somit ist eine der estnischen Volkssportart das Langlaufen. Leider war mein Winter hier der wärmste seit 140 Jahren und ich konnte diese Erfahrung nicht machen, aber ich schenke meiner Familie gerne Glauben und komme dann eben im nächsten Winter wieder.
Kultur pur: Gesang, Tanz, Theater
Aber nicht nur Natur hat Estland zu bieten, sondern auch viel Kultur. Mit meiner Gastfamilie oder mit der Schule besuche ich viele Theateraufführungen und Konzerte, viel mehr als ich das aus Deutschland gewohnt war. Ebenso erfreuen sich Volksfeste (wie zum Beispiel Tanz- und Gesangsfeste, Mittelalterfeste usw.) einer sehr großen Beliebtheit. Meine Schule hat gleich mehrere Chöre und ich singe mit Begeisterung im Mädchenchor, sowie im Kammerchor. Mit dem Mädchenchor hatte ich schon ein Konzert im Tallinner Estonia Konzertsaal, das live im estnischen Fernsehen übertragen wurde und im Publikum saß der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves.
Moderne Schulen
Meine Klasse ist ebenfalls super nett. Außer in Theater- und Opernaufführungen waren wir auch schon auf dem suur munamägi (großer Eierberg), dem höchsten Berg Estlands, der auch gleichzeitig der höchste Berg im Baltikum ist. Darauf sind die Esten natürlich ganz besonders stolz! In meiner Schule habe ich am Anfang am meisten über die technische Ausstattung gestaunt: in jeder Klasse gibt es einen Computer und einen Beamer. Auch kann man in den Pausen kostenlos das Internet nutzen. Ebenso werden Noten, Anwesenheit usw. über das Internet gemanagt.
Mein Familienleben
Die estnischen Schüler lernen aber auch recht viel, vor allem am Wochenende, und so verbringe ich meine Wochenenden hauptsächlich mit der Familie. Familienleben ist aber auch allgemein sehr wichtig. Auf dem Land ist es nicht ungewöhnlich eine Sauna zu besitzen, so hat auch meine Familie eine, und diese wird jeden Sonntagabend von mir mit Begeisterung besucht. Ansonsten genieße ich es, mit dem Hund meiner Gastfamilie joggen zu gehen oder mit meinen kleinen Brüdern Rad zu fahren. Für meine Familie gilt das gleiche wie für Estland auch – sie ist einfach spitze.
Ich habe drei kleine Brüder (mein jüngster Bruder erblickte erst vor zwei Monaten das Licht der Welt), eine gleichaltrige Schwester, mit welcher ich mir auch ein Zimmer teile, sowie Gastvater Heiki und Gastmutter Aire. Dazu kommen noch zwei Hunde. Wir wohnen in einem kleinen Haus, etwa 10 km außerhalb von Tartu. Mit knapp 100.000 Einwohnern ist Tartu die zweitgrößte Stadt Estlands.
Kohuke, Elche und vieles mehr
Etwas, das ich auf keinen Fall vergessen sollte, ist das gute Essen. Die estnische Küche ist recht rustikal, viel Kartoffeln und Unmengen von Milchprodukten. Das Beste: Kohuke, ein Quarkröllchen mit Schokolade umhüllt. Jeder Austauschschüler, der ein Austauschjahr in Estland verbringen durfte, wird sein Leben lang Kohukefan sein.
Meinen ersten lebendigen Elch sah ich auf dem morgendlichen Schulweg und meine Gastfamilie fand es sehr lustig, dass ich mich darüber so freuen konnte. Mein Austauschjahr ist zum Glück auch noch nicht vorbei. Mir bleiben noch drei Monate und auch danach werde ich sicherlich mit Freunden und Familie in Kontakt bleiben. Estnische Freunde zu finden war nicht ganz leicht, die nordische Zurückhaltung ist doch recht verbreitet, aber einmal einen Freund gefunden, hat man ihn für lange Zeit.
So freue ich mich schon auf den Besuch meiner Gastfamilie bei mir zu Hause in Deutschland. Ebenso werde ich mit meinem Schulchor, selbst nach meinem Austauschjahr, noch an einer Chorolympiade in Österreich teilnehmen.
Ich kann wirklich sagen, dass das Kreuzchen für Estland das Beste war, das ich hätte machen können.