YFU-Blog
Aktuelles aus Verein und Austauschwelt
Seit Juni gibt es eine neue Geschäftsführung bei YFU: Mit Mareike von Raepke als Leitung und Jantje Theege als ihre Stellvertreterin wird die Hamburger Geschäftsstelle nun erstmals in der Geschichte des Vereins von einem rein weiblichen Führungsduo geleitet. Im Interview berichten beide über ihre persönliche YFU-Geschichte, ihre Motivation und ihre Ziele für die Zukunft des Vereins.
Liebe Mareike, liebe Jantje, seit Juni bildet ihr gemeinsam das neue Team der YFU-Geschäftsführung. Ihr seid dem Verein beide schon lange verbunden: Wie habt ihr zu YFU gefunden?
Mareike: Ich hatte eine ziemlich klassische „YFU-Karriere“: 1997/98 war ich als Austauschschülerin in den USA und habe mich danach lange ehrenamtlich engagiert, unter anderem als Auswahlkoordinatorin in der Landesgruppe Hamburg. Nach meinem BWL-Studium war ich dann zunächst in einer Unternehmungsberatung tätig, bevor ich festgestellt habe, dass ich mir mein Leben eigentlich ganz anders vorgestellt hatte. Als ich über meine YFU-Kontakte schließlich von einer freien Stelle in der YFU-Finanzabteilung hörte, habe ich zugeschlagen. Damals wie heute hat mich bei der Arbeit für YFU besonders gereizt, dass die Organisation nicht gewinnorientiert arbeitet. Der Wert unserer Arbeit wird an anderen Dingen gemessen. Ich war dann erst Referentin in Finanzen und Controlling, später Leiterin der Abteilung, und schließlich stellvertretende Geschäftsführerin, bevor ich Anfang 2022 die Geschäftsleitung übernommen habe. Zunächst noch gemeinsam mit Knut Möller, bis dieser vor wenigen Wochen in den Ruhestand getreten ist.
Jantje: Ich bin nicht als Austauschschülern, sondern als Praktikantin für das (damals noch) Young Europeans‘ Seminar mit YFU in Berührung gekommen. Für mich war das erlebter YFU-Zauber: 500 Teenies und 100 Ehrenamtliche aus ganz Europa vor Ort. Ein bunter Mix aus Sprachen, ein Haufen von Menschen, die sich einander verbunden fühlen und eine Erfahrung teilen. Die Begeisterung für YFU war in jeder Faser des Seminars zu spüren. Ich kannte den Verein vorher noch gar nicht, habe aber in den wenigen Wochen meines Praktikums nachhaltig erleben dürfen, was YFU für mich ausmacht: Die langfristige Wirkung unserer Programme, tolle engagierte Menschen und die Kraft des (internationalen) Ehrenamts. Ich habe dann später schon im Hauptamt für YFU berufsbegleitend an der Fundraising-Akademie studiert und danach die Abteilung Fundraising und Vernetzung aufgebaut. Da meine Arbeit schon immer eng verflochten mit Themen der Organisationsentwicklung und strategischen Kooperationen war, freue ich mich nun sehr über den Schritt in die Geschäftsführung.
Dem Blick zurück folgt der Blick nach vorn: Wie würdet ihr eure Vision für die Zukunft von YFU beschreiben?
Jantje: Ich würde da gern auf den Claim der Deutschen YFU Stiftung zurückgreifen: Gemeinsam wirken. Weltbewegend. Das trifft es ganz gut und findet sich auch in unserer aktuellen Strategie wieder. Wir möchten, dass diese Organisation ihr volles Potential ausschöpfen kann. „Austausch für alle“ ist dabei nicht nur eine Floskel. Interkulturelles Lernen und das Einnehmen einer neuen Perspektive sind Gelingensbedingung für eine gesunde, bunte und tolerante Gesellschaft. Entsprechend möchten wir in Zukunft mehr Austauschschüler*innen an unseren Programmen teilhaben lassen, um so durch mehr Reichweite eine noch größere Wirkung zu erzielen.
Mareike: Mir persönlich liegt außerdem unsere Programmarbeit selbst am Herzen. Ich möchte weiter an qualitativ hochwertigen Bildungsprogrammen arbeiten – gemeinsam mit unseren Partnern im internationalen Netzwerk sowie mit unseren Ehrenamtlichen hier in Deutschland. Es ist unglaublich wertvoll für mich, auf Basis unserer persönlichen Kontakte im internationalen Netzwerk und im Verein zu wissen, dass „unsere“ Teilnehmer*innen in ihrem „Abenteuer Austausch“ gut begleitet sind. Die Ehrenamtlichen sind dabei eine große Kraft und der große Schatz unserer Organisation – viele verschiedene Menschen, die zum Erfolg unserer Arbeit beitragen. Es ist daher auch eines unserer Ziele, mehr Menschen zu gewinnen, die sich ehrenamtlich engagieren, in dem wir viele unterschiedliche Möglichkeiten bieten, das zu tun. Für jede und jeden soll etwas dabei sein, unabhängig von zeitlichen Kapazitäten. Ebenso zentral ist für mich selbstverständlich, im Hauptamt ein kompetentes und zufriedenes Team zu haben und eine gute Unternehmenskultur zu pflegen – daran zu arbeiten, macht mir große Freude.
Wenn ihr an das Erreichen dieser Ziele denkt: Woher nehmt ihr eure Motivation in der Arbeit für YFU?
Mareike: Die Art, wie unsere Programme wirken, motiviert mich immer wieder. Mir hilft es jedes Mal, Ehrenamtliche, internationale Kolleg*innen oder am besten Austauschschüler*innen oder Gastfamilien zu treffen. Wenn mit leuchtenden Augen von Erfahrungen berichtet wird, dann bekomme ich oft Gänsehaut, weil ich so bewegt bin. So war es erst vor Kurzem auch wieder bei der Urkundenverleihung für die Botschafter Bayerns, einem Stipendienprogramm für Schüler*innen aus Bayern. Bei meinem Grußwort habe ich in so viele gespannte und motivierte Gesichter von jungen Menschen geschaut, die in wenigen Wochen in ihr Austauschjahr starten werden. Ich weiß genau, wie sie sich fühlen – und mit wie vielen wertvollen Erfahrungen sie aus ihrem Austauschjahr zurückkehren werden.
Jantje: Ich bin überzeugt, dass hochwertige Bildung der Schlüssel ist, um den aktuellen Herausforderungen in der Welt zu begegnen. Und das sage ich nicht, weil ich für YFU arbeite. Ich finde Schüleraustausch schon immer großartig, dennoch ist es mir vor einigen Jahren noch schwerer gefallen als heute, zu begründen, warum Fördergelder für den Schüleraustausch mindestens so wirksam eingesetzt sind, wie etwa für Umweltschutz oder in der Hunger-Nothilfe. Mittlerweile liegt einmal mehr auf der Hand, dass wir die großen Fragen unserer Zeit nicht angehen können, wenn nicht möglichst alle Menschen über gute Bildung verfügen – und dazu zählt eben auch interkulturelle Bildung.
Ihr seid beide schon lange bei YFU, nun aber erstmals direkte Kolleginnen. Wie unterscheidet und ergänzt ihr euch in der Geschäftsführung?
Mareike: Wir freuen uns sehr auf und über unsere Zusammenarbeit, denn unsere Unterschiede und vor allem Gemeinsamkeiten sind so verteilt, dass wir uns optimal ergänzen! Uns bewegen zum Beispiel ähnliche Fragestellungen dazu, wie wir leben und führen wollen und welche Werte und Gedanken unser Handeln steuern. Außerdem ist uns beiden eine gute Abstimmung und viel offene Kommunikation wichtig.
Jantje: Gleichzeitig bringen wir unterschiedliche Kompetenzen und fachliche Schwerpunkte mit, wodurch die Entscheidung, wer welche Themengebiete abdeckt, sehr einfach war. Mir bleiben meine bisherigen Themenfelder Kommunikation und Fundraising, strategische Partnerschaften, politische Verbindungsarbeit und Vereinsentwicklung. Mareike wird sich vor allem um die Entwicklung unserer Austauschprogramme, die Kooperation mit dem internationalen Netzwerk, das gemeinsame Wirken mit unseren Ehrenamtlichen und die Führung unserer hauptamtlichen Mitarbeiter*innen kümmern.
Fair Share ist ein gemeinnütziger Verein, der sich weltweit für einen fairen Anteil von Frauen in Führungspositionen einsetzt. Ein Instrument ist dabei der „Fair Share Monitor“, der jährlich die Geschlechterverteilung in Geschäftsleitungen und Aufsichtsgremien von zivilgesellschaftlichen Organisationen untersucht. YFU beteiligt sich seit 2021 an dem Monitor und hat es dieses Jahr auf Platz 21 geschafft. Laut der Definition von Fair Share weist YFU damit einen angemessenen Anteil von Frauen in Führungspositionen auf. Was bedeutet euch dieses Ergebnis?
Jantje: Das hat für mich zwei Ebenen: Eine persönliche und eine fachliche. Für die Organisation bedeutet das Erreichen dieser „Zielmarke“ einen Meilenstein in einem Organisationsentwicklungsprozess, bei dem Ungerechtigkeit und eine ungleiche Verteilung von Privilegien verringert und nach Möglichkeit aufgehoben werden soll. Gleichberechtige Führungschancen sind dabei zentral und spielen zusammen mit anderen Kategorien von Ungleichheit, die wir als Organisation versuchen, aufzulösen. Gerechtere Bildungschancen und mehr Vielfalt unter unseren Haupt- und Ehrenamtlichen sind dabei nur zwei Stichworte, die uns bei YFU in Zukunft beschäftigen werden. Persönlich habe ich mich als berufstätige Frau und Mutter natürlich schon öfter mit Fragen von Geschlechtergerechtigkeit beschäftigt. Sowohl mit den Dilemmata und „Zielkonflikten“, die sich zwischen Karriere und Familienplanung ergeben, als auch mit den Reaktionen, die einem so aus der Gesellschaft begegnen – meistens Aussagen, die Männer eher selten hören.
Mareike: Ich habe mal ein Zitat gehört: „You can do it all, just not at the same time”. Das hat mich damals sehr geärgert. Ich bin damit groß geworden, dass junge Mädchen alles tun können. Inzwischen ärgere ich mich über dieses Zitat nicht mehr. Es ist so – der Tag hat nur 24 Stunden und wenn wir mehr Zeit bei der Arbeit verbringen, haben wir weniger Zeit für die anderen Themen in unserem Leben. Es geht um einen bewussten Umgang mit dieser Wahrheit und auch darum, dass dabei eine gute Balance für jede*n anders aussehen kann. Unsere Gesellschaft hat noch viel Entwicklungspotential im Bereich Geschlechtergerechtigkeit. Meine persönliche Auseinandersetzung mit Fair Share hat mir erlaubt, mich auf eine Lernreise zu begeben, auf der ich immer wieder feststelle, wie viel noch zu tun ist. Ein feministischer Führungsstil passt dabei aus meiner Sicht besonders gut zu YFU. Es geht um mehr als Frauen in Führung – obwohl die auch sehr wichtig sind. Es geht um die Art, wie wir führen, Entscheidungen treffen, aufeinander achten. Und da sind wir bei YFU auf einem guten Weg!
Vielen herzlichen Dank für das spannende Gespräch, liebe Mareike und liebe Jantje. Wir wünschen euch alles Gute und viel YFU-Spirit für die nächsten Jahre!
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