Einfach mal etwas anderes zu erleben, etwas vollkommen Neues kennenzulernen. Das hat mich schließlich dazu veranlasst, ein Auslandsjahr in dem doch eher unbekanntem, am Schwarzen Meer verstecktem Bulgarien zu verbringen.
Über drei Monate bin ich jetzt schon hier und habe schon so viel Schönes auf einmal erlebt wie noch nie in meinem Leben.
Erste Eindrücke: Großstadtabenteuer und "magische Zeichen"
Ich wohne in der Nähe der Hauptstadt Sofia, um genau zu sein in dem Vorort Kokalyane. Zwar brauche ich immer eine Stunde Busfahrt zu meiner Schule im Zentrum, dafür habe ich einen Panoramablick auf das Vitosha-Gebirge und nur zehn Minuten von unserem gemütlichen Holzhaus zu einem See.
Sofia ist ein kleines Abenteuer für sich. Wahnsinniger Verkehr mit hupenden Autos, ächzenden Bussen und den Pferdekutschen der Sinti und Romas. Und ohne meinen Stadtplan würde ich mich sicherlich ständig verlaufen. Die einzige Orientierungshilfe ist die große Alexander-Nevski Kirche mit ihrem goldenen Dach, das die Sonne reflektiert und deshalb meist gut zu finden ist.
Wenn ich dann mal Erholung vom Großstadtdschungel brauche, flüchte ich mich in eines der gemütlichen Cafés oder in einen hübschen Park, von denen es hier zum Glück genügend gibt. Dort kann ich in aller Ruhe meine Bulgarisch-Vokabeln lernen, versuchen, zu verstehen, über was die Leute neben mir sich unterhalten oder den Straßenhunden beim Sonnen zusehen. Nicht selten treffe ich hier auf meine Freunde, denn auch eine Großstadt kann manchmal sehr klein sein.
Überall ist dann da noch diese fremde kyrillische Schrift, die schon bald gar nicht mehr so fremd ist. Denn auch wenn es am Anfang verwirrend ist, weil es viele Buchstaben gibt, die zwar gleich wie die lateinischen aussehen, aber einen anderen Laut bedeuten, darf man sich nicht abschrecken lassen. Denn schon nach kurzer Zeit stellt das ganze kein Problem mehr dar und es macht sogar richtig Spaß, in einer weiteren Schrift schreiben zu können.
Es wäre ja auch zu schade, zu verpassen, wie die Bulgaren Namen, wie Eddie Murphy oder Harrison Ford, in kyrillischen Buchstaben zu Papier bringen.
Warum es viele amerikanische Filme gibt, die in Bulgarien gedreht wurden
Ich hatte auch das Glück, mit meiner Gastfamilie in jede Menge andere Städte außer Sofia zu fahren und so noch mehr schöne Plätze in Bulgarien kennenzulernen.
Besonders ins Auge sticht Einem die atemberaubende Landschaft. Sie hat etwas ganz eigenes und erinnert dann aber doch wieder an warme Länder wie Italien und Spanien, die Gebirge teilweise an die Alpen oder sogar manchmal ein bisschen an Neuseeland.
Dazwischen findet man sowohl malerische Dörfer als auch große Städte, die mit ihren aus dem Kommunismus übriggebliebenen Blöcken in den Himmel ragen.
Es ist wirklich überraschend wie so eine Vielfalt an Natur in ein kleines Land wie Bulgarien passt. Die Berge, steppenähnliche Landschaftszüge und dann natürlich das Schwarze Meer, an dem ich auch schon einen schönen Urlaub verbracht habe.
Auch wenn die Meinungen der Bulgaren darüber geteilt sind, ob es mit dem Mittelmeer aufnehmen kann, hat es mir sehr gut dort gefallen. Das Wasser ist klar und blau und wegen des geringeren Salzgehalts kann man gut tauchen, ohne dass Einem die Augen brennen.
Es ist meiner Meinung nach auf jeden Fall kein Wunder, dass viele Hollywoodregisseure ihre Filme zum Teil in dieser wunderschönen Landschaft drehen.
Die Bulgaren wissen viel über die Deutschland, aber was ist mit den Deutschen..?
Als ich damals in Deutschland von meinem Plan, ein Auslandsjahr in Bulgarien zu machen, erzählt habe, wussten manche nicht einmal genau, wo es sich überhaupt befindet. Und auch ich muss zugeben, dass ich mich damals wirklich fast gar nicht mit diesem Land auskannte.
Dabei ist Deutschland einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Bulgariens, viele Bulgaren studieren bei uns und Deutsch ist mit Englisch, Französisch und Russisch eine der meist gelernten Fremdsprachen dort.
Und selbstverständlich weiß jeder Bulgare, wo sich Deutschland und die größten Städte wie Berlin, Hamburg oder München befinden.
Ich finde das vermutlich unbeabsichtigte, aber dennoch einseitige, Interesse sehr schade. Schließlich ist Bulgarien gar nicht so weit von uns entfernt. Doch zumindest mein Familien- und Freundeskreis wird ab jetzt mehr Ahnung von dem schönen Balkanland haben.
Ich bin übrigens in einer Klasse gelandet, die Deutsch als Fremdsprache hat. Das ist für mich natürlich sehr lustig aber auch interessant, meinen Mitschülern beim lernen zuzusehen.
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass wir im Deutschen eine n-Deklination haben. Das wäre unter anderem das Wort "Mensch", das in allen Fällen, bis auf den Nominativ, auf "n" endet.
Es ist auch das erste mal, dass meine Lehrer mich um Rat fragen, wenn sie sich bei einem Wort nicht ganz sicher sind, welches Geschlecht es hat.
Ich muss aber sagen, dass das Deutsch der Bulgaren insgesamt sehr gut ist. Nur das "r" bekommen sie meist nicht so gut hin, aber ich habe die gleichen Probleme mit ihrem mit der Zunge gerolltem.
Mittendrin im Leben
Auch jetzt zu diesem Zeitpunkt kann ich es immer noch nicht richtig glauben, hier zu sein. Es ist wie ein wunderschöner, ein klein wenig verrückter, Traum, aus dem ich es mir gar nicht vorstellen kann, plötzlich wieder aufzuwachen. Zum Glück habe ich natürlich noch einige Zeit.
Auch wenn es nicht immer einfach ist, grade mit der doch vollkommen neuen Sprache, bin ich mir sicher, dass es sich lohnt. Es ist einfach etwas anderes, nur als Tourist in ein anderes Land zu fahren oder als Austauschschüler. Ich bin mittendrin in Bulgarien, lerne jeden Tag neue, coole Leute kennen. Ich bin mittendrin im Leben, ich habe das Gefühl, es in vollen Zügen auszunutzen und zu genießen.