Ich bin jetzt schon seit ca. drei Monaten in China und die Zeit bis jetzt verging unglaublich schnell. Schon vor zwei Jahren wusste ich, dass ich für ein Jahr nach China gehen wollte, daher ist es für mich ein überwältigendes Gefühl jetzt hier zu sein. Ich glaube jeder Austauschschüler hat dieses Gefühl wenn er realisiert, dass er nun an dem Ort ist, an dem er schon eine lange Zeit sein wollte. Dieses Gefühl ist wie jedes Gefühl nicht immer im Vordergrund, aber es taucht immer wieder während meines chinesischen Alltags auf, was es, wie ich finde, noch schöner macht. Am Anfang kam dieses Gefühl des „Ja ich bin in China“ auf, wenn ich etwas Neues entdeckte, z.B. an meinem ersten Schultag. Es war ein bisschen so, als würde man wieder in die erste Klasse eingeschult werden, man kennt tatsächlich niemanden, die Umgebung ist fremd und was so recht passieren wird ist auch nicht ganz klar, aber man freut sich und ist aufgeregt. Mein Herz schlug wie wild als ich das erste Mal meine Klasse betrat, alle sahen mich an und an die Tafel hatten sie meinen chinesischen Namen 思涵(Sihan) geschrieben. Zwei meiner neuen Mitschüler kamen auf mich zu und hießen mich im Namen aller willkommen und ich nahm meinen neuen Platz in der Klasse ein.
Ich fühle mich willkommen
Sich willkommen zu fühlen, ist das zweite für mich ganz wichtige Gefühl, was ich häufig in China erleben darf. Es ist ganz egal, wo hin ich gehe, überall sind die Menschen stets bereit gewesen, mir zu helfen, mich in China einzuleben. Neulich stand ich mit einem anderem Austauschschüler an der Bushaltestelle und wir rätselten wie wohl das dritte Zeichen auf dem Straßenschild gesprochen werden könnte, da kam eine Stimme von hinten mit der Antwort, schnell kamen wir mit dem Chinesen ins Gespräch. Wir redeten über die vielen schönen Parks in unserer Stadt (Changzhou) und da wir den Park in der Nähe seines Hauses noch nicht kannten, lud er uns gleich ein, mit ihm dort spazieren zu gehen.
Diese beiden Gefühle das „Ja ich bin in China“ Gefühl und dass Willkommens Gefühl verbinden sich auch oft. Es ist zum Beispiel wunderbar, wenn ich den mir jetzt schon sehr vertrauten Weg zum nächsten Park entlang schlendre und mich der Obsthändler, bei dem ich manchmal einkaufe, grüßt wenn er mich sieht.
Ein anderer Teil meines Lebens hier ist meine Gastfamilie, für die ich unglaublich dankbar bin. Ich verstehen mich super mit meiner Gastschwester, in den drei Monaten in den ich hier bin, hatten wir noch keinen Streit und das obwohl ich zu gegeben gelegentlich etwas dickköpfig sein kann. Häufig gehen wir am Wochenende zusammen in einem der vielen günstigen Restaurants Mittagessen. Es ist mir eine große Freude, wenn ich ihr mal ein neues Restaurant zeigen kann, in dem ich vorher mit einem Klassenkameraden war. Essen ist ein wichtiger Punkt in der chinesischen Kultur und mein erster Satz den ich hier gelernt habe war: „Wo bao le!“ Was so viel heißt wie „Ich bin voll!“ Nachdem ich das gesagt hatte, strahlte meine Oma, die für uns kocht, übers ganze Gesicht. Jetzt wo ich etwas mehr Chinesisch kann, unterhalte ich mich mit meiner chinesischen Oma manchmal über die Unterschiede zwischen deutschem und chinesischem Essen und ob es das ein oder andere Gemüse auch daheim gibt.
Chinesisch und andere Neuheiten
Da ich etwas früher Schulschluss als meine Gastschwester habe, hole ich sie oft mit meiner Gastmutter zusammen ab. Dafür fahren wir häufig etwas früher zurück zur Schule und gehen in der Umgebung spazieren, ein super Training fürs Chinesisch Sprechen, denn meine Gastmutter kann kein Englisch und beim Laufen findet man immer etwas zum Reden. All diese Kleinigkeiten, wie der Abendspaziergang, das Essen mit Oma oder der Schwester und das erste kleine Gespräch mit den Klassenkameraden auf Chinesisch formen hier mein Leben. Manchmal sind es recht unspektakuläre Ereignisse, die einen denken lassen, dass es die richtige Entscheidung war nach China zu gehen. Für mich war China wie ein Swimmingpool randvoll mit neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Erkenntnissen. Ich bin glücklich, dass ich hineingesprungen bin und mich jetzt das Wasser an Neuartigkeiten umgibt. Im Moment bin ich manchmal noch unter Wasser und weiß nicht recht, ob ich tatsächlich Richtung Oberfläche unterwegs bin, aber bei meiner Orientierung in diesem neuen Umfeld hilft mir meine Gastfamilie auch sehr.
Zum Abschluss meines kleinen Textes möchte ich noch der Stiftung Mercator und YFU danken, denn ohne diese beiden Organisationen wäre es für mich nicht möglich gewesen, all das zu erleben.