Hätte mich jemand vor einem Jahr gefragt, was ich über Belgien wüsste, hätte ich gesagt, dass die Europäische Kommission in Brüssel liegt, dort viele Waffeln und viel Schokolade gegessen werden und dass Pommes daher kommen. Bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe, einen Austausch in Belgien zu machen, wusste ich nicht mal, dass es drei offizielle Sprachen gibt, unter anderem Deutsch.
Gleich zweimal herzlich willkommen
Ich habe 10 Monate in Leuven verbracht, die Hauptstadt der Region Vlaams-Brabant, ca. eine halbe Stunde von Brüssel entfernt. Die ersten Wochen meines Aufenthalts in Belgien habe ich im Zentrum Leuvens bei einer Übergangsfamilie verbracht. Ich hatte dort eine super Zeit. Die Familie hat mir viel in Leuven gezeigt und erklärt, sie haben den Übergang von Deutschland nach Belgien echt einfacher gemacht. Ich hatte dort auch eine Gastschwester in meinem Alter, mit der ich mich sehr gut verstanden habe. Nach ca. der ersten Schulwoche bekam ich dann meine feste Gastfamilie. Anfangs fiel es mir nicht einfach, Familien zu wechseln. Ich hatte mich gerade an die Umgebung und Menschen gewöhnt und eine Routine mit meiner Gastfamilie aufgebaut. Von einem Neustart war ich damals nicht sonderlich begeistert, damals wusste ich auch noch nicht wie gut mein Verhältnis zu meiner neuen Familie sein würde.
Meine neue Gastfamilie wohnte in Heverlee, einem Teil Leuvens, in einer sehr schönen Gegend. Ich wohnte dort am Wald in der Nähe eines Schlosses und nur 4 km vom Zentrum. Meine Gastfamilie bestand aus meinen Gasteltern Fred und Hilde, mit denen ich wohnte, und deren vier Kindern und zwölf Enkelkindern, die auch öfter mal zu Besuch kamen. Ich habe nach einer Weile ein sehr enges Verhältnis zu meinen Gasteltern aufgebaut und habe ihnen alles anvertraut. Wir haben sehr oft Filme zusammen geschaut, immer zusammen zu Abend gegessen und haben ein paar Ausflüge gemacht, unter anderem auch ans Meer. Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Gastfamilie, sie haben mir viele Möglichkeiten eröffnet und mir ein zweites Zuhause, eine zweite Familie gegeben.
Das Schulsystem ist ganz anders
Neben meiner Gastfamilie war auch Schule ein großer Aspekt meines Alltags. Ich habe meine Zeit in Belgien auf einer katholischen Schule im Zentrum Leuvens verbracht, tatsächlich sind die meisten Schulen Belgiens katholisch, jedoch ist der einzige Unterschied zu nicht-religiösen Schulen der verpflichtende Religionsunterricht. Das belgische Schulsystem ist ziemlich anders als das deutsche, unter anderem wählt man in Belgien nämlich Richtungen, also eine Art Paket an Fächern. Es gibt zum Beispiel Humane Wissenschaften, Latein-Griechisch und noch viele andere. Ich wurde in „moderne Sprachen – Wissenschaften“ eingeteilt. Das Fächerangebot kann auf verschiedenen Schulen unterschiedlich sein, auch aufgrund der Interessen der Schüler. Freistunden und Noten, so wie wir sie kennen, gibt es auch nicht. In Belgien wird in Prozent bewertet und es gibt einen Raum mit Lehreraufsicht, welcher „studie“ heißt, wo man ausgefallenen Unterricht verbringt. In Flandern gibt es zweimal pro Jahr Prüfungen in allen Fächern, welche über ca. 2 Wochen geschrieben werden. Einmal im Dezember die „kerstexamen“ und dann noch die „juniexamen“ am Ende des Schuljahres. Was mich sehr überrascht hat, ist, dass es in Belgien tatsächlich einen Dresscode gibt, welcher zugegebenermaßen nicht wirklich streng kontrolliert wird, jedoch hätte ich das nicht erwartet.
Freunde auf der ganzen Welt
In der Schule habe ich auch einige meiner engsten Freunde kennengelernt. Ich habe Amélie und Cristina am Anfang des Schuljahres gefragt, ob ich mit ihnen die Mittagspause verbringen kann. Seitdem haben wir jede Pause zusammen verbracht und uns auch außerhalb der Schule getroffen. Später hat sich noch ein Mädchen aus der Parallelklasse angeschlossen und so hat sich meine Freundesgruppe in Belgien geformt. Ich hatte auch noch andere einzelne Freundschaften mit Mädchen aus meiner Klasse. Obwohl es am Anfang nicht immer einfach mit der Sprachbarriere war, bin ich über das Schuljahr sehr eng mit ihnen geworden und sie kommen mich auch bald besuchen.
Auch außerhalb der Schule habe ich sehr enge Freundschaften zu den anderen Austauschschüler*innen geknüpft. Bei der on arrival orientation habe ich alle anderen 25 Schüler*innen kennengelernt und habe mich mit allen auf Anhieb super verstanden. Natürlich haben sich nach einer Weile Gruppen gebildet, aber es war trotzdem eine Truppe toller Leute. Ich habe viele Wochenenden und Nachmittage mit ihnen verbracht. Da Belgien so klein ist, war es immer möglich, sich zu treffen, auch wenn jemand am anderen Ende des Landes wohnte. Es war super, Freunde zu haben, die sich in der gleichen Situation befanden, und mit welchen man immer offen über die Herausforderungen eines Auslandsjahres reden konnte. Ich habe auch weiterhin Kontakt zu ihnen und habe nun Freunde auf der ganzen Welt, von Australien über Japan bis in die USA und Brasilien.
Freizeitaktivitäten
Neben Schule und Freunden habe ich in meiner Freizeit weiterhin Geige gespielt und bin ins Gym gegangen. Es ist also auch möglich, seine Hobbys im Ausland weiterzuführen, jedoch bietet sich auch die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren, das haben einige meiner Freunde dann auch gemacht. Außerdem bin ich viel durch Belgien gereist und habe viele verschiedene Städte besucht, unter anderem auch mit meinen Freunden.
Belgien ist ein super Gastland
Ich hatte eine tolle Erfahrung in Belgien und würde es jedem vom ganzen Herzen empfehlen. Es ist ein Land mit tollen Menschen, einer interessanten Kultur und viel Geschichte. Es bietet total viel, vor allem für ein Land, worüber man sehr wenig weiß. Nicht weit von zu Hause und doch so anders, für mich war Belgien das perfekte Land für ein Auslandsjahr.