Ich bin jetzt seit über 3 Monaten in China, in Peking, und werde jeden Tag wieder aufs Neue zum Staunen gebracht. Denn jeden Tag fallen mir neue Dinge auf, lerne ich mehr und mehr über China. Sich in einem Alltag in China zurechtzufinden ist für mich nicht immer ganz einfach. Aber zum Glück gibt es meine Gastfamilie, die lieber über die großen und kleinen kulturellen und sprachlichen Missverständnisse lacht, als sich darüber zu ärgern. Und die es schafft, dass ich mich in der kleinen Wohnung im 11. Stock von Anfang an zu Hause gefüllt habe. Was gar nicht so leicht ist: Mit den Aufzügen im Haus kam ich in den ersten Monaten nicht klar, ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft ich von den Aufzugtüren getroffen wurde. An den Fenstern wollt ich anfangs auch nicht allzu nahe stehen. Meiner Meinung nach viel zu hoch zum Leben. Inzwischen ist das alles kein Thema mehr. Auch das auf dem Kopf stehende Zeichen für Glück an meiner Zimmertür oder die Stofftiere aus dem Tierkreis auf dem Sofa sind inzwischen ganz normal.
Chinesisches Essen: anders, aber gut
Meine Gastmutter wurde von der ganzen Familie einstimmig zum „Kochgenie“ erklärt. Ich stimme dem absolut zu und bin ein großer Fan der chinesischen Küche, auch wenn ich ab und zu sehr ratlos bin, wie man denn das jetzt mit Stäbchen essen soll. Sobald es etwas zu essen gibt, was man in Deutschland nicht isst, also Schweinefüße oder Luftröhrensuppe, teilt mir das natürlich keiner vorher mit, es warten lieber alle darauf, dass ich ein Stück davon esse. Dann verstummen alle Gespräche und jeder sieht mich an. Erst dann teilt man mir mit, was ich denn da gerade im Mund hab und alle finden mein Gesicht sehr witzig. Aber die Strategie funktioniert, denn wenn man erstmal den Ekel überwunden hat, schmecken auch Hühnerfüße und Co. ziemlich gut. Es kostet zwar ab und zu etwas Überwindung, aber ich esse eigentlich alle „exotischen“ Gerichte. Das Ganze geht natürlich auch umgekehrt. Die Frage ob ich mir denn aus Jogurt, Bananen und Honig, was wir alles zu Hause haben, Bananenjogurt machen darf, verwundert meine Gastfamilie ziemlich. Das Ergebnis noch viel mehr. Nach kurzem Probieren ist sich meine Gastfamilie sicher: Ihrer Meinung nach zählt Bananenjogurt zu den „unessbaren“ Dingen. Genauso wie Gummibärchen. Zum Schulausflug auf die Chinesische Mauer nehme ich eine Tüte deutsche Gummibärchen mit. Meine Sorge, ob das für die ganze Klasse reicht, löst sich ziemlich schnell in Luft auf. Es stellt sich nämlich heraus, Chinesen mögen einfach keine Gummibärchen und sie können auch nicht verstehen wie ich sie haufenweise essen kann.
In meiner Gastfamilie zu leben ist inzwischen alltäglich, aber es gibt trotzdem immer wieder kleine Missverständnisse. So fängt meine Gastfamilie eines Morgens urplötzlich an zu lachen. Der Grund: Ich hatte mich zum Schuhe anziehen auf den Boden gesetzt. Allein die Vorstellung, sich auf den Boden zu setzten kommt ihnen verrückt vor. Für Verwunderung sorgte im ersten Monat auch, dass ich kaltes Wasser getrunken habe, absolut unverständlich und überaus witzig für meine Gastfamilie. Inzwischen ist mir warmes Wasser fast lieber als kaltes.
Schule in China: Disziplin und Zusammenhalt
Meine Gastmutter ist Lehrerin an meiner Schule und unterrichtet einige meiner Parallelklassen. Morgens bringt mein Gastvater mich und meine Gastmutter mit dem Auto zur Schule. Nur freitags nicht, denn da darf das Auto nicht auf die Straße. Dann fahre ich mit zwei Freundinnen U-Bahn. Wir sind jeden Morgen fast eine Stunde vor Unterrichtsbeginn in der Schule. Mehr als genug Zeit für mich, um in der Schulkantine zu frühstücken. Montags morgens ist vor dem Unterricht natürlich noch Flaggenappell, was auf mich nach wie vor komisch wirkt. Der Flaggenappell fällt allerdings immer wieder aus, wenn die Luftverschmutzung zu hoch ist. Genauso wie der Morgensport zwischen der 2. und 3. Stunde. Der Morgensport überfordert mich leider etwas. Während meine Mitschüler ordentlich in ihrer Reihe tanzen, versuche ich mitzukommen, was mir irgendwie nicht so ganz gelingt und für große Verwunderung bei meinen Mitschülern sorgt. Noch mehr verwundert sie aber meine Antwort auf die Frage, warum ich nicht mitkomme. Denn dass man in Deutschland keinen Morgensport in der Schule hat, können sie sich einfach nicht vorstellen.
Den Vormittagsunterricht habe ich im internationalen Teil meiner Schule. Hauptsächlich Einzelunterricht in Chinesisch und Mathe. Aber auch Englisch und Sport mit den Schülern der internationalen Klasse. Wir essen auch gemeinsam in der Schulkantine zu Mittag. Am Anfang fand ich das Essen dort größtenteils lecker, was die anderen Schüler zum Lachen gebracht hat, denn sie konnten das überhaupt nicht nachvollziehen. Inzwischen stimme ich ihnen zu, das Essen in der Schulkantine schmeckt einfach nicht. Zum Glück haben wir ab und zu die Möglichkeit, mit einem elektrischen Kochtopf im Klassenzimmer oder im „Office“ selbst Nudeln zu kochen. Das „Office“ ist eigentlich das Lehrerzimmer der Klassenlehrer der internationalen Klassen, aber es ist auch gleichzeitig der Treffpunkt für die internationalen Schüler in den Pausen. Dort sitzen in den Pausen dann Lehrer und Schüler zusammen, reden, sehen Filme oder spielen zusammen Uno. Was mich am Anfang total überrascht hat und woran ich mich jetzt langsam gewöhne ist, dass die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern in China viel enger und besser ist als in Deutschland. Den Nachmittagsunterricht habe ich in meiner chinesischen Klasse, wo ich leider so gut wie gar nichts verstehe. Aber meine Mitschüler sind fantastisch, das reicht schon. Besonders fasziniert sind sie, wie die meisten Chinesen, von meinen mehr oder weniger blonden Haaren, weshalb mir ständig jemand in meinen Haaren herumwuschelt.
Momente fürs Leben
Ich habe zwischen 7 und 9 Schulstunden pro Tag und ab und zu noch am Wochenende Schule. Wenn ich dann nach Hause komme, muss ich immer noch Hausaufgaben auf. Es ist manchmal anstrengend, aber eigentlich ganz ok. Und ich merke, wie mein Chinesisch immer besser wird und ich immer mehr sagen kann. Abends helfe ich meiner Gastmutter oft beim Kochen. Es ist ziemlich interessant, komplett anders als in Deutschland und wir reden währenddessen über alles Mögliche. Nach dem Essen sieht die ganze Familie fern. Ab und zu begleite ich meine Gastmutter auch zum „square dance”, was meine Gastschwester sehr lustig findet, da ich dort mit Abstand die Jüngste bin. Meine Gastschwester studiert bereits und ist nur am Wochenende zu Hause. Ich unterhalte mich oft, in einer Chinesisch-Englischmischung, mit ihr weil es einfach unglaublich lustig ist mit ihr zu sprechen und wir beide dann die meiste Zeit lachen.
Zwei Dinge, die ich bis jetzt erlebt habe und an die ich mich sicher noch in Jahren ganz besonders erinnern werde, ist der Schulausflug zur Chinesischen Mauer, die einfach umwerfend ist, und der Ausflug mit meiner Familie zu Verwanden in ein Dorf in die innere Mongolei. Diese Reise war sowieso schon sehr spannend und interessant. Leider hat dort aber auch mein Handy beschlossen, aus meiner Hosentasche in die Toilette zu fliegen. Mein Handy hat das Ganze natürlich nicht überlebt. Und ich habe jetzt ein neues, chinesisches Handy, das als Sprachen nur Chinesisch und Englisch zur Auswahl hat und eine Geschichte die zu 100 Prozent Chinesen und Deutsche zum Lachen bringt. Ich hoffe ich kann in China noch viele weitere interessante und lustige Geschichten erleben und bin unendlich froh, als Austauschschülerin in China zu sein.