Exotisch muss es sein – ganz weit weg von Deutschland. Costa Rica: Ein Land, voller glücklicher Menschen, friedlicher Politik, Regenwald mit mehr Schmetterlings- und Vogelarten, als man an irgendeinem anderen Flecken der Welt sehen kann. Das ganze Jahr über Sommer, ich würde richtig Spanisch sprechen lernen, Mangos und Kokosnüsse ernten können, und dazu ist es noch eines der sichersten Länder Lateinamerikas. Außerdem gibt es jeden Tag Reis mit Bohnen zu essen. Soviel hatte ich durch einige Berichte anderer Austauschschüler und Wikipedia vor meinem Abflug schon herausfinden können. Und ich war begeistert. Eine richtige Vorstellung von dem kleinen Land auf der anderen Seite der Welt, hatte ich damals natürlich noch nicht. Und noch viel weniger davon, wie viel mir Costa Rica später bedeuten würde.
Ich bin in diesem Jahr erwachsen geworden (oder zumindest das, was ich mir immer unter „erwachsen werden“ vorgestellt hatte), habe ein völlig anderes Leben kennen gelernt, und mit der Zeit angefangen, zu lieben: die märchenhaften Wasserfälle, die majestätischen Vulkane, aber vor allem das große Herz der Ticos (so nennen sich die Costa-Ricaner scherzhafterweise selber, angelehnt an ihre Sprechweise). Von Anfang an haben sie mich in ihrer Familie bzw. unter ihren Freunden aufgenommen. Haben mir geholfen, mich verstanden und sich mit mir gefreut. Sie haben mir ihren Weg zum Glück gezeigt, einen, der viel mehr als mit teurem Luxus, mit lächelnden Augen, bunten Hängematten und Familie zu tun hat. Ich habe gelernt, was Höflichkeit und Solidarität wirklich bedeuten können. Und dann natürlich, was man mit Reis und Bohnen alles Tolles anfangen kann. (Nein, ich habe noch nicht genug davon.)
Sicherlich ist nicht alles nur paradiesisch; Geldsorgen und Kriminalität gehören zum Alltag dazu. Aber es ist selbstverständlich anderen zu helfen, ganz unabhängig von der eigenen Situation.
Was den Menschen wichtig ist
Was außerdem noch eine wichtige Rolle im Leben der Ticos spielt? Die katholische Kirche, der Kaffee, Musik, Fußball und Hunde. Sie sind sich der Schönheit ihres Landes sehr bewusst und versuchen immer wieder ihre Traumstrände vor Müll und nordamerikanischen Milliardären zu retten. Und wollen mir so viel wie möglich von ihrem Land zeigen.
Ganz anders als in Deutschland sind hier beispielsweise die Häuser, die oftmals eben aus dem Material bestehen, zu dem das Geld gerade gereicht hat. Die Busse mit den offenen Türen und einem dünnen Strick über den Sitzen, an dem man ziehen muss, damit sie anhalten. Wo die Haltestellen sind oder wann genau der Bus abfährt, muss man eben wissen. Wenn nicht, ist man ein bisschen verloren. Die Schule, in der Lehrer und Schüler befreundet sind, es immer nur Kreuzeltests gibt und alle in Uniform kommen müssen. Dass man sich mit der Zeit an das Zusammenleben mit niedlichen Geckos und weniger niedlichen Kakerlaken gewöhnen muss. Die Gottesdienste, die oft mit fröhlicher lateinamerikanischer Musik und Tanz gefüllt sind. Die Züge, die sich im Jahrhundert geirrt zu haben scheinen, und dass vor meinem Zimmerfenster morgens Kolibris vorbei tanzen. Das alles ist jetzt mein Alltag.
Am wichtigsten sind mir in meiner Zeit hier aber meine Freunde geworden. Denn wenn man ein ganzes Jahr Zeit hat, entstehen sehr enge, vertraute Freundschaften, die zu verlassen mir unendlich schwerfallen wird. Aber andererseits: Ich bin mir sicher, dass ich irgendwann (so bald wie möglich) wieder in meine zweite Heimat, nach Costa Rica, zurückkehren werde.