„Entre outras mil es tu Brasil, o patria amada!“ – Unter anderen Tausend bist es du, Brasilien, geliebte Heimat! So lautet ein Teil der brasilianischen Nationalhymne, der mich immer zum Lächeln bringt, denn ich singe ihn nicht nur, weil er ein Teil der Nationalhymne ist, sondern weil es die Wahrheit ist. Brasilien hat es geschafft, innerhalb von 11 Monaten mein Herz zu erobern und zu meinem zweiten Zuhause zu werden. Etwa 8 Wochen sind vergangen, seit ich mich von meiner zweiten Familie und Freunden verabschieden musste und noch immer macht es einen Teil von mir traurig zu wissen, dass mein Auslandsjahr vorbei ist während ein anderer Teil von mir lächelt, weil ich durch dieses Jahr die tollsten Menschen kennenlernen und die schönsten Erinnerungen mitnehmen durfte.
Zweites Zuhause und zweite Familie
Die Stadt, in der ich gelebt habe, liegt im Südosten Brasiliens, im Staat Minas Gerais, und heißt Lagoa Santa. Meine Gastfamilie besteht aus meinen Gasteltern Marcus und Madalena und meine Gastschwestern heißen Carolinne (17) und Milene (15). Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich vor gut einem Jahr meine Gastfamilie zum ersten Mal gesehen habe: Ich kam aus dem Flugzeug und wurde umarmt, als wäre ich bereits ein Teil der Familie. Und der bin ich mittlerweile auch. Innerhalb dieser 11 Monate ist meine Gastfamilie zu meiner zweiten Familie geworden. Wir sind zusammen auf große Feste gegangen, zusammen auf die Farm meines Gastvaters gefahren, haben zusammen erzählt, gelacht und geweint. Vor allem zu Carolinne habe ich ein sehr enges Verhältnis aufgebaut, sie ist in dieser Zeit zu meiner besten Freundin und besseren Hälfte geworden und es fällt mir schwer zu wissen, dass ich sie eine ganze Zeit lang nicht mehr sehen werde. Und Familie, das heißt bei uns in Brasilien nicht nur Eltern und Kinder. Denn meine brasilianische Familie besteht auch aus meiner Oma, meinen Tanten, Cousins dritten Grades, dem Hund meiner Großtante, der Cousine meines Cousins und vielen anderen. In diesem großen Kreis haben wir zusammen Weihnachten, Ostern, den Vatertag, den Muttertag und andere wichtige Events und Feiertage gefeiert, ich habe mich sehr wohl in dieser Runde gefühlt und es war immer viel los.
Diese Frage wurde mir sehr oft gestellt. Ohne langes Zögern kann ich darauf ganz klar antworten: die Menschen. Verschlossenheit ist in Brasilien ein Fremdwort. Wohin ich auch gegangen bin wurde ich mit offenen Armen empfangen und von allen Seiten gedrückt, geküsst und über mich und Deutschland ausgefragt. Die Brasilianer strahlen so eine Ausgelassenheit und Fröhlichkeit aus und selbst diejenigen, die nicht viel haben (und davon gibt es in Brasilien nicht Wenige), zeigen, dass, sie trotzdem Freude am Leben haben. Ich musste mir nie Sorgen darüber machen, auf einer Feier alleine stehen zu müssen, denn immer kam jemand, um sich zu unterhalten. In Brasilien wird auch Vieles nicht so ernst und streng genommen wie hier in Deutschland. Das Leben zu genießen, Humor, Partys und gutes Essen haben hier einen großen Stellenwert. In meinen 11 Monaten in Brasilien habe ich mich laut meiner Gastschwester zu einer „Deutschen mit brasilianischem Spirit“ entwickelt und ich habe gelernt, das Leben auf die brasilianische Art und Weise zu genießen.
Partys und Churrascos
Die Brasilianer feiern gerne. Egal ob es dafür einen Anlass gibt oder nicht. In meiner Stadt gab es so gut wie jedes Wochenende irgendwelche Partys und Churrascos (brasilianische Barbecues). Diese Churrascos waren meine persönlichen Favoriten und ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mit meinen brasilianischen Freunden von 13 Uhr bis spät abends bei jemandem im Garten zu sitzen, Fleisch zu essen, im Pool zu schwimmen und brasilianischen Rap zu hören. Auch im Kreise der Familie haben wir oft Churrascos gemacht, ich bin immer total vollgegessen nach Hause gekommen.
Mehr als Karneval, Fußball, Caipirinha und schöne Frauen
„Woran denkst du wenn du an Brasilien denkst?“ Bei den meisten bestände die Antwort wohl aus Karneval, Fußball, Caipirinha und schönen Frauen. Davon findet man in Brasilien wirklich viel, aber Brasilien ist viel mehr als nur das. Brasilien sind Menschen, die am Straßenrand Maiskolben und Hippies, die selbstgemachte Traumfänger verkaufen. Zu Silvester weiße Kleidung anziehen und über sieben Wellen springen weil das Glück bringt. Reis mit Bohnen jeden Tag zum Mittag. Und vor allem dir herzlichen und liebenswerten Brasilianer. Eine Kultur, die so vielfältig ist, dass ich selbst nach vielen Monaten in Brasilien noch oft überrascht wurde. Wenn man ein Auslandsjahr macht, lernt man eine Kultur kennen, doch was man vorher nicht ahnt ist, wie tief so eine Kultur geht und wie sehr man davon beeinflusst werden kann. Ich kann nur jedem empfehlen, ein Auslandsjahr zu machen und in Brasilien wird man immer mit offenen Armen empfangen. Ein Teil von mir wird immer in Brasilien sein und mein Herz wird immer im Rhythmus der brasilianischen Nationalhymne schlagen. „Entre outras mil es tu Brasil, o patria amada.“