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Es sind die kleinen Dinge

Erfahrungsbericht von Lisa, Austauschjahr in Brasilien

„Uma parte do meu coração sempre ficará no Brasil“, das ist Portugiesisch für: „Ein Teil meines Herzens wird immer in Brasilien bleiben.“ Und genau das wird es auch. Ich kann mich noch genau an den Flug und die ersten Tage hier erinnern, und mir kommt es so vor, als wäre es erst gestern gewesen. Und nun lebe ich schon seit etwa 10 Monaten in Brasilien und bald heißt es für mich Abschied nehmen von all den Menschen, die ich so lieb gewonnen habe, von meinem brasilianischen Alltag, von meiner Schule, von meiner Stadt und von einfach allem, was mich in den letzten 10 Monaten begleitet hat. Es ist unmöglich ein Auslandsjahr in Worten zusammenzufassen, trotzdem möchte ich euch in diesem kleinen Bericht einen Einblick geben, wie es sein kann, für ein Jahr „im Land des Sambas, des Karnevals und der puren Lebensfreude“ zu leben.

 

Der brasilianische Alltag: Von Wasserschweinen, Açai,dem geliebten „clube“ und Churrascos

Einen großen Teil des Auslandsjahres verbringt man in der Schule und diese ist komplett anders als in Deutschland. Zunächst einmal muss man eine Uniform tragen, es gibt nur Frontalunterricht, überall in der Schule gibt es Wasserspender, der Unterricht fängt schon um 7:00 Uhr an, man hat alle Fächer in demselben Klassenzimmer, die Jüngeren haben nachmittags Unterricht und man duzt seinen Lehrer. Und das sind nur ein paar kleine Beispiele. Ich besuche hier zurzeit das „segundo ano“, welches in etwa mit der deutschen 11. Klasse zu vergleichen ist. Ich gehe hier gerne in die Schule, da ich meine Schule und meine Klasse ins Herz geschlossen habe und man immer Spaß haben kann. Unter der Woche gehen die meisten Brasilianer nach der Schule ins Fitnessstudio oder schlafen einfach. Auch ich gehe hier ins Fitnessstudio oder gehe Açai-Essen. Wobei wir schon bei dem nächsten Punkt wären: Açai! Das ist eine brasilianische Frucht und diese wird hier gesüßt und in der Konsistenz von Eis gegessen. Darauf macht man dann Leite condensado (gesüßte Kondensmilch), Sahne, Kakaopulver, Früchte, Saucen, Erdnüsse oder was man eben möchte. Jeder der in Brasilien ist, sollte es probiert haben! Ich für meinen Teil liebe es! Wenn die Sonne scheint, was hier oft genug der Fall ist, geht man auch oft einmal mit seinen Freunden in den „clube“. Diese sind so etwa mit den „country clubs“ in den USA vergleichbar und haben einen Pool, Sportfelder, einen kleinen Park, ein Restaurant, Festplätze zum Mieten und Spielplätze. Dank meiner Gastfamilie bin auch ich Mitglied in einem solchen Club und gehe dort regelmäßig mit meinen Freundinnen hin. Egal, ob am Wochenende oder unter der Woche. Dort trifft  man auch gern einmal auf Capivaras (südamerikanische Wasserschweine), welches ich sehr süß finde.

 

Brasilianer lieben es zu Feiern! Egal, wie klein der Anlass ist, es gibt immer Partys. An Geburtstagen gibt es auf den Festen immer einen Tisch mit ganz vielen Süßigkeiten, der sehr schön dekoriert ist und die Süßigkeiten dürfen auch erst gegessen werden, wenn das Geburtstagslied gesungen wurde und dies findet immer recht am Ende der Feier statt. Die größten Feste sind eindeutig die 15. Geburtstage und Hochzeiten.

 

Fast jedes Wochenende gibt es außerdem ein Churrasco. Das ist ein brasilianisches Grillfest und Brasilianer lieben es! Diese fangen oft zur Mittagszeit an und hören erst später am Abend wieder auf. Ich liebe Churrascos, egal, ob mit Familie oder Freunden. Es ist immer wieder schön.

 

Zwei Familien, zwei Heimaten

Ich werde oft gefragt, ob sich meine Gastfamilie wirklich wie eine richtige Familie für mich anfühlt, und ich kann diese Frage nur mit einem klarem Ja beantworten. In den letzten zehn Monaten habe ich mir ein zweites Leben aufgebaut. Ich habe eine zweite Familie mit zwei Gastschwestern und meinen Gasteltern. Ich werde mich immer als Teil der Familie fühlen und das hier wird immer mein zweites Zuhause bleiben. Wir haben in diesem Jahr viel zusammen gemacht. Egal, ob gemeinsame Churrascos, der gemeinsame Familien-Sonntag, das gemeinsame Verreisen, mein Geburtstag oder das alltägliche Familienleben. Ich bin meiner Gastfamilie so unendlich dankbar für alles, was sie für mich getan haben und was wir zusammen erlebt haben. Hier in Brasilien hat die Familie noch einmal einen größeren Stellenwert und ich habe Familie in diesem Jahr noch einmal mehr zu schätzen gelernt. Außerdem werde ich nie vergessen, wie liebevoll sie mich damals empfangen haben, sodass ich mich seit dem 1. Tag willkommen und als Teil der Familie fühle.

 

Unschlagbare Vielfalt

Brasilien ist ein so vielfältiges Land, in welchem viele Kulturen aufeinander treffen. Egal, ob die Ureinwohner am Amazonas, afrikanische Einwanderer in Bahia oder die Europäer im Süden. Egal, wo man in Brasilien ist, es ist immer ein bunter Mix aus verschiedenen Kulturen und Bräuchen. Vereint durch das tägliche Essen von Reis und Bohnen. Brasilien hat viel mehr zu bieten als Traumstrände, Karneval und Fußball. Während eines Auslandsjahres lernt man nur eine kleine Region des Landes genauer kennen, aber in anderen Staaten kann das Leben schon wieder ganz anders aussehen. Aber egal wo man hingeht, man wird immer mit offenen Armen empfangen, und ich liebe diese herzliche, offene Art der Brasilianer und die Gelassenheit. Alles hat einen „jeitinho“ (Ausweg).  Ein Teil der brasilianischen Kultur ist aber auch die Unpünktlichkeit, an welche man sich aber nach ein paar Monaten auch gewöhnt und selbst anfängt, sich für alles ein wenig mehr Zeit zu nehmen und generell sich nicht immer zu stressen. Während eines Auslandsjahres lernt man die Kultur eines anderen Landes kennen, wie man sie bei keiner Reise kennenlernen würde und die Kultur eines Landes ist so vielseitig, dass man sie nie in Worten beschreiben könnte. Man erlebt zum Beispiel Weihnachten (hier bei etwa 43 Grad), Silvester, Ostern und alles, was für einen jahrelang gleich war, auf einmal in einem anderen Land, 10.000km von allem Bekannten entfernt und das ist eine einmalige Erfahrung!

 

Es sind die kleinen Dinge

Auch wenn ein Auslandsjahr nicht immer nur einfach ist, würde ich doch sagen, dass dieses Jahr das beste Jahr meines bisherigen Lebens war! Es war eine lehrreiche und einmalige Erfahrung. Nie werde ich meine Reisen zum Pantanal, zum Amazonas oder in den Nordosten Brasiliens vergessen oder den brasilianischen Karneval, aber die Dinge, die ein Auslandsjahr doch gerade so einzigartig machen, sind die kleinen Dinge! Es sind Dinge, wie zu merken, dass man anfängt in Portugiesisch zu denken und zu träumen, wenn man brasilianische Musik mitsingen und verstehen kann oder der Moment, in dem man gesagt bekommt, dass man den Akzent von dem Staat Rio de Janeiro angenommen hat. Wenn deine Klasse dir sagt, dass sie nicht wollen, dass du gehst oder dich deine Gasteltern als ihre Tochter vorstellen. Wenn man ohne Hilfe alles in der Stadt alleine machen kann und sich auskennt. Es sind genau solche Momente, die ein Auslandsjahr ausmachen. Ich bin zufrieden mit dem Verlauf meines Auslandsjahres und auf die Frage, ob ich es noch einmal tun würde, würde ich ohne zu Zögern mit einem Ja antworten! Ohne dieses Auslandsjahr wäre ich niemals die Person, die ich heute bin.

Blick auf Rio de Janeiro

Blick auf Rio de Janeiro

Schnorcheln in Bonito

Schnorcheln in Bonito

Lisa trifft ein Faultier

Lisa trifft ein Faultier

Sonnenuntergang am Amazonas

Sonnenuntergang am Amazonas