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„Irgendwo ganz weit weg“

Erfahrungsbericht von Katharina, Austauschjahr in Bulgarien

Als kleines Kind habe ich auf einer Landkarte entdeckt, dass es „irgendwo ganz weit weg" eine Stadt mit dem Namen „Sofia" gibt. Ich war sehr erstaunt und musste lachen. Dass ich einmal ein ganzes Jahr dort wohnen würde, hätte ich mir damals nicht träumen lassen. Nun lebe ich schon drei Monate hier. Unfassbar!

 

Wie ist es denn so in Bulgarien?

Das lässt sich nicht einfach mit ein paar Worten sagen. Die meisten Bulgaren sind spontan, temperamentvoll und auch etwas chaotisch. Man merkt, dass man im Süden ist. Im Durch­schnitt haben die Leute wenig Geld, doch das Geld, das sie haben, geben sie sehr gerne für Cafébesuche mit Freunden aus. Familie und Freunde nehmen einen großen Teil der Freizeit­gestaltung ein. Man trifft sich täglich nach der Schule zum Essen in einem Restaurant, geht ins Einkaufszentrum oder sitzt im Park. Die großen Städte mit ihren vielen Möglichkeiten laden natürlich auch dazu ein! Die meisten jungen Leute leben in der Stadt, haben aber Verwandte auf dem Land, die sie an den Wochenenden gern besuchen.

 

Was ich bis jetzt erlebt habe

Nach meiner Ankunft in Bulgarien gab es ein Orientierungswochenende. Richtig aufgeregt war ich als ich meine Gastfamilie kennengelernt habe. Die Nervosität hat sich aber schnell gelegt, weil ich sehr herzlich aufgenommen wurde. Unmittelbar nach meiner Ankunft sind wir nach Bansko gefahren, einem für seine Skipisten berühmten Kurort, wo meine Familie ein Hotel besitzt. Dort verbringen wir des Öfteren unsere Wochenenden.

Spannend wurde es dann wieder an meinem ersten Schultag. In der Schule habe ich viele nette Leute kennengelernt, und die meisten Schüler freuen sich sehr, eine Deutsche in ihrer Klasse zu haben. Allgemein herrscht eine sehr gute Meinung von Deutschland. Es wird als Wirtschaftsnation geschätzt, aber auch wegen der wundervollen Kuchen und Torten und natürlich wegen des Oktoberfests. Viele junge Leute sagen über ihre Zukunftspläne, dass sie im Ausland studieren möchten – in England, den USA oder in Deutsch­land.

 

Schule - alles etwas anders

Vor allem aufgrund von Platzmangel in den oftmals sehr alten Schulgebäuden werden die Schüler meist in zwei Schichten unterrichtet. Ein Halbjahr lang beginnt die Schule um 7:30 Uhr, im anderen Halbjahr um 13:30 Uhr. In der Mitte des Schuljahres wird dann gewechselt. Das ist eine große Umstellung, da sich mit den Schulzeiten auch der ganze Alltag ändert. In der zweiten Schicht zum Beispiel machen viele Schüler vor der Schule Sport oder spielen ein Instrument, da nach dem Unterricht keine Zeit mehr ist.

Etwas verwirrend ist auch, dass die Notenskala „umgedreht" ist im Vergleich zur deutschen. Die beste Note ist die Sechs, die schlechteste eine Zwei.

 

Ja oder Nein oder doch Ja

Es stimmt: Viele Bulgaren schütteln den Kopf, wenn sie Ja sagen und nicken beim Nein-Sagen. Schön und gut, daran gewöhnt man sich nach kurzer Zeit. Richtig kompliziert wird es erst, wenn Bulgaren sich den westlichen Kopfbewegungen angepasst haben und nicken, um zuzu­stimmen. Große Verwirrung ist die Folge, und es ist am besten, immer nachzufragen, ob denn jetzt Ja oder Nein gemeint ist.

 

Kulinarische Köstlichkeiten

Die bulgarische Küche ist vor allem am Anfang sehr fettig und schwer verdaulich für den deutschen Magen. Mit der Zeit gewöhnt man sich allerdings daran, dass Brot nur eine Beilage, aber niemals Hauptgericht ist, dass fast alles frittiert werden kann und dass ein Gericht ohne Sirene (salziger, weißer Käse) einfach nicht schmeckt. Egal ob in Banitza (typisches Blätter­teiggericht), auf Pfannkuchen, auf Pommes oder zum Salat – ohne Sirene geht nichts.

 

"Was willst du denn in Bulgarien?"

Diese Frage habe ich zur Genüge zu hören bekommen. Viele junge Bulgaren können nicht nachvoll­ziehen, warum jemand ausgerechnet Bulgarien als Austauschland auswählt. Meine Hauptmotivation war Neugierde, doch nach und nach fallen mir immer mehr Motive ein. In jedem Land lassen sich einzigartige Erlebnisse machen, die ein ganzes Leben lang bleiben und prägen. Das Leben in einer anderen Familie kennenzulernen und zu merken, wie verschieden Menschen denken, das sind in­teressante Erfahrungen.

Bulgarien ist ein kleines und sehr altes Land im südöstlichen Teil Europas. Bis vor Kurzem hatte ich überhaupt keinen Bezug zum Osten, ich war nie östlicher als Berlin. Inzwischen habe ich in Sofia ein neues Zuhause gefunden und wundervolle Menschen kennengelernt. Wer sich ent­schieden hat, ein Austauschjahr in Bulgarien zu verbringen, dem kann ich nur gratulieren.

Es erfordert Mut, in ein Land aufzubrechen, über das in Deutschland sehr wenig bekannt ist und über das viele (unbegründete!) Vorurteile herrschen. Doch alle Anstrengungen lohnen sich. Dadurch, dass es eine ungewöhnliche Entscheidung für einen Deutschen ist, ein Jahr in Bulgarien zu leben, ist die überwiegende Mehrheit der Bulgaren Austauschschülern gegenüber sehr offen und freundlich eingestellt.

Es gibt so viele Erfahrungen zu machen, und ich bin sehr froh über diese Chance!

Kurz vorm gemeinsamen Essen mit den Großeltern

Kurz vorm gemeinsamen Essen mit den Großeltern

Bei einem traditionellen Fest in Bulgarien

Bei einem traditionellen Fest in Bulgarien

Mit der bulgarischen Schulklasse

Mit der bulgarischen Schulklasse

Katharina mit ihren beiden Gastfamilien - bei der einen hat sie während des anfänglichen Sprachkurses gelebt.

Katharina mit ihren beiden Gastfamilien - bei der einen hat sie während des anfänglichen Sprachkurses gelebt.